Gender Budgeting, im Sprachgebrauch der Vereinten Nationen gender-responsive budgeting,[1] bzw. gendergerechter Haushaltsplan, bedeutet die Etablierung und Durchführung von Maßnahmen innerhalb des Prozesses der Aufstellung von öffentlichen Haushalten (vgl. Haushaltsplan), mit dem Ziel, die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter (englisch: gender) zu fördern und schließlich zu erreichen.
Ein Gender-Budgeting-Prozess besteht aus der Definition von Gleichstellungszielen,[2] der Analyse des bestehenden Haushaltes, z. B. einer Gemeinde, einer Behörde, einer Universität, eines Landes oder Staates, bestehend aus deren Einnahmen (z. B. Steuern, Abgaben) und Ausgaben im Hinblick auf diese Gleichstellungsziele und schließlich den Veränderungen mit dem Ziel der besseren oder schließlich vollständigen Erreichung der Gleichstellungsziele.
In einem weiteren Sinn nimmt der Ansatz des Gender Budgeting außer den staatlichen Einnahmen und Ausgaben auch jene Teile der Ökonomie in den Blick, die in offiziellen Statistiken zu den Aktivitäten bzw. zur Wertschöpfung im Markt- und im Staatssektor sowie im bezahlten Bereich des Dienstleistungssektors nicht enthalten sind. Insbesondere die Zeitverwendung für Arbeit außerhalb des Markt- und Staatssektors (der umfangreiche Bereich der Familienarbeit und der ehrenamtlichen Arbeit) und die Wechselwirkungen zur Budgetpolitik stellen hierbei einen zentralen Ansatzpunkt dar.[3]
Das Gender Budgeting wird in Europa als Bündel von Maßnahmen, als Teilstrategie der Strategie des Gender-Mainstreaming verstanden, mit der die Gleichstellung der Geschlechter erreicht werden soll. Das österreichische Bundeskanzleramt definiert wie folgt: Gender Budgeting ist somit das finanzpolitische Instrumentarium der gleichstellungspolitischen Strategie des Gender Mainstreaming. Es ist ein wirkungsvolles Analyse- und Steuerungsinstrument, das Geschlechtergerechtigkeit auch durch eine veränderte Haushaltsführung bzw. -politik herstellt.[4]
Die Idee des Gender Budgeting wurde in Australien erarbeitet. Dort wurde 1984 auf Initiative der Ökonomieprofessorin Rhonda Sharp versucht, den Staatshaushalt gerechter zwischen Frauen und Männern aufzuteilen. Die Ideen wurden insbesondere durch die 3. und 4. Weltfrauenkonferenz international rezipiert.[5] Aufgegriffen wurde die Idee von der UNO und dem Europarat. Unter den deutschsprachigen Ländern fand das Konzept in Österreich die früheste und stärkste Unterstützung. Seit 1. Januar 2009 ist Gender Budgeting in der österreichischen Bundesverfassung verankert.
Der Vertrag von Amsterdam von 1999 erklärte die Gleichstellung von Männern und Frauen zu einer Aufgabe der Gemeinschaft (Artikel 2). 2002 beschloss die EU-Finanzministerkonferenz zur Umsetzung des geschlechtergerechten Politik die Einführung von Gender Budgeting bis 2015 anzustreben. 2004 definierte die Europäische Union Gender Budgeting so: Gender Budgeting ist eine Anwendung des Gender Mainstreaming im Haushaltsprozess. Es bedeutet eine geschlechterbezogene Bewertung von Haushalten und integriert eine Geschlechterperspektive in allen Ebenen des Haushaltsprozesses. Durch Gender Budgeting werden Einnahmen und Ausgaben mit dem Ziel restrukturiert, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. (Definition der Europäischen Union, EG-S-GB 2004, RAP FIN prov2, S. 11)[5]
In Österreich wurde die Idee das Ziel, die tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern durch eine entsprechende gestaltete Haushaltsführung anzustreben, früh und intensiv aufgegriffen und energisch verfolgt.
Im Zuge der österreichischen Haushaltsrechtsreform wurde am 1. Januar 2009 Gender Budgeting in der Bundesverfassung verankert. Bund, Länder und Gemeinden haben danach bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben (Artikel 13 Absatz 3 B-VG). Diese Zielbestimmung wird für den Bund ab 1. Januar 2013 mit Einführung der wirkungsorientierten Haushaltsführung noch verstärkt.[7][8]
In Deutschland gab es zunächst nur im Bundesland Berlin seit 2003 systematische Anstrengungen, auf Basis von Gender Budgeting Gleichstellungspolitik zu betreiben.[9] Auch in weiteren Bundesländern gibt es inzwischen Ansätze zur Implementierung.[10] Außerdem gibt es einzelne Städte wie Freiburg[11], Münster[12], Köln[13], Bremen[14] und Hamburg[15] in denen Gender Budgeting-Ansätze umgesetzt wird.
2005 wurde eine Machbarkeitsstudie zu Gender Budgeting auf Bundesebene vom Ministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegeben, die 2006 dem Kabinett vorgelegt und veröffentlicht wurde.[16] Auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen antwortete die Bundesregierung 2012 unter anderem:[17]
„„Aus Sicht der Bundesregierung ist „Gender Budgeting“ im Rahmen des Bundeshaushalts kein geeignetes Instrument, um die Gleichberechtigung der Geschlechter durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund wurde dieser Ansatz in der laufenden Legislaturperiode nicht weiterverfolgt.““
In der Schweiz bemüht sich die Stadt Basel Gender Budgeting umzusetzen.[18]