1904 Buch Humpty Dumpty von William Wallace Denslow

Humpty Dumpty (englisch; wörtliche Übertragung ins Deutsche: „buckliger Plumpsiger“)[1] ist eine Figur aus einem britischen Kinderreim.[2] Er ist ein menschenähnliches Ei, was im Text des Vierzeilers nicht ausdrücklich erwähnt wird. Im englischen Sprachraum ist dieser Kinderreim seit Jahrhunderten populär und so etwas wie ein fester Bestandteil der Sammlung von Kinderreimen in Mother Goose. Außerhalb des englischen Sprachraumes wurde Humpty Dumpty vor allem deswegen bekannt, weil Lewis Carroll ihn in Alice hinter den Spiegeln (1871) auftreten ließ (in der deutschen Übersetzung heißt Humpty Dumpty Goggelmoggel). Dort diskutiert er mit Alice über Semantik und erklärt ihr unter anderem die Wortschöpfungen Jabberwockys.[3] Als „Humpty Dumpty“ wird von englischen Muttersprachlern aber auch gerne eine kleine und rundliche Person bezeichnet. Hin und wieder ist es jedoch das Synonym für etwas Zerbrechliches, das man überhaupt nicht oder nur schwerlich wieder reparieren kann.

Kinderreim

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Text und Übertragungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Alice und Humpty Dumpty, Illustration zu Alice hinter den Spiegeln von John Tenniel, 1871

Humpty Dumpty sat on a wall,
Humpty Dumpty had a great fall,
All the King’s horses and all the King’s men,
Couldn’t put Humpty together again.

Von dem ursprünglich vermutlich als Rätsel gedachten Gedicht „Humpty Dumpty“ gibt es mehrere deutsche Übersetzungen. Sie alle zeugen von dem Versuch, den Klang und den Rhythmus des Originals in der Übersetzung zu erhalten, oder jedenfalls übersetzte Texte zu produzieren, die ähnlich dem Original gereimt (AABB) und metrisch gebunden sind. Die Inhalte des Textes und die sprachlichen Bilder werden darüber mitunter vernachlässigt und oft versuchen Übersetzer, die Leerstellen des Originaltextes ihrem Verständnis oder Bedürfnis entsprechend auszufüllen.[4]

Einige deutsche Übersetzungen lauten wie folgt:

„Hampti Dampti, ein schneeweißes Ei, fiel von der Mauer und brach entzwei.
Der König schickt Ritter mit Pferd und Lanz, doch wer von den Herren macht ein Ei wieder ganz?“

Mary Schachinger, Englische Kinderreime, 1946.[5]

Und auch der König mit seinem Heer rettet Eilein, Weilein nicht mehr.“

Heinz Kahlau, Die Märchen der Mutter Gans, 1973.[6]

Alle Pferde des Königs und all seine Mannen brachten Humpty Dumpty nicht wieder zusammen.“

Erika Tophoven, Englische Kinderreime, 1995.[7]

Des Königs Ritter und ihre Knecht kriegten Humpty nicht wieder zurecht.“
nicht zehn Pferde, nicht hundert Mann, kriegten den Armen wieder zusamm’n.“
und auch der König mit seinem Heer, rettete Humpty Dumpty nicht mehr.“
und auch der König mit seinem Heer, rettete Humpty Dumpty nicht mehr.“
auch der König mit all seinen Mannen brachte Humpty nicht mehr z'sammen.“

Melodie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Melodie, die üblicherweise mit dem Reim verbunden wird, wurde zuerst 1870 durch den Komponisten und Sammler von Kinderreimen James William Elliott erfasst und in National Nursery Rhymes and Nursery Songs wie folgt veröffentlicht:[8]


\new Staff <<
\clef treble \key bes \major {
      \time 6/8 \partial 2.     
      \relative d' {
	d4 f8 es4 g8 | f8 g a bes4. | d,4 f8 es4 g8 | f8 d bes c4. \bar"" \break
        d8 d f es es g | f8 g a bes4. | d8 d bes es es d | c8 bes a bes4. \bar"" \break
      }
    }
%\new Lyrics \lyricmode {
%}
>>
\layout { indent = #0 }
\midi { \tempo 4. = 56 }

Ursprungshypothesen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rezeption

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Philosophie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
„[…] Da hast du Ruhm!“
„Ich weiß nicht, was du mit ‚Ruhm‘ meinst“, sagte Alice.
Humpty Dumpty lächelte verächtlich. „Natürlich nicht – bis ich es dir sage. Ich meinte: Da hast du ein schönes zwingendes Argument!“
„Aber ‚Ruhm‘ heißt doch nicht ‚schönes zwingendes Argument‘“, entgegnete Alice.
„Wenn ich ein Wort verwende“, erwiderte Humpty Dumpty ziemlich geringschätzig, „dann bedeutet es genau, was ich es bedeuten lasse, und nichts anderes.“
„Die Frage ist doch“, sagte Alice, „ob du den Worten einfach so viele verschiedene Bedeutungen geben kannst“.
„Die Frage ist“, sagte Humpty Dumpty, „wer die Macht hat – und das ist alles. […]“

Anschließend an diese Passage aus Lewis Carrolls Alice hinter den Spiegeln wird der Name Humpty Dumpty häufig und meist in polemischem Sinn auch in der Philosophie verwendet:

Als Humpty-Dumpty-Argumente werden Behauptungen bezeichnet, (1.) die in einer Diskussion als gültig angeführt werden, ohne dass eine andere Begründung für sie angegeben wird als die Berufung auf faktische Macht, die es erlaubt, auf wirkliche Argumente zu verzichten, oder (2.) in denen Worte mit einer Bedeutung gebraucht werden, die von der allgemein akzeptierten Bedeutung in krasser Weise abweicht (vgl. Idiosynkrasie).

Als Humpty-Dumpty-Semantik gilt eine intentionalistische Sprachauffassung, die davon ausgeht, dass Worten ihre Bedeutung nicht qua Gebrauch zukommt, sondern dass sie durch bedeutungsverleihende Akte des Subjekts konstituiert wird. In dieser Bedeutung wird der Ausdruck vor allem im Zusammenhang der sprachanalytischen Kritik der Bewusstseinsphilosophie – etwa der Phänomenologie Edmund Husserls – gebraucht.

Physik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter angelsächsischen Physikern wird der Humpty-Dumpty-Kinderreim als Versinnbildlichung des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik gebraucht. Dieser handelt vom Wesen der Entropie, die, vereinfacht gesagt, ein Maß für die (energetische) Unordnung in einem System ist und die gemäß dem zweiten Hauptsatz nur zunehmen, niemals jedoch wieder abnehmen kann (Irreversibilität). Im Gegensatz zum verschütteten Kaffee illustriert der Reim auf poetische Art die Unumkehrbarkeit eines Prozesses: ist Humpty Dumpty einmal am Boden zerschellt ist er nicht wieder zusammenzusetzen.

Astronomie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der 1996 entdeckte Hauptgürtelasteroid 17627 wurde nach der Figur „Humptydumpty“ benannt.

Musik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor allem in der englischsprachigen Pop-Musik findet man Humpty Dumpty und den Kinderreim in den Liedtexten, aber auch deutsche Bands haben ihn schon verwendet. Am häufigsten tritt die Sprachfigur des zweiten Reims als Metapher einer endgültig zerbrochenen Liebe auf, zuweilen werden dabei des Königs Pferde und Soldaten durch alternative, weniger antiquierte Mächte ersetzt.


Beispiele mit Varianten des Reims in unterschiedlichsten Kontexten (chronologisch):

Weitere Beispiele:

Literatur

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch in der Literatur finden sich Referenzen zu diesem Reim.

Film

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bildende Kunst

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Politik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die New York Post verspottete Donald Trump nach einem ungünstigen Wahlausgang 2022 auf ihrer Titelseite mit einer Karikatur als Trumpty Dumpty und dem Text: "Don (who couldn´t build a wall) / had a great fall / can all the GOP´s men / put the party back together again?"[12]

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Commons: Humpty Dumpty – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Langenscheidts Euro-Wörterbuch Englisch, Neubearbeitung. Langenscheidt KG, Berlin/München 2001, ISBN 3-468-12122-9. S. 99, S. 147
  2. Joseph Ritson: Gammer Gurton’s garland: or, the nursery Parnassus; a choice collection of pretty songs and verses, for the amusement of all little good children who can neither read nor run. R. Triphook by Harding and Wright, 1810, S. 36 (google.com).
  3. Lewis Carroll: Jabberwocky. Abgerufen am 2. Dezember 2015 (englisch).
  4. Susan Kreller: Auf den Versen. (PDF) 10. Juni 2008, abgerufen am 2. Dezember 2015.
  5. Mary Schachinger (Hrsg.): English Nursery Rhymes – Englische Kinderreime. Urfahr: Länderverlag, Linz 1946, S. 20.
  6. Kahlau, Heinz: Die Märchen der Mutter Gans. Kinderbuchverlag, Berlin 1973, S. 27.
  7. Erika Tophoven (Hrsg.): English Nursery Rhymes – Englische Kinderreime. zweisprachig. dtv, München 1995, ISBN 978-3-423-09336-1, S. 63.
  8. J. J. Fuld, The Book of World-Famous Music: Classical, Popular, and Folk, Courier Dover Publications, 5. Aufl., 2000, ISBN 0-486-41475-2, Seite 502.
  9. us.penguingroup.com (Memento vom 27. Februar 2010 im Internet Archive)
  10. Humpty Dumpty Songtext Übersetzung. Aimee Mann, abgerufen am 2. Dezember 2015.
  11. Neal Shusterman: Unwind. Simon & Schuster Books for Young Readers, 2009, ISBN 978-1-4169-1205-7.
  12. New York Times: "New York Post Takes Aim at Trump, and Hits a Nerve", 18. November 2022