Klassifikation nach ICD-10 | |
---|---|
E86 | Volumenmangel Dehydratation |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Dehydratation (zu altgriechisch ὕδωρ hydor, deutsch ‚Wasser‘; Synonyme Dehydratisierung, Exsikkose, Dehydration,[1] Dehydrierung,[2] Hypohydratation, Austrocknung;[3] Antonym Hyperhydratation) bezeichnet in der Medizin einen Flüssigkeitsverlust bzw. Volumenmangel der extrazellulären Flüssigkeit, zu der auch das Blutplasma zählt. Ursache ist eine Störung des Volumenhaushalts (Verlust von Natrium und Wasser) oder der Osmoregulation (isolierter Wasserverlust).
Die fachsprachlich unkorrekte Verwendung der Synonyme Dehydratisierung und Dehydrierung ist hierbei anzumerken. Diese Begriffe beschreiben in der Chemie die Umkehrreaktion zur Addition eines Wassermoleküls an ein Substrat (Hydratisierung) und die Umkehrreaktion zur Addition von Wasserstoff an Elemente oder chemische Verbindungen (Hydrierung). Ein Lebewesen verliere chemisch gesehen unter Verwendung des Begriffes Dehydrierung Wasserstoff.
Flüssigkeit wird über den Magen-Darm-Trakt (Stuhlgang), die Lunge (Atemluft), die Nieren (Urin), über die Haut (Transpiration) und aus den Milchdrüsen (Laktation) abgegeben. Erkrankungen (zum Beispiel der Nieren), Symptome wie Fieber und Erbrechen, starke körperliche Anstrengungen, Stillen oder Medikamente zur Entwässerung können zu einem erhöhten Flüssigkeitsverlust und damit zu einem Flüssigkeitsungleichgewicht führen, wenn die verlorene Flüssigkeitsmenge nicht entsprechend ersetzt wird. Eine übermäßige Abnahme der Körperflüssigkeit – entweder durch pathologisch verringerte Flüssigkeitsaufnahme, durch unzureichende Flüssigkeitszufuhr (bei Nichtverfügbarkeit von Trinkwasser und anderen Getränken), bei krankhaft gesteigertem Flüssigkeitsverlust oder während der Laktation – führt zur Exsikkose.
Es werden drei Arten der Dehydratation unterschieden:[4][5]
Die Diagnosestellung erfolgt anhand des klinischen Bildes, einer Untersuchung des Blutserums und des Urins (insbesondere auf den Natrium-Gehalt, Hämatokrit- und Kreatinin-Werte sowie die Serum- beziehungsweise Urinosmolalität).
Wichtigste therapeutische Maßnahme einer jeden Rehydratation ist der Ersatz des verlorengegangenen Wassers. Dies erfolgt bei leichter Dehydratation entweder oral oder über eine Ernährungssonde mit Getränken, oder parenteral mit einer geeigneten Infusionslösung. Je nach Schweregrad müssen manchmal mehrere Liter Flüssigkeit infundiert werden. Die Infusionslösung unterscheidet sich je nach Art der Dehydratation: Bei einer isotonen Dehydratation kann eine einfache Ringer-Lösung gegeben werden. Bei einer hypotonen Dehydratation müssen manchmal auch Natrium-Ionen ersetzt werden, dieser Ausgleich muss aber sehr langsam erfolgen, um keine schweren zerebralen Nebenwirkungen zu provozieren. Die hypertone Dehydratation wird zum Beispiel durch Infusion fünfprozentiger Glukoselösung therapiert.[7]
Durch Dehydratation am Lebensende können belastende Symptome verursacht werden, aber die Therapie derselben kann ebenso von Nachteil sein. Daher wird in der Palliativmedizin ein systematischer Fragenkatalog abgearbeitet, um anhand der festgestellten Vor- und Nachteile für den individuellen Patienten zu einer für ihn angemessenen Entscheidung zu gelangen.[8]
Vor allem bei Säuglingen und kleinen Kindern entsteht Dehydratation aufgrund einer Gastroenteritis mit Erbrechen und Durchfall bei gleichzeitiger Verweigerung von Nahrungsaufnahme. Bei Säuglingen spricht man bei einem Gewichtsverlust von 5 % von einer leichten Dehydratation, bei 10 % von einer deutlichen und bei 10–15 % von einer schweren Dehydratation. Ältere Kinder reagieren weniger sensibel auf den Flüssigkeitsverlust.[9]
Dehydratationszeichen beim Säugling sind unter anderen graue Hautfarbe und schnelle Atmung; die Augäpfel und Fontanelle sind eingesunken.[10] Zudem können unter anderem Unruhe, aber auch Müdigkeit, und bei schwerer Dehydratation auch Apathie, Lethargie und Bewusstlosigkeit auftreten.[11]
Neben den oben genannten Symptomen kann Dehydratation insbesondere bei Sterbenden durch die Beeinträchtigung neurologischer Funktionen zu Desorientiertheit, Wahnvorstellungen und Agitation führen (Delirium).
Eine Dehydratation bei Menschen am Ende ihres Lebens kann mit erhöhter Morbidität und Mortalität assoziiert sein. Im Hinblick auf klinisch assistierte Hydrierung („clinically assisted hydration“ CAH) kommt der Bewertung der Reversibilität der Symptome eine zentrale Bedeutung zu. Diese erfordert eine Zuordnung des Patienten zu den unterschiedlichen pathophysiologischen Mechanismen der Dehydratation, sowie eine Indikationsstellung für eine parenterale Flüssigkeitsgabe (CAH), auch im Hinblick auf eine mögliche „terminale Dehydratation“, einen unfreiwilligen Flüssigkeitsmangel in einer Sterbephase. Zu differenzieren ist zwischen Patienten, die noch nicht in den Sterbeprozess eingetreten sind und solchen, die sich in einer Sterbephase befinden. Es gibt bis heute keine Sicherheit für Aussagen darüber, wann sich ein Patient tatsächlich in seinen letzten Lebenstagen befindet. Das birgt im Falle einer Vorenthaltung einer CAH das Risiko in sich, dass Menschen, nachdem sie in der Kategorie „Ende des Lebens“ zugeordnet wurden, verfrüht einem Weg der Beendigung des Lebens zugeführt werden. Bei tatsächlichem Erreichen der Sterbephase ist davon auszugehen, dass trotz CAH ein bereits eingetretener Dehydratationszustand nicht mehr komplett rückgängig gemacht werden kann. Dem Sterbeprozess als solchem kann hier keine „normative Relevanz“ beigemessen werden. Für die Indikationsstellung im Hinblick auf eine CAH ist nicht die Sterbephase relevant, weder ethisch noch medizinisch, sondern der individuelle Nutzen für den Patienten. Von einer „terminalen“ Dehydratation sind andere Formen der „Dehydratation am Lebensende“ abzugrenzen, die bei geeigneter Flüssigkeitstherapie (intravenös oder subkutan) meist reversibel sind. Reversible Dehydratationszustände (z. B. bei palliativer Sedierung) können bei fehlender Flüssigkeitsverabreichung irreversibel werden und sich zur terminalen Dehydratation entwickeln. Sterbende leiden nicht selten an Durst und Mundtrockenheit. Diese sind nicht in jedem Falle Indikatoren einer Dehydratation und Exsikkose. Einige in der Palliativmedizin eingesetzte Medikamente und Chemotherapeutika können ebenfalls Mundtrockenheit auslösen. In der Praxis ist einem durch Dehydratation verursachten Delir durch medizinisch assistierte Flüssigkeitsgabe (CAH) entgegenzuwirken. Nur wenn die Symptome trotzdem nicht zurückgehen, darf sie beendet werden. Falls der Sterbende noch seinen Willen äußern kann oder eine Patientenverfügung existiert, die eine Willenserklärung hierzu beinhaltet, sind diese als Entscheidungsgrundlage zu berücksichtigen. Ohne eine solche Basis dem Patienten eine CAH vorzuenthalten bzw. den Versuch einer Rehydrierung zu unterlassen, wäre u. U. ein Herbeiführen des Todes durch vom Patienten nicht gewollte terminale Dehydratation vor dem Zeitpunkt, an dem der Patient an seiner Grunderkrankung gestorben wäre.[12]