EU-einheitliches Muster eines Aufenthaltstitels in Aufkleberform (Feldaufteilung)

Aufenthaltstitel (englisch residence permit, spanisch permiso de residencia, italienisch permesso di soggiorno, französisch titre de séjour, niederländisch verblijfstitel) ist ein Rechtsbegriff aus dem Asyl- und Ausländerrecht der Europäischen Union. In einigen Amtssprachen (z. B. im Englischen, Spanischen und Italienischen) wird der Begriff Titel sinngemäß als „Erlaubnis“ bezeichnet. Der Begriff umfasst im Wesentlichen Aufenthaltsdokumente, die Drittstaatsangehörigen für einen Aufenthalt in einem der Mitgliedstaaten ausgestellt werden. Grundsätzlich nicht als Aufenthaltstitel werden die Aufenthaltsdokumente für freizügigkeitsberechtigte Unions- und EWR-Bürger sowie Schweizer Bürger bezeichnet; diese haben andere Namen erhalten (Anmeldebescheinigung und Bescheinigung des Daueraufenthalts, Aufenthaltskarte und Daueraufenthaltskarte sowie Aufenthaltserlaubnis-CH). Den vorübergehenden Aufenthalt zur Erbringung einer Dienstleistung im Sinne der der Art. 56 und Art. 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ermöglicht das Vander-Elst-Visum.

In den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hat der Begriff des Aufenthaltstitels teilweise eine andere Bedeutung (→ nachfolgende länderbezogene Abschnitte).

Entwicklungsgeschichte

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EU-einheitliches Muster eines Aufenthaltstitels in Kartenform im ID-2-Format

Der Begriff des Aufenthaltstitels erscheint erstmals in dem am 1. Mai 1999 in Kraft getretenen Art. 63 Nr. 3 Buchst. a) des durch den Vertrag von Amsterdam geänderten Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV). Mit ihm errichtet die Europäische Union schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und ermächtigt den Rat zunächst, einwanderungspolitische Maßnahmen zu beschließen und hierzu Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen festzulegen. Im Vertrag von Lissabon wurden diese Zuständigkeiten erweitert. Der EGV, der nun in Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) umbenannt wurde, verwendet an drei Stellen den Begriff des Aufenthaltstitels. Der Vertrag von Lissabon ist am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten.

Bedeutungsinhalt

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In vielen seitdem erlassenen Richtlinien und Verordnungen finden sich Legaldefinitionen zum Begriff des Aufenthaltstitels, die jedoch nicht einheitlich sind, sondern leicht voneinander abweichen.

Zumeist sind mit Aufenthaltstitel sämtliche Aufenthaltserlaubnisse gemeint, die Drittstaatsangehörigen ausgestellt werden, auch vorläufige (in Deutschland z. B. die Fiktionsbescheinigung) oder kurzzeitige, z. B. Visa.[1]

Einige Rechtsvorschriften nehmen vorläufige oder kurzzeitige Aufenthaltserlaubnisse aus ihrem Definitionsbereich aus.[2]

In derzeit etwa 20 weiteren Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union wird der Begriff des Aufenthaltstitels verwendet, jedoch nicht definiert. Die Richtlinien und Verordnungen betreffen fast alle das Asyl- und Ausländerrecht oder seine Nebengebiete. Die jeweilige Bedeutung des Aufenthaltstitels ergibt sich hier aus dem Kontext.

Einheitliche Gestaltung des Aufenthaltstitels

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Häufigste Form des Aufenthaltstitels: EU-einheitliches Muster in Kartenform im ID-1-Format

Der Begriff des Aufenthaltstitels hat vor allem durch die Verordnung (EG) Nr. 1030/2002,[3] geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 380/2008,[4] Eingang in die nationalen Rechtsordnungen gefunden. Mit der Verordnung wurde für Aufenthaltserlaubnisse, die Nicht-EWR-Bürgern ausgestellt werden, europaweit ein einheitliches Erscheinungsbild festgelegt. Die sonstigen EWR-Länder (Island, Liechtenstein und Norwegen) sowie die Schweiz sind verpflichtet, die Bestimmungen der Verordnung in ihre nationalen Rechtsordnungen zu übernehmen.

Schon fünf Jahre zuvor, am 16. Dezember 1996, hatten die Mitgliedstaaten auf administrativer Ebene beschlossen, die Aufenthaltstitel einheitlich zu gestalten.[5]

Drei Varianten der Erteilung von Aufenthaltstiteln, die sich sämtlich an den Spezifikationen des ICAO-Dokuments über maschinenlesbare Visa (Dokument 9303 Teil 2) oder über maschinenlesbare Reisedokumente (Karten, Dokument 9303 Teil 3) orientieren, sieht die Verordnung vor:

Teilweise werden Aufkleber- und Kartenvariante eingesetzt, z. B. in Dänemark und der Slowakei. Ältere, heute nicht mehr ausgegebene Aufklebervarianten sind noch in vielen EWR-Staaten in Umlauf und werden bei Passerneuerung durch die neuere Plastikkarte ersetzt. Die ursprüngliche Variante des Aufenthaltstitels, auf der auch die Kartenvarianten basieren, wurde von dem deutschen Grafiker Reinhold Gerstetter gestaltet. Von ihm stammt die Idee mit dem Umriss eines Stiers im Zusammenhang mit der griechischen Mythologie zu Europa und dem Stier.

Folgende Angaben sind auf dem Aufenthaltstitel zu machen: Titel des Dokuments (Aufenthaltstitel) (1), Dokumentennummer (2), Name und Vorname(n) (3.1), Gültigkeit (4.2), Ausstellungsort und Datum des Beginns der Gültigkeit (5.3.), Art des Titels (6.4), Anmerkungen, auch über Angaben zur Arbeitserlaubnis (7.5), Datum, Unterschrift, Sichtvermerk (8), Hoheitszeichen des Mitgliedstaats im Druckbild (9), Maschinenlesbare Zone (10), Zone, die ausschließlich den jeweiligen Mitgliedstaat angibt (11), metallisierter Kippeffekt mit Ländercode des jeweiligen Mitgliedstaats, wenn ein Aufkleber verwendet wird (12), optisch variables Zeichen (OVD), das hinsichtlich der Identifizierungsqualität und des sicherheitstechnischen Niveaus dem Sicherheitsmerkmal der einheitlichen Visummarke zumindest entspricht (13), Lichtbild (14), bei einem eigenständigen Dokument auf der Rückseite Angaben zum Geburtsdatum/-ort, zur Staatsangehörigkeit, zum Geschlecht sowie Anmerkungen und ggf. Anschrift des Inhabers (15).

Die Verordnung ist in ihrer ursprünglichen Fassung (betreffend der Aufkleber) am 14. August 2002 in Kraft getreten.[6] In der geänderten Fassung (betr. Karten im ID-1- und ID-2-Format) gilt sie seit 19. Mai 2008.

Die Verordnung gilt in allen Mitgliedstaaten unmittelbar und setzt entgegenstehende nationale Regelungen außer Kraft.

Umsetzung in Deutschland

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Deutscher Aufenthaltstitel (in Form der Aufenthaltserlaubnis) in der von 1997 bis August 2011 üblichen Aufkleberform
Deutscher Aufenthaltstitel (in Form der Aufenthaltserlaubnis) in der ab September 2011 üblichen Form des elektronischen Aufenthaltstitels im ID-1-Format

Der Begriff des Aufenthaltstitels wurde in Deutschland administrativ mit dem Inkrafttreten des Beschlusses vom 16. Dezember 1996[5] eingeführt. Seit 1997 wurden deutsche Aufenthaltsgenehmigungen zunehmend als Aufkleber mit der Überschrift „Aufenthaltstitel“ ausgegeben. Im Feld „Art des Aufenthaltstitels“ wurde die im deutschen Recht verwendete Bezeichnung (Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsbewilligung, Aufenthaltsbefugnis und Aufenthaltsberechtigung) eingetragen.

Die legislative Aufnahme des Begriffs erfolgte mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) am 1. Januar 2005. Seitdem ist Aufenthaltstitel der Oberbegriff für die im Aufenthaltsgesetz geregelten förmlichen Aufenthaltsrechte; er hat zugleich den früheren Oberbegriff der Aufenthaltsgenehmigung abgelöst. Die deutsche Rechtsordnung orientiert sich am weiten europäischen Aufenthaltstitelbegriff und schließt Visa ein.

Gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG sind Aufenthaltstitel

Keine Aufenthaltstitel, aber gleichwohl Dokumente, mit denen ein Aufenthaltsstatus nachgewiesen wird, sind

Bis 31. August 2011 stellte Deutschland Aufenthaltstitel in Form von Aufklebern aus. Mit der Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels wird seit 1. September 2011 eine Polycarbonatkarte im ID-1-Format ausgegeben.

Zu beachten ist, dass Aufenthaltskarte, Daueraufenthaltskarte und optional auch die Aufenthaltserlaubnis-CH ebenfalls in Form des elektronischen Aufenthaltstitels ausgegeben werden. Dadurch werden sie jedoch nicht zum Aufenthaltstitel i. S. von § 4 AufenthG. Die umgangssprachlich verwendete Bezeichnung Elektronischer Aufenthaltstitel ist zudem kein Rechtsbegriff und wird weder im Aufenthaltsgesetz noch in der Aufenthaltsverordnung verwendet (amtliche Bezeichnung dort: Dokument mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium).

Nach § 4a Absatz 3 Satz 1 AufenthG muss jeder Aufenthaltstitel erkennen lassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten vgl. → Aufenthaltsstatus (Deutschland).

Umsetzung in Österreich

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Österreichische „Rot-Weiß-Rot-Karte“
Österreichische Aufenthaltsbewilligung für Familienangehörige

In Österreich wird der Begriff des Aufenthaltstitels nicht legaldefiniert. Aus der Aufzählung der möglichen Aufenthaltstitel in § 8 NAG ergibt sich jedoch, dass Aufenthaltstitel nur solche Dokumente sind, die an Drittstaatsangehörige erteilt werden. Aufenthaltsdokumente für EWR-Bürger und ihre Familienangehörigen fallen unter die Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (§ 9 NAG).

Aufenthaltstitel werden erteilt als:

Aufenthaltstitel werden seit 1. Januar 2006 nach dem einheitlichen Muster im Kartenformat ID-1, davor in Aufkleberform, ausgegeben (§ 1 NAG-DV).

Aufenthaltsdokumente für freizügigkeitsberechtigte Personen, dazu gehören:

werden ebenfalls im Kartenformat ID-1 ausgegeben, weichen aber in der farblichen und grafischen Darstellung von den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 ab.

Auch die

hat zwar Aufkleberformat, ist aber anders gestaltet.

Wegen der weiteren Einzelheiten vgl. → Aufenthaltsstatus (Österreich).[7]

Umsetzung in den Niederlanden

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Niederländischer befristeter Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige

In den Niederlanden werden sämtliche Aufenthaltstitel, auch solche für EWR-Bürger, nach einheitlichem Muster ausgestellt:[7]

Umsetzung in der Schweiz

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In der Schweiz werden nach dem einheitlichen Muster der

seit 24. Januar 2011 als biometrischer Ausländerausweis[8] ausgestellt.[7]

Wegen der weiteren Einzelheiten vgl. → Aufenthaltsstatus (Schweiz).

Umsetzung in Liechtenstein

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Liechtenstein erteilt Aufenthaltstitel in einheitlicher Form in den folgenden Varianten:

Umsetzung in Belgien

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Belgischer Aufenthaltstitel als Bescheinigung der Eintragung im Ausländerregister (deutschsprachige Fassung)

In Belgien werden Aufenthaltstitel nach einheitlichem Muster in folgenden Varianten ausgestellt:

Umsetzung in Frankreich

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Französischer Aufenthaltstitel

Frankreich stellt folgende Aufenthaltstitel nach einheitlichem Muster aus:

Seit 13. Mai 2012 werden Aufenthaltstitel, Aufenthaltskarten und Aufenthaltsbescheinigungen in Form einer mit Kunststoff überzogenen Karte nach dem einheitlichen europäischen Muster ausgestellt. Exemplare der alten, bis zum 12. Mai 2012 gültigen Modelle sind noch in Umlauf.[11]

Umsetzung in Italien

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Italienischer Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige

Italien stellt nach einheitlichem Muster

Umsetzung in Rumänien

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Rumänischer Aufenthaltstitel

In Rumänien gibt es folgende Aufenthaltstitel nach einheitlichem Muster.

gefolgt von einer persönlichen Kennnummer. Werden diese Dokumente Ausländern ausgestellt, denen in Rumänien ein Schutzstatus zuerkannt wurde, kann unter „Observații“ (Bemerkungen) der Aufenthaltszweck wie folgt lauten: „Refugiat“ (Flüchtling) – gültig für 3 Jahre oder „Protecție subsidiară“ (subsidiärer Schutz – gültig für 1 Jahr), gefolgt von einer persönlichen Kennnummer.

Umsetzung in Spanien

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Spanischer Aufenthaltstitel

In Spanien wird die Permiso de residencia expedido a nacionales de terceros países (Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige) nach einheitlichem Muster ausgestellt.[7]

Umsetzung in weiteren Staaten

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Die Modalitäten für weitere EWR-Staaten finden sich in der Aktualisierung der Liste von Aufenthaltstiteln gemäß Artikel 2 Absatz 15 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006[7] bzw. in später ergangenen Neufassungen, beispielsweise für Tschechien.[13]

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Wiktionary: Aufenthaltstitel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. So beispielsweise in
  2. So. z. B.
  3. Verordnung (EG) Nr. 1030/2002
  4. Verordnung (EG) Nr. 380/2008 vom 18. April 2008, ABl. L 115 vom 29. April 2008, S. 1–7.
  5. a b 97/11/JI: Gemeinsame Maßnahme vom 16. Dezember 1996 – vom Rat aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union angenommen – zur einheitlichen Gestaltung der Aufenthaltstitel. In: ABl. L 7 vom 10. Januar 1997, S. 1–4; abgerufen am 14. Februar 2013.
  6. Formal ist sie bereits am 15. Juni 2002, tatsächlich wegen der noch ausstehenden Festlegung von Sicherheitskriterien (Art. 9 der Verordnung) jedoch erst etwas später in Kraft getreten, vgl. hierzu BR-Drs. 731/04, Begr. zu § 59 (S. 214).
  7. a b c d e Aktualisierung der Liste von Aufenthaltstiteln gemäß Artikel 2 Absatz 15 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 (PDF; 1 MB), ABl. C 201 vom 8. Juli 2011, S. 1–54; abgerufen am 13. Februar 2013; die Angaben decken sich jedoch teilweise nicht mit dem aktuell gültigen Recht.
  8. Vgl. Infoflyer (PDF; 778 kB) des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD); abgerufen am 26. Dezember 2015.
  9. a b Aktualisierung der Liste von Aufenthaltstiteln gemäß Artikel 2 Absatz 15 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 (PDF; 725 kB), ABl. C 199 vom 7. Juli 2012, S. 5–7; abgerufen am 13. Februar 2013.
  10. Aktualisierung der Liste von Aufenthaltstiteln gemäß Artikel 2 Absatz 15 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 (PDF; 730 kB), ABl. C 298 vom 4. Oktober 2012, S. 4–8; abgerufen am 13. Februar 2013.
  11. Aktualisierung der Liste von Aufenthaltstiteln gemäß Artikel 2 Absatz 15 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 (PDF; 720 kB), ABl. C 214 vom 20. Juli 2012, S. 7–9; abgerufen am 13. Februar 2013.
  12. Aktualisierung der Liste von Aufenthaltstiteln gemäß Artikel 2 Absatz 15 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 (PDF; 710 kB), ABl. C 216 vom 22. Juli 2011, S. 26–28; abgerufen am 13. Februar 2013.
  13. Aktualisierung der Liste von Aufenthaltstiteln gemäß Artikel 2 Absatz 15 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 (PDF), ABl. C 283 vom 27. September 2011, S. 7–9, pdf.-Dok. 710 kB, abgerufen am 13. Februar 2013.