Strike Germany ist ein anonymer, während des Kriegs in Israel und Gaza 2024 gestarteter Aufruf, der sich an Kulturschaffende wendet, um Veranstaltungen deutscher Kultureinrichtungen zu boykottieren.

Urheber und Unterzeichner

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Der Text steht seit Januar 2024[1] im Internet, unter anderem in französischer, englischer, deutscher Sprache. Die Urheberschaft ist unbekannt,[2] ein Impressum ist nicht vorhanden, lediglich der Hinweis „ein breiter Zusammenschluss von Künstlern, Filmemachern, Schriftstellern und Kulturschaffenden mit Sitz in Berlin“ stünde hinter dem Aufruf.[3] Strike Germany wird im Umfeld der vom Bundestag als antisemitisch eingestuften Boycott,-Divestment-and-Sanctions-Kampagne verortet, die das Ziel hat, den Staat Israel zu destabilisieren.[4][5][6]

Unterzeichnet wurde Strike Germany unter anderen von der Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux, der Trägerin des Theodor-W.-Adorno-Preises Judith Butler, der ehemaligen Documenta-Organisatiorin Catherine David, dem Turner-Preis-Träger Jesse Darling, Françoise Vergès, Yasmine Hamdan, Indya Moore, Charlotte Prodger, Lana Bastašić und Lawrence Abu Hamdan.[7][8][9][10]

Inhalt

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Das Dokument ruft Kulturschaffende dazu auf, sich Ausstellungen und Veranstaltungen in Institutionen zu verweigern, die „die Politik ihrer Künstler kontrollieren“, insbesondere derjenigen, die sich pro-palästinensisch geäußert haben.[8] Hintergrund ist die Ablehnung der gegenwärtigen deutschen Nahost-Politik unter dem Kabinett Scholz.[9] Auch wurden die Ausladung Adania Shiblis von der Verleihung des Deutschen Buchpreises auf der Frankfurter Buchmesse und die Umständen der Hannah-Arendt-Preisverleihung an Masha Gessen verurteilt, die Israel lautstark bis Israel-feindlich kritisierten.[3][11][12] Außerdem verorteten die Initiatoren einen „McCarthyismus[13] und fehlende Meinungsfreiheit in Deutschland.[14][15] Sie kritisierten die IHRA-Antisemitismusdefinition, die Bestandteil der Antisemitismus-Klausel des Berliner Senats[16] bei bei Fördermittelvergabe für Kulturschaffende war.[17][18][19]

Auswirkungen

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Stand April 2024 haben rund 1000 Kulturschaffende weltweit Strike Germany unterzeichnet.[3] Der Aufruf wurde als ein Grund für die schnelle Rücknahme der Berliner Antisemitismusklausel durch Kultursenator Joe Chialo genannt.[19][20] Vereinzelt kam es zur Absage durch Kunstschaffende im Sinne des Aufrufs: So trennte sich die bosnische Schriftstellerin Lana Bastašić, eine der Unterzeichnerinnen, von ihrem Herausgeber, dem S.-Fischer Verlag. Sie warf ihm vor, sich nicht gegen den „GenozidIsraels im Gazastreifen ausgesprochen zu haben und zur „systemischen und systematischen Zensur“ in Deutschland geschwiegen zu haben.[9] Ferner wurden Auftritte im Rahmen des CTM-Festivals für experimentelle und elektronische Musik abgesagt.[21][22] Ebenso zogen der ghanaische Filmemacher Ayo Tsalithaba und der indisch-amerikanische Regisseur Suneil Sanzgiri ihre Filme aus einer Nebenreihe der Berlinale zurück.[23][24] Im April 2024 gaben die Veranstalter des European Media Art Festival in Osnabrück bekannt, dass mehrere ungenannte Künstler im Film- und im Ausstellungsbereich ihre Werke für die Veranstaltung zurückgezogen haben.[25][26]

Einzelnachweise

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  1. Claudius Seidl: Boykott Strike Germany wegen Israel: Künstler sollen Deutschland bestreiken. In: FAZ.NET. 10. Januar 2024, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 7. April 2024]).
  2. Nahostkonflikt - "Strike Germany": Was hinter dem Aufruf zum Boykott deutscher Kultureinrichtungen steckt. In: deutschlandfunk.de. 18. Januar 2024, abgerufen am 6. April 2024.
  3. a b c Strike Germany. In: Strikegermany.org. Januar 2024, abgerufen am 6. April 2024 (englisch).
  4. Anna Mörck: Was steckt hinter „Strike Germany“ und welche Folgen hat das bisher? In: Musikexpress. 23. Januar 2024, abgerufen am 6. April 2024 (deutsch).
  5. Nicola Kuhn: Überzogen, grotesk, alarmierend : „Strike Germany“ ruft zum Boykott im Kulturbetrieb auf. In: Der Tagesspiegel Online. 12. Januar 2024, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 6. April 2024]).
  6. Auch Judith Butler unterschrieb: Wer steckt hinter „Strike Germany“? In: Die Presse. 19. Januar 2024, abgerufen am 7. April 2024.
  7. Michael Hesse: „Strike Germany“: Judith Butler ruft zum Boykott Deutschlands auf. In: Frankfurter Rundschau. 22. Januar 2024, abgerufen am 6. April 2024.
  8. a b Alex Greenberger: Hundreds of Artists Say They Won’t Show at German Institutions with ‘McCarthyist Policies’ on Palestine. In: ARTnews.com. 11. Januar 2024, abgerufen am 6. April 2024 (amerikanisches Englisch).
  9. a b c Künstlerboykott gegen deutsche Kulturinstitutionen eskaliert – wegen Deutschlands Nahostpolitik. T-online, 18. Januar 2024, abgerufen am 6. April 2024.
  10. Duncan Ballantyne-Way: Turner Prize-winning artist Jesse Darling: "Art is over in its current form". In: The Berliner. 25. März 2024, abgerufen am 13. April 2024 (britisches Englisch).
  11. Eugen El: Kulturkampf gegen Deutschland? In: Jüdische Allgemeine. 12. Januar 2024, abgerufen am 7. April 2024.
  12. Peter Merg: Kunstfreiheit: BDS gegen BRD? In: Junge Freiheit. Abgerufen am 7. April 2024.
  13. Auch Judith Butler unterstützt Boykottaufruf von "Strike Germany". In: Der Standard. 19. Januar 2024, abgerufen am 7. April 2024 (österreichisches Deutsch).
  14. Kritik an Israel: Wie die Kulturwelt mit Antisemitismus ringt. In: deutschlandfunkkultur.de. 8. März 2024, abgerufen am 7. April 2024.
  15. Raphael Tsavkko Garcia: The World Punished Russia for Invading Ukraine. It Should Punish Israel too. In: Institute for Palestine Studies. 27. März 2024, abgerufen am 7. April 2024 (englisch).
  16. Julian Weber: CTM und die Antisemitismusklausel: Parole und Karriere. In: Die Tageszeitung: taz. 19. Januar 2024, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 7. April 2024]).
  17. Eric Voigt: Antidiskriminierungsklausel in Berlin: Berliner Kulturverwaltung setzt Antidiskriminierungsklausel aus. In: Die Zeit. 22. Januar 2024, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 7. April 2024]).
  18. Antidiskriminierungsklausel kommt ab sofort nicht mehr zur Anwendung. In: Berlin.de. Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, 22. Januar 2024, abgerufen am 7. April 2024.
  19. a b Susanne Kreutzmann: Berliner Kulturszene empört sich über die Antisemitismusklausel: Jetzt wurde sie gekippt. In: Neue Zürcher Zeitung. 24. Januar 2024, abgerufen am 10. April 2024 (deutsch).
  20. Claudius Seidl: Hat „Strike Germany“ Kultursenator Joe Chialo besiegt? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 23. Januar 2024, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 7. April 2024]).
  21. Tobias Timm: "Strike Germany" : Die Ersten haben ihre Auftritte schon abgesagt. In: Die Zeit. 17. Januar 2024, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 7. April 2024]).
  22. Strike Germany: DJs boykottieren das Berghain. In: TIPBerlin. Abgerufen am 10. April 2024 (deutsch).
  23. Regisseur aus Ghana zieht Berlinale-Film zurück. In: WDR. 19. Januar 2024, abgerufen am 6. April 2024.
  24. Scott Roxborough: Berlin Film Fest Braces for Protests Over Israel-Hamas War. In: The Hollywood Reporter. 8. Februar 2024, abgerufen am 13. April 2024 (amerikanisches Englisch).
  25. Medienkunst-Festival spürt Boykott-Aktion «Strike Germany». In: WDR.de. 24. April 2024, abgerufen am 16. Mai 2024.
  26. Medienkunst-Festival spürt Boykott-Aktion "Strike Germany". In: Monopol Magazin. 26. April 2024, abgerufen am 16. Mai 2024.