Imitervirales | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Taxonomische Merkmale | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Imitervirales | ||||||||||||
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Imitervirales ist eine Ordnung von Riesenviren im Phylum Nucleocytoviricota (NCLDVs, Nuleocytoplasmic Large DNA Viruses). Im März 2020 hat das International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) dem Vorschlag von Eugene V. Koonin et al. vom April 2020 entsprochen und innerhalb des Phylums die Klasse Megaviricetes mit der darin enthaltenen Ordnung Imitervirales geschaffen, die ursprünglich nur die Familie Mimiviridae mit den beiden Gattungen Mimivirus und Cafeteriavirus enthielt.[A. 1]
Da sich seitdem immer mehr Viren im Umfeld dieser Familie fanden, und andere Viren oder Virenspezies von verwandten Familien (insbesondere Phycodnaviridae) als näher mit den Mimiviridae verwandt erwiesen, hat das ICTV im April 2023 die Ordnung unter Aufnahme einer Reihe dieser Kandidaten Imitervirales reorganisiert. Dabei wurden auch Gruppen aufgenommen, die bis dato unter vorläufigen Bezeichnungen geführt wurden wie der Sammelbezeichnung „Extended Mimiviridae“ (meint hier die Verwandtschaft der Mimiviridae ohne diese selbst) oder „Organic Lake Phycodnavirus Group“ (OLPG) – letztere erwiesen sich den Mimiviridae näherstehend als den Phycodnaviridae, für die man sie anfänglich gehalten hatte. Zudem wurden in der „verschlankten“, Familie Mimiviridae Unterfamilien geschaffen, um die verwandtschaftlichen Beziehungen unter der Vielfalt der zahlreichen Vorschläge abzubilden und die am sichersten charakterisierten darunter offiziell zu bestätigen.[4][5] Auch nach dieser Maßnahme sind nur ein Teil der bis zum April 2023 vorgeschlagenen Vertreter offiziell bestätigt und im Detail beschrieben. Es erscheint zudem als wahrscheinlich, dass es im Vergleich zu 2005[6] und 2008[7] immer noch weitere Virusarten gibt, die sich als Mitglieder insbesondere durch aus Metagenomanalysen identifizieren lassen.
Wie bei allen Riesenviren der Nucleocytoviricota ist das Genom der Imitervirales unsegmentiert (monopartit) und besteht aus einem linearen Doppelstrang-DNA-Molekül mit großer Länge (wie für Riesenviren üblich).
Die Familie Mimiviridae, im engeren Sinn verstanden und früher gelegentlich auch als Megaviridae bezeichnet, bezeichnet seit der Reorganisation der Imitervirales durch das ICTV im April 2023 nur noch die kleinste Klade der NCLDVs, die die beiden ursprünglichen Mimiviridae-Gattungen Mimivirus und Rheavirus (syn. Cafeteriavirus) umfasst. Dies sind die provisorisch als Mimiviridae Gruppe I (Mimivirus und nahe Verwandte) und II (Cafeteriaviren) bezeichneten Vertreter, sowie die Klosneuviren.[4][5]
Die Familie Mesomimiviridae, früher englisch als „Organic Lake Phycodnavirus Group“ (OLPG) bezeichnet, umfasst eine Gruppe von Viren, die ursprünglich entsprechend dieser provisorischen Bezeichnung der Familie Phycodnaviridae zugeordnet wurden, weil sie – im Gegensatz zu den damals bekannten Vertretern und Kandidaten der Mimiviridae – Pflanzen oder Grünalgen statt Amöben parasitieren. Spätere genauere Analysen ergaben aber, dass die OLPG-Mitglieder offenbar eher mit den Mimiviridae verwandt sind.[9][10][11][8] Gelegentlich wurde diese Gruppe daher auch als „Mimiviridae Gruppe III“ bezeichnetem Gruppe – die Klosneuviren wurden erst später gefunden.[12][13][14]
Bei genauer phylogenetische Analyse erwies sich diese Gruppe jedoch als sehr divergent und möglicherweise sogar polyphyletisch, was zur Abspaltung zweier Kladen (den Aureococcus- und Tetraselmisviren, d. h. der heutigen Familien Schizomimiviridae respektive Allomimiviridae) führte.[15][4][5] Summarisch wurde diese Verwandtschaft auch als „Extended Mimiviridae“' bezeichnet, und zwar im Sinn von Mimiviridae im weiteren Sinn (d. Imitervirales) ohne die eigentlichen Mimiviridae selbst.
Die provisorische Bezeichnung OLPG stammt von „Organic Lake Phycodnavirus 1“ und „2“ (OLPV1 bzw. OLPV2), gefunden im Organic Lake, Antarktis.[16][17]
Die Bezeichnung Mesomimiviridae geht zurück auf einen ursprünglichen Vorschlag von L. Gallot-Lavallée et al. (2017), diese Gruppe anzusehen als eine Unterfamilie „Mesomimivirinae“ innerhalb der Familie Megaviridae (aufgefasst als im sehr weiten Sinn verstandenen Familie Mimiviridae, d. h. der heutigen Ordnung Imitervirales).[18][19][20][21] Beispielsweise erscheinen bei Deeg et al. (2018) die „Mesomimivirinae“ als eine Schwestergruppe der zur Unterfamilie „Megavirinae“ herabgestuften Mimiviridae (in heutigen, engeren Sinn) innerhalb der im sehr weiten Sinn aufgefassten Familie Mimiviridae (d. h. der Imitervirales).[22]
Nach Einrichtung der höheren Virustaxa durch das ICTV war es möglich, diesen engen Rahmen zu sprengen und entsprechend der Diversität der Mimivirdae und ihrer Verwandtschaft höhere taxonomische Ränge innerhalb der neuen Ordnung Imitervirales zu vergeben. Die Familie Mimiviridae wird daher jetzt in engeren Sinn verstanden, nämlich als kleinste Klade der beiden ursprünglichen Mitgliedsgattungen Mimivirus und Cafeteriavirus (heute umbenannt in Rheavirus). Die nach Abtrennung der Aureococcus- und Tetraselmisviren verbliebene OLPG bildet zu den Mimiviridae eine Schwestergruppe im Rang einer Familie Mesomimiviridae. Dieses Szenario findet sich bereits bei Jonathan Filée (2018)[23] und wurde nach Vorschlag von Frank O. Aylward et al. (2021)[5] vom ICTV im April 2023 offiziell bestätigt, wobei die Aureococcus- und Tetraselmisviren ebenfalls in den Rang von Familien erhoben wurden.[4]
Die in dieser Familie enthaltenen drei Spezies (Stand Ende April 2023) sind aquatische Viren, die Haptophyten infizieren. Wegen ihrer großen Ähnlichkeit wurden alle drei derselben Gattung Tethysvirus zugeordnet.[5]
Das mit Stand Ende April 2023 noch nicht offiziell bestätigte Mitglied „Haptolina ericina virus RF02“ (HeV-RF02) war (mit einem Kapsiddurchmesser von ca. 310 nm) zum Zeitpunkt seiner Entdeckung 2015 das größte bekannte Algenvirus.[24]
Zur Systematik der Mesomimiviridae s. u.
Die Familie Schizomimiviridae, früher englisch als Aureococcusviruses[15] (Aureococcusviren) bezeichnet, ist eine von der ursprünglichen OLPG abgetrennte Klade, nachdem sich diese als polyphyletisch erwiesen hatte. Sie enthält Aureococcus anophagefferens virus (AaV), englisch auch als brown tide virus (BtV) bezeichnet (offiziell Kratosvirus quantuckense),[25][26][20][27] sowie das Prymnesium kappa virus RF01 (offiziell Biavirus raunefjordenensis). Diese beiden Spezies kommen in Meeresumgebungen vor und infizieren Haptophyten bzw. Heterokonten.[5]
Im September 2019 berichteten David M. Needham, Alexandra Z. Worden et al. über das neu entdeckte „Choanovirus“ (ChoanoV 1 und 2), das ein virales Rhodopsin besitzt[28] und zusammen mit dem Aureococcus anophagefferens virus (Brown tide virus)[25][26][20][27] neben den eigentlichen OLPG eine Klade innerhalb der „Extended Mimiviridae“ (d. h. der Imitervirales ohne die Mimiviridae s. s.) bildet.[28]
Zur Systematik der Schizomimiviridae s. u.
Die Familie Allomimiviridae, früher englisch als Tetraselmisviruses[15] (Tetraselmisviren) bezeichnet, ist eine weitere von der ursprünglichen OLPG abgetrennte Klade, nachdem sich diese als polyphyletisch erwiesen hatte. Zu ihr gehören Tetraselmis virus 1 (TetV-1, offiziell Oceanusvirus kaneohense) und Pyramimonas orientalis virus 01B (PoV-01B, offiziell Heliosvirus raunefjordenense).[22][29][15][20] Die Mitglieder beider Arten sind marine Viren, die Grünalgen infizieren.[5]
Weitere vorgeschlagene Mitglieder sind „Prymnesium kappa virus RF02“ (PkV-RF02).[24] und „Dishui Lake large alga virus 1“ (DSLLAV1) aus dem Dishui Lake, einem künstlich angelegten See (30,8972° N, 121,9353° O ), in der Modellstadt Nanhui New City in der Südostecke von Pudong, Schanghai. Dieser Kandidat steht offenbar doch nicht basal in den Mimiviridae s. l. (im weiteren Sinn, d. h. Imitervirales),.[14] sondern in die Klade der Tetraselmisviren.[5]
Zur Systematik der Allomimiviridae s. u.
Die folgende Systematik basiert auf der Master Species List #38 des International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV)[4][5] vom 8. April 2023, ergänzt um eine Reihe (noch) in diesem Release nicht offiziell anerkannter Vorschläge:
Ordnung Imitervirales
Die im April 2023 vom ICTV veröffentlichte Reorganisation der Imitervirales liegt der Vorschlag von Aylward et al. (2021) zugrunde, in dem auch eine phylogenetischer Baum der Ordnung angegeben ist. Dieser sieht vereinfacht wie folgt aus:[4][5]
Imitervirales |
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Anmerkungen:
Die Bezeichnungsweise des ICTV für die Speziesnamen der Imitervirales folgt der inzwischen auch für Viren maßgeblichen binären Nomenklatur wie für zelluläre Organismen mit den für Riesenviren üblichen latinisierten Namen. Die Gattungsnamen beziehen sich auf die Namen der Titanen der griechischen Mythologie (Biavirus, Kratosvirus, Heliosvirus, Oceanusvirus etc.) wenn nicht schon bereits ein anderer Gattungsname vorgeschlagen und allgemein gebräuchlich war (Megavirus, Moumouvirus, Yasminevirus, Tupanvirus etc.). Das Artepitheton bezieht sich auf Merkmale oder die geografische Lage, in der die Viren beprobt oder isoliert wurden (z. B. sinusmexicanus für die Isolierung aus dem Golf von Mexiko).