Gedenktafel am Geburtshaus in Kirchberg
Unterschrift von Christoph Graupner

Christoph Graupner (* 13. Januarjul. / 23. Januar 1683greg. in Kirchberg; † 10. Mai 1760 in Darmstadt) war ein deutscher Komponist und Cembalist.

Leben

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Autograph von Graupners Kantate Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen

Christoph Graupner bekam bei seinem Onkel, dem Organisten Nicolaus Küster (1670–1700), seinen ersten Musikunterricht. Er folgte diesem nach Reichenbach im Vogtland. In Leipzig besuchte er die Thomasschule und studierte Jura und danach Musik bei dem Thomaskantor Johann Schelle und unter dessen Nachfolger Johann Kuhnau. 1705 ging er als Cembalist zum Hamburger Opernorchester, das von Reinhard Keiser geleitet wurde. In dieser Zeit komponierte er mehrere Opern, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurden.

Der Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt hörte seine Werke und bot ihm 1709 einen Posten an seinem Hof an. Bereits 1711 stieg er zum Hofkapellmeister auf. In diesem Jahr heiratete er die Pfarrerstochter Elisabeth Eckardt. 1722 bewarb er sich auf Empfehlung Telemanns um die bereits durch diesen abgelehnte Stelle des Thomaskantors in Leipzig. Auf Geheiß seines Herrn musste er die Berufung als Nachfolger von Johann Kuhnau ablehnen, allerdings unter Aufbesserung seines ohnehin bereits hohen Verdienstes. So konnte Johann Sebastian Bach die Stelle erhalten. Graupner blieb bis zu seinem Tod am Hof des Landgrafen. Im Laufe der Zeit holte er eine Reihe von Musikern nach Darmstadt, die er aus seiner Zeit als Leipziger Thomasschüler kannte: den Vizekapellmeister Gottfried Grünewald, seinen späteren Nachfolger Johann Samuel Endler sowie den Kammermusikus Michael Boehm.

Graupners umfangreiches, fast vollständig erhaltenes Werk befindet sich zum größten Teil in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt. Es ist in großen Teilen noch unveröffentlicht. Vielfach betrachteten die Landesherren die Werke ihrer Komponisten als ihr persönliches Eigentum, und im schnellen Wandel der Modeströmungen wurden die Kompositionen vernichtet. Graupners Familie wehrte sich gegen dieses Vorgehen und strengte einen Prozess an, der fast 80 Jahre nach Graupners Tod zu Gunsten der Familie entschieden wurde. Diesem Umstand und der Auslagerung der Bestände während des Zweiten Weltkrieges ist die Erhaltung dieses umfangreichen Werkes zu verdanken.

Wiederentdeckung

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Nachdem Graupner lange Zeit kaum bekannt war, begann die Neuentdeckung Anfang des 20. Jahrhunderts mit Wilibald Nagels Studium der Sinfonien Graupners. In den 1920er-Jahren veröffentlichte Friedrich Noack seine Forschungen zu Graupners Kantaten. Bärenreiter veröffentlichte in den 1950er Jahren mehrere Sinfonien.

Werke

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Bis 1719 schrieb Graupner zunächst mehrere Opern, danach aber auch eine Fülle von Instrumentalwerken sowie Kirchenmusik, für die ihm Johann Conrad Lichtenberg als Librettist diente. Im Jahr 1754 musste er das Komponieren einstellen, da er vollständig erblindete. Er schuf etwa 2000 Werke: 1418 kirchliche Kantaten (von denen die meisten noch der Wiederaufführung harren,[1]) 24 weltliche Kantaten, 113 Sinfonien, 44 Solokonzerte für ein bis vier Instrumente, 80 Orchestersuiten, 36 Kammersonaten, etwa 30 Claviersuiten sowie mindestens acht Opern.[2]

In den Arien aus Graupners Hamburger Opern wird das melodische Material verarbeitet und auf die Klanggruppen verteilt. Die „Vorliebe für kleingliedrige Elemente“ schlägt sich in den Arien der Kantaten in einer Art „Baukastenprinzip aus kleinen kontrastierenden Motivbruchstücken“ nieder. Die Choralsätze sind bewusst einfach gestaltet,[3] das Rezitativ hat sich schon früh vom älteren deutschen Arioso gelöst und ist am natürlichen Sprechen orientiert.[4]

Graupners Instrumentalmusik ist gekennzeichnet durch „ausdifferenzierte Instrumentation“ und „abwechslungsreiche, ausnotierte Ornamentik“.[5] In den Konzerten steht das Konzept der Übernahme des orchestralen Ausgangsmotivs im Solo neben Lösungen mit motivisch ungebundenen Spielfiguren.[6] Die Nähe von Graupners Ouvertürensuiten und Sinfonien wird dadurch unterstrichen, dass er Einzelsätze über die Gattungsgrenzen austauschte, „nur der Kopfsatz scheint [...] gattungsspezifisch komponiert zu sein“.[7]

Opern

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Titel Form Uraufführung Libretto Anmerkungen
Dido, Königin von Carthago Singspiel in drei Akten 1707 in Hamburg, Oper am Gänsemarkt Heinrich Hinsch
Bellerophon. Oder: Das in die Preußische Krone verwandelte Wagen-Gestirn Operetta 28. November 1708 in Hamburg zur Hochzeit Friedrichs I. von Preußen mit Sophie Luise Barthold Feind nach Thomas Corneille, Bernard le Bovier de Fontenelle und Nicolas Boileau Musik verloren
L’Amore Ammalato. Die kranckende Liebe, oder: Antiochus und Stratonica Musikalisches Schauspiel 1708 in Hamburg Barthold Feind nach Luca Assarini, Thomas Corneille und Talander[8]
Il Fido Amico, oder: Der getreue Freund Hercules und Theseus Singspiel 1708 in Hamburg Breymann Musik verloren
Der Fall des großen Richters in Israel Simson, oder: Die abgekühlte Liebes-Rache der Debora November 1709 in Hamburg Barthold Feind Musik verloren
Berenice und Lucilla, oder Das tugendhafte Lieben 4. März 1710 in Darmstadt Osiander nach Aurelio Aureli
Telemach 16. Februar 1711 in Darmstadt Musik verloren
La costanza vince l’inganno Pastoral in drei Akten 1715 in Darmstadt, 1719 dort überarbeitet wiederaufgeführt Ouvertüre und Ballettmusik stammen von Ernst Ludwig, Landgraf von Hessen Darmstadt
Divertissement 1717 in Darmstadt Georg Christian Lehms Ms. in D-DS
Adone Pastoral 1719 in Darmstadt Christian Heinrich Postel Autorschaft zweifelhaft

Kantaten (Auswahl)

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Instrumentalmusik (Auswahl)

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Claviermusik (Cembalo, Spinett, Clavichord)

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Moderne Aufführungen

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Im Kirchheimer Konzertwinter wurden im Januar 2018 fünf Kantaten Graupners erstmals wieder aufgeführt und von Deutschlandfunk Kultur in einer Radiosendung deutschlandweit ausgestrahlt, darunter die Dialogkantate „Süßes Ende aller Schmerzen“ GWV 1166/20.[9] Im September 2018 erschien der Konzertmitschnitt auf CD beim Label cpo.[10]

Bewertungen

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Rudolf Lutz meinte angesichts der vielen Kantaten von Christoph Graupner:

„Man kann Bach studieren und dann nochmal studieren, es wird nicht langweilig. Wenn man mich gefragt hätte, alle Graupner-Kantaten aufzuführen, hätte ich gesagt, ›lieber nicht‹, abgesehen davon, dass es über 1.400 sind.“[11]

Sonstiges

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Der Landkreis Zwickau vergibt alle zwei Jahre einen Christoph-Graupner-Kunstpreis für Malerei und Grafik und alle fünf Jahre als Ehrenpreis mit wechselnder Sparten-Ausschreibung.

In Kirchberg im gleichen Landkreis gibt es ein Christoph-Graupner-Gymnasium.[12] In Darmstadt existiert eine Christoph-Graupner-Schule mit offenen Unterricht auf therapeutisch-sonderpädagogischer Grundlage.[13]

Literatur

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Werkausgaben

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Einspielungen (Auswahl)

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Commons: Christoph Graupner – Sammlung von Bildern und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Deutschlandfunk, Programmheft Februar 2018, S. 6
  2. Andrew D. McCredie: Graupner, Christoph. In: Grove Music Online (englisch; Abonnement erforderlich).
  3. Christoph Hust: Graupner, Christoph. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 7 (Franco – Gretry). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2002, ISBN 3-7618-1117-9 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich).
  4. Friedhelm Krummacher: Kulmination und Verfall der protestantischen Kirchenmusik. In: Carl Dahlhaus (Hrsg.): Die Musik des 18. Jahrhunderts. Athenaion, Wiesbaden 1985 (= Neues Handbuch der Musikwissenschaft, Band 5), ISBN 3-89007-035-3, S. 108–121, hier 113f.
  5. Christoph Großpietsch: Christoph Graupner. In: Ingeborg Allihn (Hrsg.): Barockmusikführer. Instrumentalmusik 1550–1770. Metzler, Stuttgart 2001, ISBN 3-476-00979-3, S. 190–196, hier 192f.
  6. Ursula Kramer: Konzertieren und kommunizieren. Zum Konzertschaffen von Christoph Graupner. In: Ralph-Jürgen Reipsch, Carsten Lange und Brit Reipsch (Hrsg.): Concertare – Concerto – Concert. Das Konzert bei Telemann und seinen Zeitgenossen. Bericht über die Internationale Wissenschaftliche Konferenz, Magdeburg, 14. und 15. März 2016, anlässlich der 23. Magdeburger Telemann-Festtage. Georg Olms Verlag AG, Hildesheim 2020 (= Telemann-Konferenzberichte, Band 21), ISBN 978-3-487-15887-7, S. 44–54, hier 50.
  7. Christoph Großpietsch: Christoph Graupner. In: Ingeborg Allihn (Hrsg.): Barockmusikführer. Instrumentalmusik 1550–1770. Metzler, Stuttgart 2001, ISBN 3-476-00979-3, S. 190–196, hier 194.
  8. Vorbemerkung zum Libretto L’Amore Ammalato.
  9. Programm von Deutschlandfunk Kultur am 4. Februar 2018, abgerufen am 4. Februar 2018
  10. Christoph Graupner: Solo- & Dialog-Kantaten, abgerufen am 1. November 2018
  11. Interview mit Rudolf Lutz auf der Homepage https://van-magazin.de, VAN Online-Magazin für klassische Musik, abgerufen am 11. August 2022
  12. https://www.graupnergym.de; abgerufen am 6. April 2024
  13. https://www.christoph-graupner-schule-darmstadt.de; abgerufen am 6. April 2024
Personendaten
NAME Graupner, Christoph
ALTERNATIVNAMEN Graupner, Johann Christoph (Falschschreibung)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Komponist und Cembalist
GEBURTSDATUM 23. Januar 1683
GEBURTSORT Kirchberg
STERBEDATUM 10. Mai 1760
STERBEORT Darmstadt