Die Clebsch-Gordan-Koeffizienten finden ihre Verwendung in der Kopplung quantenmechanischer Drehimpulse. Es handelt sich dabei um Entwicklungskoeffizienten, mit denen man aus der Basis der Einzeldrehimpulse in die Basis des Gesamtdrehimpulses übergeht. Sie werden zur Berechnung der Spin-Bahn-Kopplung sowie im Isospin-Formalismus verwendet.
Sie wurden nach Alfred Clebsch (1833–1872) und Paul Gordan (1837–1912) benannt. Statt Clebsch-Gordan-Koeffizienten kann man auch nach Eugene Wigner die damit verwandten 3j-Symbole verwenden.
Drehimpulskopplung
Man geht von zwei Drehimpulsen
und
aus, die jeweils die Quantenzahlen
und
(z-Komponente), bzw.
und
besitzen. Dabei nehmen
und
folgende Werte an:
und
, und die Drehimpulse vertauschen untereinander:
(s. Quantenmechanischer Kommutator). Das bedeutet, dass man die einzelnen Drehimpulse unabhängig voneinander scharf messen kann. Jeder dieser Drehimpulse hat seinen eigenen Eigenraum, der durch die Eigenvektoren
bzw.
aufgespannt wird. In der Basis dieser Eigenvektoren
hat das Quadrat von
und eine Komponente dieses Operators eine diagonale Gestalt. Das Gleiche gilt in analoger Weise auch für
.
Die einzelnen Drehimpulse
und
koppeln nun zu einem Gesamtdrehimpuls
. D.h. die einzelnen Komponenten addieren sich vektoriell.
Die Eigenzustände des Gesamtdrehimpulses besitzen die Quantenzahlen
und
. Sie können die folgenden Werte annehmen:
und
.
Da der Gesamtdrehimpuls
aus beiden Drehimpulsen
und
besteht, können die Zustände des Gesamtdrehimpulses im Produktraum der einzelnen Eigenzustände dargestellt werden:
![{\displaystyle \left|j_{1},m_{1};j_{2},m_{2}\right\rangle =\left|j_{1},m_{1}\right\rangle \otimes |j_{2},m_{2}\rangle ,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/89192f81bd5e84df953ce7db1b4ccdf244d22e9b)
wobei
das Tensorprodukt bezeichnet.
Allerdings sind diese Zustände im Allgemeinen keine Eigenvektoren des Gesamtdrehimpulses
, so dass er in dieser Basis keine Diagonalgestalt besitzt.
Eigenbasis des Gesamtdrehimpulsoperators
Die Eigenvektoren von
werden durch die Quantenzahlen
,
,
und
eindeutig festgelegt. Bezüglich der neuen Basis aus Eigenvektoren hat der Gesamtdrehimpuls
wieder eine einfache Diagonalgestalt. Es gilt:
![{\displaystyle {\vec {J))^{2}\left|J,M,j_{1},j_{2}\right\rangle =J(J+1)\hbar ^{2}\left|J,M,j_{1},j_{2}\right\rangle }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/897f625e4d2c33b9e6aee84585f80fbe990533e5)
![{\displaystyle J_{z}\left|J,M,j_{1},j_{2}\right\rangle =M\hbar \left|J,M,j_{1},j_{2}\right\rangle }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5233410f7acb12089b1349c2ed02fe0a670825cb)
Die Clebsch-Gordan-Koeffizienten geben nun den Übergang der Produktbasis
in die Eigenbasis
an (unitäre Transformation):
![{\displaystyle \left|J,M,j_{1},j_{2}\right\rangle =\sum _{m_{1},m_{2))\left|j_{1},m_{1};j_{2},m_{2}\right\rangle \langle \ j_{1},m_{1};j_{2},m_{2}|J,M,j_{1},j_{2}\rangle .}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ba1c8420b1c1a7452ed0e14a39875b43089845e6)
Dabei sind
die Clebsch-Gordan-Koeffizienten.
Eigenschaften der Clebsch-Gordan-Koeffizienten
- Die Clebsch-Gordan-Koeffizienten sind gleich Null, wenn eine der beiden Bedingungen
oder
nicht erfüllt ist:
(„Auswahlregeln“).
- Die Clebsch-Gordan-Koeffizienten sind konventionsgemäß reell:
![{\displaystyle \langle j_{1},m_{1};j_{2},m_{2}|J,M,j_{1},j_{2}\rangle \in \mathbb {R} .}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/7cb5b57538a05ec00ab6e0ed0a7976981511e2d9)
- Folgender Clebsch-Gordan-Koeffizient zu
ist konventionsgemäß positiv:
![{\displaystyle \langle j_{1},j_{1};j_{2},J-j_{1}|J,J,j_{1},j_{2}\rangle >0.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/4a777aa29334c2401d54415b96b38594f7f1fa83)
- Der Clebsch-Gordan-Koeffizient zu
ist betragsmäßig gleich dem Clebsch-Gordan-Koeffizient zu
gemäß
![{\displaystyle \langle j_{1},m_{1};j_{2},m_{2}|J,M,j_{1},j_{2}\rangle =(-1)^{j_{1}+j_{2}-J}\langle j_{1},-m_{1};j_{2},-m_{2}|J,-M,j_{1},j_{2}\rangle .}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/0907e01ccc62c425249c46e773c06efc504791a4)
- Die Clebsch-Gordan-Koeffizienten erfüllen die Orthogonalitätsrelation
![{\displaystyle \sum _{m_{1},m_{2))\langle j_{1},m_{1};j_{2},m_{2}|J,M,j_{1},j_{2}\rangle \langle j_{1},m_{1};j_{2},m_{2}|J',M',j_{1},j_{2}\rangle =\delta _{JJ'}\delta _{MM'}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f86c9eb7c7a6af37524d0600d5239d8213ed83f7)
- Die Clebsch-Gordan-Koeffizienten erfüllen die Orthogonalitätsrelation
![{\displaystyle \sum _{J,M}\langle j_{1},m_{1};j_{2},m_{2}|J,M,j_{1},j_{2}\rangle \langle j_{1},m_{1}';j_{2},m_{2}'|J,M,j_{1},j_{2}\rangle =\delta _{m_{1}m_{1}'}\delta _{m_{2}m_{2}'}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/9b597af038bbdcae460000bd42e55b87d6d492fc)
Ermittlung der Clebsch-Gordan-Koeffizienten
Der Eigenzustand mit
und
lässt sich sofort in der Produktbasis angeben (nur ein Clebsch-Gordan-Koeffizient gleich 1, alle anderen Null):
![{\displaystyle |j_{1}+j_{2},j_{1}+j_{2},j_{1},j_{2}\rangle =|j_{1},j_{1};j_{2},j_{2}\rangle }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c0d4f84c9f357e839bb3bbc63542d444f01fb767)
Durch Anwenden des Absteigeoperators
erhält man die Zustände
bis
, also zu
alle Zustände mit
.
Den Zustand
erhält man aus der Forderung nach Orthogonalität zu
und der Konvention, dass der Clebsch-Gordan-Koeffizient für
positiv ist.
Mit dem Absteigeoperator können zu
wieder alle Zustände mit
erzeugt werden. Dieses Verfahren wird nun iterativ wiederholt bis
.
SU(N)-Clebsch-Gordan-Koeffizienten
Die Kommutatorrelationen der Drehimpulsoperatoren zeigen, dass jeder so definierte Drehimpuls eine Algebra bildet, die im mathematischen Sinne isomorph zu der der Lie-Algebra der speziellen unitären Gruppe SU(2) ist.
In der Quantenmechanik lassen sich jedoch nicht nur Zustände koppeln, die Drehimpulsquantenzahlen bzw. su(2)-Quantenzahlen tragen, sondern auch Zustände mit su(N)-Quantenzahlen. Dies passiert z. B. in der Quantenchromodynamik. Um die dabei auftretenden Clebsch-Gordan-Koeffizienten zu berechnen, sind ebenfalls Algorithmen bekannt[1].
Verallgemeinerung: Ausreduzierung einer Produktdarstellung
Man kann die Theorie der Clebsch-Gordan-Koeffizienten als Spezialfall aus der Darstellungstheorie der Gruppen auffassen.[2] Und zwar gilt, dass die von zwei (oder mehr) Produkten der Funktionen
aufgespannte „Produktdarstellung“
i. a. reduzibel ist. Sie kann daher nach den irreduziblen Darstellungen
„ausreduziert“ werden, wobei die ganzzahligen „Vielfachheiten“, mit denen diese im allgemeinen Fall vorkommen können, bei der Drehgruppe nur den Wert 1 annehmen.
Im vorliegenden Fall sind jedenfalls die genannten Produkte von der Form
und die zugehörige irreduzible Darstellung wird durch Funktionen der Form
aufgespannt.
Also abstrakt, mit den irreduziblen Darstellungen der Drehgruppe
wobei z. B.
der Größe l entspricht und
analog zu s ist.
Die bei dieser Ausreduzierung auftretenden komplexwertigen Entwicklungskoeffizienten sind die Clebsch-Gordan-Koeffizienten.
Ein einfaches Beispiel
Neben den oben behandelten Atomfunktionen ist das folgende Beispiel instruktiv, bei dem es um das einfachste Zwei-Spin-Problem geht: Es werden also zwei Teilchen mit dem Spin
betrachtet. Das ergibt die vier Funktionen
wobei sich der erste Faktor auf das eine, der zweite auf das andere Teilchen bezieht. Die angegebenen Zustände werden im Folgenden durch Pfeilsymbole veranschaulicht.
Ausreduktion dieses Produkts ergibt ebenfalls insgesamt vier „irreduzible“ Zustände. Diese sind ein sog. Singulett-Zustand mit
,
![{\displaystyle |J=0,\,M_{J}=0\rangle \ {\hat {=))(1/{\sqrt {2)))\ (\uparrow \downarrow -\downarrow \uparrow )}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/2ef10f574297c894d70231dd045a25779cd45835)
sowie drei sog. Triplett-Zustände mit
, nämlich
![{\displaystyle |J=1,M_{J}=+1\rangle \ {\hat {=))\uparrow \uparrow ,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ea87406934509d7864a9d5ed715ceadec1d8b65f)
und
![{\displaystyle |J=1,M_{J}=-1\rangle \ {\hat {=))\downarrow \downarrow .}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/0666c844fd88417a2c77a9b474f5fc4bc72b4f31)
Die Clebsch-Gordan-Koeffizienten entsprechen in diesem Fall den Werten
bzw.
, die bei dieser Darstellung auftreten.
Bei Abwesenheit magnetischer Felder haben die drei Triplettzustände ein und dieselbe Energie.
Anwendungen
Welcher der beiden Zustände, Singulett oder Triplett, energetisch dominiert, hängt von Einzelheiten der Wechselwirkung ab:
Wenn der dominierende Mechanismus die Anziehung der Elektronen durch den Kern ist, z. B. bei homöopolarer Bindung, dominiert der Singulett-Zustand und das resultierende Molekül bzw. der Festkörper sind unmagnetisch bzw. diamagnetisch. Falls dagegen die gegenseitige Coulomb'abstoßung der Elektronen dominiert, erhält man paramagnetische Moleküle bzw. ferromagnetische Festkörper.
Die im ersten Teil des Artikels implizit dominierende quantenmechanisch vertiefte Drehimpulsphysik („Drehimpulsgymnastik“) erhält man mit der Standardinterpretation, dass man erstens nicht zwei, sondern nur ein einziges Teilchen betrachtet und
und
setzt.[3] Dies ergibt vielfältige Anwendungen in Kern- und Teilchenphysik.
- ↑ A. Alex, M. Kalus, A. Huckleberry, and J. von Delft: A numerical algorithm for the explicit calculation of SU(N) and SL(N,C) Clebsch-Gordan coefficients. In: J. Math. Phys. 82. Jahrgang, Februar 2011, S. 023507, doi:10.1063/1.3521562 (scitation.org [PDF; abgerufen am 13. April 2011]).
- ↑ Siehe alle Standardlehrbücher über Darstellungstheorie von Gruppen; speziell solche mit Hauptanwendungen in der Physik.
- ↑ A. Lindner: Grundkurs theoretische Physik, Wiesbaden, Vieweg & Teubner, 3. Auflage (2012), ISBN 978-3-8348-1895-9