Als Bundesliga-Skandal werden die Vorgänge um den Abstiegskampf in der Fußball-Bundesligasaison 1970/71 bezeichnet, als es den Klubs Rot-Weiß Oberhausen und Arminia Bielefeld aufgrund manipulierter Punktspiele gelang, in der Bundesliga zu verbleiben.

Geschichte

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Aufgedeckt wurde das „Verschieben“ von Spielen durch den Vereinspräsidenten von Kickers Offenbach, Horst-Gregorio Canellas, der bei der Feier seines 50. Geburtstages am 6. Juni 1971 die Gäste mit dem Abspielen eines Tonbandes überraschte. Die Mitschnitte verschiedener Telefonate hatten Spielmanipulationen und Schmiergeldzahlungen zum Thema. Entsetzt verließ Bundestrainer Helmut Schön die Party.[1] Medienvertreter berichteten über den Skandal in der Bundesliga. Auch dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) wurden die Spielerstimmen vorgespielt, die Canellas eindeutige Bestechungsangebote machten (u. a. die Nationalspieler Bernd Patzke und Manfred Manglitz), da die Kickers ebenfalls vom Abstieg bedroht waren.

Bei den vom DFB-Chefankläger Hans Kindermann geführten Ermittlungen wurde festgestellt, dass unter anderem die Bundesligapartie des FC Schalke 04 gegen Arminia Bielefeld vom 17. April 1971 (Endstand 0:1) von Gelsenkirchener Spielern „verkauft“ worden war. Daraufhin wurden 1973 fast alle Schalker zu Spielsperren verurteilt. Die bekanntesten Verurteilten waren die Nationalspieler Stan Libuda (lebenslang, begnadigt nach zwei Jahren), Klaus Fichtel (lebenslang, begnadigt nach sechs Monaten) und Klaus Fischer (lebenslang, abgemildert zu einem Jahr). Auch Manfred Manglitz, Torwart des 1. FC Köln, wurde zweimal lebenslang gesperrt (nach zwei Jahren begnadigt). Zu diesen sportgerichtlichen Urteilen kamen teilweise wegen geleisteter Meineide noch Verfahren vor ordentlichen Gerichten.[2]

Insgesamt wurden 52 Spieler, zwei Trainer (Egon Piechaczek von Bielefeld und Günter Brocker von Oberhausen) sowie sechs Vereinsfunktionäre bestraft, auch Canellas, weil er am Telefon zum Schein auf die Bestechungsangebote eingegangen war. 1,1 Millionen DM an Schmiergeldzahlungen wurden aufgedeckt. Außerdem wurden Arminia Bielefeld und Kickers Offenbach die Bundesligalizenz entzogen. Für Bielefeld war dies 1972 mit einem Zwangsabstieg und einer „Geistersaison“ verbunden, d. h. die Arminia durfte die Saison 1971/72 zu Ende spielen, aber Punkte wurden nur für die Gegner gezählt. Die meisten betroffenen Spieler hatten Eintracht Braunschweig (16) und Hertha BSC (15).

Rot-Weiss Essen, 1971 wegen der Manipulationen anderer abgestiegen, wurde keine Wiedergutmachung gewährt. Dennoch schaffte der Klub nach zwei Jahren den Sprung zurück in die Bundesliga.

Betroffene Spiele

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17. April 1971 (28. Spieltag)

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FC Schalke 04Arminia Bielefeld 0:1

Arminia Bielefeld zahlte 40.000 DM, 2300 DM pro Spieler, an die Schalker Mannschaft.[3] Einzig der Schalker Torwart Dieter Burdenski, der im entscheidenden Trainingslager nicht dabei war, soll nicht informiert gewesen sein.[4] In der 83. Minute traf Bielefeld durch Gerd Roggensack zum 1:0-Sieg. Burdenski wechselte, wie schon länger angekündigt, am Ende der Saison zu Bielefeld.

5. Mai 1971 (Nachholspiel vom 24. Spieltag)

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1. FC KölnRot-Weiss Essen 3:2

Kölns Torwart Manfred Manglitz forderte vor dem Spiel von Offenbachs Präsident Canellas am Telefon 25.000 DM, sonst würde er gegen den Offenbacher Konkurrenten Rot-Weiss Essen „einige Dinger durchlassen“. Canellas zahlte.[5]

22. Mai 1971 (32. Spieltag)

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1. FC Köln – Rot-Weiß Oberhausen 2:4

Wiederum war Manglitz bestochen.

MSV Duisburg – Arminia Bielefeld 4:1

Duisburgs Gerd Kentschke nahm 60.000 DM von Arminia an, weihte aber nicht die komplette Mannschaft ein und zahlte das Geld nach dem MSV-Sieg bis auf seinen eigenen Anteil zurück.

29. Mai 1971 (33. Spieltag)

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Arminia Bielefeld – VfB Stuttgart 1:0

Arminia zahlte jeweils 15.000 DM an drei Spieler. Dazu kamen 25.000 DM Nebenkosten an die Geldboten. Bielefeld erzielte das Siegtor in der 69. Minute.[6]

5. Juni 1971 (34. Spieltag)

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Eintracht Braunschweig – Rot-Weiß Oberhausen 1:1

Arminia Bielefeld bot den Braunschweigern eine zusätzliche Siegprämie von zunächst 120.000 DM, später 170.000 DM, an. 100.000 DM wurden vorab bezahlt, 40.000 DM nach dem Spiel.

Hertha BSC – Arminia Bielefeld 0:1

Offenbachs Präsident Canellas bot den Hertha-Spielern Bernd Patzke und Tasso Wild 140.000 DM für einen Sieg gegen Bielefeld, aber ein Manager der Arminia hatte bereits 220.000 DM[5] für eine Hertha-Niederlage geboten und nach dem Bielefelder Sieg 250.000 DM ausgezahlt.[3][7]

1. FC Köln – Kickers Offenbach 4:2

Canellas fragte den Kölner Torwart Manglitz, wie viel er für einen Sieg seiner Kickers zahlen müsste. Manglitz forderte für sich und fünf seiner Mitspieler 100.000 DM.[5]

Kickers Offenbach und Rot-Weiss Essen standen nach dem letzten Spieltag als Absteiger fest. Bielefeld hatte sich durch den erkauften Sieg vor dem sportlichen Abstieg gerettet.

Sanktionen

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Kritiker werfen den Verantwortlichen seitdem vor, aufgrund der damals anstehenden WM 1974 in Deutschland zu schnell und oberflächlich geurteilt zu haben.

Spieler

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Hertha BSC

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VfB Stuttgart

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FC Schalke 04

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Arminia Bielefeld

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MSV Duisburg

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Eintracht Braunschweig

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1. FC Köln

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Trainer

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Funktionäre

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Vereine

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Nur zwei der beteiligten Vereine wurden bestraft:

Weitere Entwicklung

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Die Kickers Offenbach kehrten 1972, Arminia Bielefeld 1978 in die Bundesliga zurück.

Mehrere der gesperrten Spieler siedelten danach nach Südafrika über, weil das Land wegen der Apartheid zu dieser Zeit nicht der FIFA angehörte. Volkmar Groß, Jürgen Weber, Arno Steffenhagen wechselten zu Hellenic Kapstadt, Wolfgang Gayer und Bernd Patzke zu Durban City. Auch Hans Pirkner überlegte einen solchen Schritt, wobei der Pretoria FC als möglicher Verein genannt wurde.[8]

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Einzelnachweise

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  1. Gerüchte, Dementis, Lügen, Klagen, Augsburger Allgemeine, 18. März 2006.
  2. Aus dieser Zeit resultiert die insbesondere von Anhängern der Ruhrgebietsrivalen gebrauchte Bezeichnung des FC Schalke 04 als „FC Meineid“.
  3. a b Hintergrund: Der Bundesliga-Skandal von 1971. In: Spiegel Online. 23. Januar 2005, abgerufen am 7. Mai 2015.
  4. Nach anderen Quellen hat Burdenski jedoch später die Annahme von gut 2.000 DM gestanden, vgl. zum Beispiel Hardy Grüne: Glaube Liebe Schalke, Göttingen 2012 (3. Auflage), Seiten 219 und 228.
  5. a b c Claudia Kracht: Der Bundesliga-Skandal 1971. In: planet-wissen.de. 12. Juni 2014, abgerufen am 7. Mai 2015.
  6. Samstag, 29. Mai 1971, 15:30 Uhr, Bielefelder Alm, Bielefeld, Deutschland. In: dfb.de, abgerufen am 4. Februar 2018.
  7. 04 Jürgen Rumor. Interview. In: Ex-Herthaner (wordpress.com). März 2006, abgerufen am 7. Mai 2015: „Als ich das (Angebot über 250.000 DM aus Bielefeld durch Manager Neumann) der Mannschaft erzählte, erwähnten Patzke und Wild praktisch zeitgleich die Offerte von Offenbach, die 10.000 Mark pro Spieler zahlen wollten, wenn wir Bielefeld schlagen. Das wurde dann im Mannschaftskreis heiß diskutiert. Wir sind natürlich davon ausgegangen, dass wir dieses Spiel gewinnen, wodurch wir sowohl eine Prämie von Hertha BSC als auch das Geld von Offenbach bekommen hätten. Unterm Strich hätten wir einen ähnlich hohen Betrag heraus bekommen wie bei einer Niederlage, insofern war für uns klar, dass wir auf Sieg spielen würden. Bei einem zweiten Treffen mit Neumann wurde ich dann jedoch mit der Aussage konfrontiert, dass Gergely und Varga von den Bielefeldern bereits Geld bekommen hätten. Als ich das Spiel dann von der Tribüne aus verfolgte, war auch klar zu sehen, dass von den beiden wenig Engagement kam. … Nachdem die Mannschaft ja auf Sieg spielte, waren natürlich alle etwas geknickt, dass man nun plötzlich gar keine Prämie in der Hand hatte. Ich erwähnte dann, dass die 250.000 Mark von Bielefeld doch eigentlich nach wie vor zur Abholung bereit lägen. Schließlich hatte ich den Bielefeldern ja vor dem Spiel weder zu- noch abgesagt. So rief ich also Neumann nach dem Spiel an und fand schnell heraus, dass er tatsächlich annahm, wir hätten das Spiel absichtlich verloren. Daraufhin schickte ich ihm dann einen Mittelsmann, der das Geld für uns abholte.“
  8. Mitte: „Pirkner nach Südafrika?“ In: Arbeiter-Zeitung. Wien 7. November 1972, S. 15.