Adriano Aguzzi (* 1. Dezember 1960 in Pavia, Italien) ist ein italienisch-schweizerischer Mediziner und Hochschullehrer an der Universität Zürich.

Leben

Aguzzi studierte von 1980 bis 1986 Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Universität Basel, wobei er auch zu einem Forschungsaufenthalt an der Columbia University war. Dabei befasste er sich mit Neuroonkologie und Neurovirologie und entwickelte er eine Technik der Induzierung von Hirntumoren durch Gentransfer in das Telencephalon-Gewebe. Die dabei entwickelten Methoden wandte er später auch in der Prionforschung an. Nach seiner Promotion in Freiburg arbeitete er als Neuropathologe am Universitätsspital Zürich. Er wechselte 1989 an das Forschungsinstitut für molekulare Pathologie (IMP) des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim in Wien bei Erwin Wagner, das er 1992 verließ, um ein Jahr später als Oberarzt und Privatdozent nach Zürich zurückzukehren. Dort arbeitete er mit Charles Weissmann zusammen. 1993 habilitierte er sich und wurde Privatdozent in Neuropathologie. Seine Habilitationsschrift 1996 befasste sich mit transgenen Modellen der Neuro-Karzinogenese und neurodegenerativen Erkrankungen. Er ist seit Ende 1995 Direktor des Schweizer „Nationalen Referenzzentrums für Prionenerkrankungen“ (NRPE), mit denen sich seine Forschung schwerpunktmäßig befasst. 1997 wurde er als Direktor und Lehrstuhlinhaber des „Instituts für Neuropathologie“ an die Universität Zürich berufen.

Werk

Mit seiner Grundlagenforschung konnte Aguzzi den Nachweis liefern, welche Rolle das Immunsystem bei der Ausbreitung krankhaft veränderter Proteine, sogenannter Prionen, spielt und damit neue Möglichkeiten zur Therapie aufzeigen. 1993 zeigte er mit Weissmann, dass das Prnp-Gen (PrPC ist das normale Prion-Protein, das bei der Krankheit defekt ist, Prnp das zugehörige Gen) nötig für die Reproduktion von Prionen ist und in einer vielzitierten Arbeit in Nature von 1996 zeigte er, dass PrPC-Genexpression nötig für den Ausbruch der Krankheit ist (durch Einpflanzen eines Gens für Überexpression von (normalem) PrPC aus transgenen Mäusen in das Gehirn von Prnp-Knockout-Mäuse). Danach befasste er sich mit der Frage, wie Prionen in das Gehirn gelangen. 1997 fand er, dass dazu Nicht-Blutzellen nötig waren mit PrPC-Genexpression. Nach Aguzzi erfolgt die Infektion in mehreren Schritten, erst Überwindung der Epithelzellen, dann der Lymphknoten und schließlich über die peripheren Nerven in das zentrale Nervensystem. Sein Labor entwickelte auch diagnostische Methoden für Prionen (wobei von seiner Gruppe 2000 zuerst Plasminogen als Bestandteil des Blutplasmas identifiziert wurde, das an PrPC bindet) und mögliche Therapeutika: sie fanden 2003, dass das lösliche Dimer des Prionproteins an das fehlerhafte Prionprotein PrPs koppelt und eine weitere Infektion verhindert (es kann nicht in die fehlerhafte Variante des Proteins umgewandelt werden). 2007 entwickelte er eine Diagnosemethode für Prionenstämme basierend auf Fluoreszenzspektroskopie. Bei der Untersuchung der Rolle des Immunsystems zeigte er 1997 mit seiner Gruppe, dass für die Ausbreitung der Infektion B-Zellen notwendig sind über deren Präsentation von Lymphotoxin (Tumornekrosefaktor C) für die Follikulären Dendritischen Zellen (FDC). Wird dieser Signalweg stillgelegt vermindert das die Anzahl der Prionen im Lymphsystem und lösliche Lymphotoxin--Rezeptoren erwiesen sich als möglicher Weg einer Prophylaxe gegen Prionen nach einer Infektion. Die Positionierung der FDC bestimmte die Ausbreitung der Infektion im Nervensystem. Seine Gruppe zeigte auch, dass die Aufnahme von Prionen an FDC durch das Komplementsystem vermittelt wird, und dass Antikörper gegen die Erkrankung wirksam sein können mit der Möglichkeit einer Impfstoffentwicklung.

Er untersuchte in diesem Zusammenhang die Vorläuferzellen von FDC und fand, dass sie häufig im Perivaskulären Raum vorkamen. Seine Gruppe untersuchte auch die pathogenen Mechanismen von Prionen in Hirnzellen und entwickelte dazu ein ex vivo Modell (POSCA, für prion organotypic slice culture assay), mit dem auch die Aktivität der Mikroglia-Zellen gegen Prionen studiert werden konnte, und sie untersuchen die Funktion des gesunden Prionproteins PrPC.

In der Epidemiologie der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) fand er 2002 eine unerklärte Zunahme in der Schweiz und eine Anreicherung der fehlerhaften Prionproteine in Milz und Skelettmuskeln (mit Auswirkungen auf erforderliche Schutzmaßnahmen). Außerdem fand er Zusammenhänge zwischen der Ausbreitung von Prionenerkrankungen und (chronischen) Entzündungen (zum Beispiel vermehrte Ausscheidung von Prionen über Sekretionen und Exkretionen bei Schafen und Mäusen bei Entzündungen).

Auszeichnungen und Mitgliedschaften

Für seine bahnbrechende Forschungsleistung erhielt Aguzzi 1998 den Cloëtta-Preis, 2003 den Robert-Koch-Preis, 2009 den Antonio-Feltrinelli-Preis und 2013 zusammen mit Charles Weissmann den Hartwig Piepenbrock-DZNE Preis.[1][2] 2017 wurde er mit dem InBev-Baillet Latour Health Prize ausgezeichnet.

Aguzzi ist korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2001 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt.[3] Er ist Ehrendoktor der Universität Teramo, der Universität Lüttich. 1998 bis 2002 war er Präsident der Schweizer Gesellschaft für Neuropathologie. 1998 wurde er Mitglied der EMBO, die ihm im selben Jahr ihre Goldmedaille verlieh. 1996 wurde er Fellow des Royal College of Pathologists und 2000 des Royal College of Physicians (2002 Fellow). 2011 wurde er zum Fellow der American Association for the Advancement of Science gewählt.[4]

Schriften (Auswahl)

Einzelnachweise

  1. slz: Robert-Koch-Preis an Adriano Aguzzi verliehen. In: Neue Zürcher Zeitung. 28. Oktober 2003, abgerufen am 18. Mai 2018.
  2. 50'000 Euro für Professor Adriano Aguzzi. Universität Zürich, 11. September 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Juni 2021; abgerufen am 18. Mai 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.media.uzh.ch
  3. Mitgliedseintrag von Prof. Dr. Adriano Aguzzi (mit Bild und CV) bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 21. Mai 2016.
  4. Fellows der AAAS: Adriano Aguzzi. American Association for the Advancement of Science, archiviert vom Original am 22. Januar 2018; abgerufen am 22. Januar 2018.