Alphons Silbermann (geboren am 11. August 1909 in Köln; gestorben am 4. März 2000 ebenda) war ein deutscher Soziologe und Publizist.

Leben

Alphons Silbermann wurde am 11. August 1909 als Sohn des gutbürgerlichen Druckereibesitzers Salomon Silbermann, dessen Vater noch ein umherziehender Trödler war, in Köln geboren. Er studierte Musikwissenschaft, Jura und Soziologie an der Universität Köln, in Freiburg im Breisgau und Grenoble. Nach dem Studium war er bis 1933 als Justizreferendar tätig und promovierte noch im gleichen Jahr bei Hans Kelsen zum Dr. jur. Anschließend emigrierte er in die Niederlande, um der Judenverfolgung im Dritten Reich zu entgehen. Die weitere Flucht führte 1938 von Amsterdam über Paris nach Sydney. In Australien begann er als Tellerwäscher und Kellner. Später gelang es ihm, ein eigenes Restaurant Silver's Food Bars zu eröffnen. Daraus wurden schließlich acht Restaurants und damit – drei Jahrzehnte vor dem ersten McDonald’s – die erste Fastfood-Kette Australiens. Mit dem damit verbundenen finanziellen Erfolg konnte er als Quereinsteiger seine musiksoziologische Arbeit finanzieren.[1]

Nach Veröffentlichung musiksoziologischer Studien wurde Alphons Silbermann am (damals konservativen) Staatskonservatorium (State Conservatory of Music) in Sydney als Dozent beschäftigt. Seine Vorlesungen wurden in ... of musical things (1949) zusammenfassend publiziert. Ab 1950 war Alphons Silbermann, der damals den Sozialtyp des homosexuellen Dandy verkörperte, Wanderer zwischen zwei Welten: einerseits Australien und andererseits – mit zunehmender Tendenz – Europa und insbesondere Deutschland. An der Pariser Sorbonne hielt er Vorlesungen über Musikästhetik und initiierte zusammen mit Gisèle Brelet den ersten europäischen Kongress über Musikprogramme im Rundfunk (1954).[2] 1958 beschäftigte ihn die Universität zu Köln auf Anregung von René König als Lehrbeauftragten/Dozenten. Später lehrte er als Professor in Lausanne (ab 1964 auf dem ehemaligen Lehrstuhl von Vilfredo Pareto) sowie in Bordeaux (1974–1979). 1970 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft zurück und wurde in seiner Heimatstadt Köln, in der er sich sowohl kulturell als auch in der jüdischen Gemeinde engagierte, als Professor für Massenkommunikation und Kunstsoziologie auf Lebenszeit verbeamtet. Nach Erneuerung seiner Promotion zum Dr. iur. wurde er im Range eines „Staatsanwalts“ finanziell entschädigt und nannte sich auch „Staatsanwalt a.D.“. Alphons Silbermann blieb gleichwohl bis an sein Lebensende auch australischer Staatsbürger.[3]

Grabplatte von Alphons Silbermann

Alphons Silbermann wurde auf dem Jüdischen Friedhof Köln-Bocklemünd (Flur 30 Nr. 19) beerdigt.[4] Alphons Silbermann hinterließ seinen schriftlichen Nachlass sowie seine 2.500 Bände umfassende Arbeitsbibliothek dem Moses-Mendelsohn-Zentrum.

Bedeutung

Alphons Silbermann wirkte als Hochschullehrer, aber auch als Publizist mit einem umfangreichen Werk in vielen Sprachen. Seine bevorzugten Themen waren: Musik- bzw. Kunstsoziologie, Massenkommunikation und Kulturindustrie, Antisemitismus, Homosexualität und Alltagssoziologie. Zusammen mit René König war er Herausgeber sowie Redakteur der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS) und gründete das Institut für Massenkommunikation in Köln. Aufgrund seiner wissenschaftlichen Verdienste wurde Alphons Silbermann mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse und dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.[5] Als Vertreter der empirischen Soziologie gehörte er zur Kölner Schule und befand sich damit im Gegensatz zu Theodor W. Adorno und der Frankfurter Schule. Das betraf nicht nur die Musiksoziologie, sondern auch den Positivismusstreit. Silbermann stand der 68er-Bewegung an den Universitäten genauso skeptisch gegenüber wie einer „Dialektik der Aufklärung“ mit ungewissem Ausgang.[6] In Deutschland war er einer der ersten, die die Methoden der empirischen Sozial- und Kommunikationsforschung systematisch anwandten und im akademischen Betrieb einführten. Dazu gehören beispielsweise die Systematische Inhaltsanalyse (Content Analysis), strukturell-funktionale Fallstudien sowie empirisch-qualitative Textauswertungen.

Alphons Silbermann war als Medienberater von Axel Springer (Bild, BamS, Die Welt, Hörzu usw.) sowie für das Privatfernsehen tätig. Er beriet das Bundeskriminalamt in Fragen der Medienfahndung. Mit seinen Autobiographien Verwandlungen und Flaneur des Jahrhunderts machte er sich einen Namen als populärer Alltags-, Kultur- und Alltagskultursoziologe. Mit 80 Jahren wurde er noch als Medienstar von Talkshow zu Talkshow gereicht. Bis in seine letzten Lebensjahre war Silbermann ein gefragter öffentlicher Rhetor und witziger Diskussionsredner. Er galt als Alltagssoziologe, unterhaltsamer Querdenker und emeritierter „deutscher Professor mit goldenen Manschettenknöpfen“ (Friedrich Knilli).[7]

Zitate

  • Wenn wir keine Vorurteile hätten, würde es uns nicht so viel Vergnügen bereiten, in anderen welche zu entdecken.

über Alphons Silbermann:

Ehrungen

Alphons-Silbermann-Weg
Hauptgebäude der Universität zu Köln (Bildmitte), links davon die Uniwiesen. Der Alphons-Silbermann-Weg verläuft am linken Bildrand, er ist als heller Streifen unter dem Grün der Bäume erkennbar.

Silbermann wurde am 28. September 1995 mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.[9]

2004 wurde in Köln eine etwa 500 Meter lange Allee für Fußgänger und Radfahrer nach ihm benannt. Der Alphons-Silbermann-Weg verbindet auf der Rückseite des Hauptgebäudes der Universität die Zülpicher Straße und die Bachemer Straße. Zwischen Hauptgebäude und Alphons-Silbermann-Weg liegen die Uniwiesen, auf der anderen Seite befinden sich die Hauptmensa an der Zülpicher Straße, Sportanlagen der Universität und nahe der Bachemer Straße ein Fußballplatz.

Ein neu errichtetes Studenten-Apartmenthaus in Köln-Zollstock bekam 2014 den Namen „Alphons Silbermann Haus“.[10]

Werke (Auswahl)

Empirische Soziologie

Soziologie zum Judentum in der deutschen Gesellschaft

Lehrbücher und Handbücher

Alltagssoziologie und Monographien

Beiträge in Zeitschriften

Herausgeber

Literatur

Anmerkungen

  1. A. Silbermann: Verwandlungen. Eine Autobiographie. Bergisch Gladbach 1989.
  2. A. Silbermann: Musik, Rundfunk und Hörer. Die soziologischen Aspekte der Musik am Rundfunk. Köln/ Opladen 1961. (frz. 1954)
  3. Exil-Archiv Biografien
  4. Barbara Becker-Jákli (unter Mitarbeit von Aaron Knappstein): Der Jüdische Friedhof Köln-Bocklemünd. Geschichte, Architektur und Biografien. Hrsg.: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln. Emons, Köln 2016, ISBN 978-3-95451-889-0, S. 328 ff.
  5. Cologne-Info.de
  6. Willi Jasper: Aufrecht flanieren. In: Die Zeit. 32/1999.
  7. Boulevard Bio, ARD-TV-Talk-Show mit Alfred Biolek, ab 1991.
  8. a b Friedmar Tielker: Dandy der Demoskopie. Alphons Silbermann wäre in diesem Monat 100 geworden. In: Jüdische Allgemeine. Nr. 32, Berlin, 6. August 2009, S. 19.
  9. Verdienstordenträgerinnen und -träger seit 1986. (PDF) Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 31. März 2019; abgerufen am 11. März 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.land.nrw
  10. Alphons Silbermann Haus Webseite der Projektgesellschaft GBI.
  11. Bundeskanzler Helmut Kohl, dem die Umfragewerte der Studie mehrfach während der Aktuellen Stunde des Bundestages vorgehalten wurden, war durch diese Publikation offensichtlich verärgert und nannte die Ergebnisse der Untersuchung „absurd“ (ebenfalls nach Friedmar Tielker: Dandy der Demoskopie. Alphons Silbermann wäre in diesem Monat 100 geworden. In: Jüdische Allgemeine. Nr. 32, Berlin, 6. August 2009, S. 19)