Feliks Nowowiejski
Feliks-Nowowiejski-Museum (Geburtshaus von Feliks Nowowiejski) in Barczewo an der Stelle, wo das einstöckige Haus seiner Familie stand (später aufgestockt)
Gedenktafel am Geburtshaus von Feliks Nowowiejski

Feliks Nowowiejski (* 7. Februar 1877 in Wartenburg (Ermland); † 18. Januar 1946 in Poznań)[1] war ein polnischer Komponist, Dirigent, Organist und Musiklehrer.

Leben

Kindheit und Schulausbildung

Feliks Nowowiejski war fünftes Kind von insgesamt elf Geschwistern. Sein Vater, Franz Adam Nowowiejski, 1830 in Wartenburg geboren, hatte polnische Wurzeln (sein Großvater, Jan Nowowiejski, 1730 in Wartenburg geboren, hatte seinerzeit die Polin, Anna Jabłońska aus Tollack, geheiratet). Er war in Wartenburg Schneidermeister mit eigener Werkstatt und führte dort auch eine Volksbücherei mit polnischen Büchern. Die Mutter Katharina Falk (* 1847), die zweite Ehefrau von Franz Adam Nowowiejski, war eine Deutsche aus dem Nachbardorf Wuttrienen. Während der Vater sich für das Polentum in Ermland engagiert einsetzte und auch Leiter des örtlichen polnischen Kulturvereins war, zeigte die Mutter, u. a. als Pianistin im Familienkreis, ein großes Interesse für die Kunst. Durch gemeinschaftlichen Gesang von landläufigen Volksliedern sowie Vortragen von Gedichten bekannter Dichterfürsten aus Polen und Deutschland als auch eigene, selbstgereimte Verse förderte sie das wohl von ihr geerbte große musische Talent ihres Sohnes Feliks. Trotz polnisch-patriotischer Einstellung des Vaters sprachen die Kinder besser Deutsch als Polnisch. So konnte Feliks selbst vor seiner Berliner Zeit sich schriftlich nur in Deutsch ausdrücken.[2]

Nowowiejskis Familie lebte schon über mehrere Generationen im Ermland. 1883 wurde Feliks Nowowiejski Schüler der Elementarschule in Wartenburg (im Pfarrhaus der St. Anna-Kirche). Wegen seines musikalischen Talents – er komponierte schon mit 10 Jahren sein erstes Klavierstück (eine Suite von einfachen klassischen und zeitgenössischen Tänzen für Klavier: Polonaise, Menuett, Polka, Walzer, Galopp, Mazurka und Krakowiak) – kam er 1887 auf die Klosterschule in Heiligelinde, wo er in Harmonielehre unterrichtet wurde und Geige, Cello, Waldhorn, Klavier und Orgel spielen lernte. Die Ausbildung konnte er jedoch nicht abschließen, da er bald allein für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen hatte. Im Jahr 1893 übersiedelte die Familie verarmt (Bankrott der väterlichen Werkstatt) nach Allenstein.

Musiker, Kompositionsstudium, künstlerisches Schaffen

Feliks Nowowiejski wurde im Jahr 1893 als Violinist beim Preußischen Grenadier-Regiment-Orchester in Allenstein angestellt, wodurch er in der Lage war, für den Lebensunterhalt seiner Eltern und seiner Geschwister zu sorgen. Dort komponierte er Musikstücke für Militärkapellen und Liebhaberorchester. Dank eines Kompositionspreises für seinen Marsch Pod sztandarem pokoju (Unter dem Banner des Friedens) konnte er vom 1. April bis September 1898 am Stern’schen Konservatorium Berlin studieren. Von 1898 bis 1900 bekleidete er die Organistenstelle an der St.-Jakobus-Kirche in Allenstein. Nachdem er mit einem weiteren Musikpreis ausgezeichnet worden war, absolvierte er vom 15. Januar bis 16. April 1900 einen Dreimonatskurs an der Kirchenmusikschule Regensburg, um Kontrapunkt, den Palestrinastil und Gregorianischen Choral zu studieren. Danach studierte er in Berlin am Stern’schen Musikkonservatorium Theorie und Kontrapunkt bei Ludwig Bussler, Komposition bei Wilhelm Taubert und Gradus ad Parnassum bei Heinrich Bellermann und vervollkommnete sich gleichzeitig im Orgelspiel bei Otto Dienel sowie im Orchester bei Gustav Hollaender.

Nachdem Nowowiejski eine Kantate an die Königliche Akademie der Künste in Berlin eingesandt hatte, wurde er in die Meisterklasse für klassische Komposition unter Max Bruch aufgenommen (1900–1902). Gleichzeitig nahm er ein Studium der Musikwissenschaft und der Ästhetik an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin auf. In Berlin kam er in Kontakt mit polnischen Intellektuellen und entwickelte einen starken polnischen Patriotismus, der sich später oftmals in seinen Werken widerspiegelte (z. B. in Ermländische Motive, Rota, Polnische Brautwerbung oder Quo vadis?).[2]

1902 erhielt Nowowiejski für sein Oratorium Powrót syna marnotrawnego (Heimkehr des verlorenen Sohnes) seine erste Auszeichnung, den Giacomo-Meyerbeer-Preis. Von den 4.500 Mark Preisgeld finanzierte er eine Studienreise durch Deutschland, Böhmen, Mähren, Österreich, Italien, Afrika, Frankreich und Belgien, auf der er unter anderem Antonín Dvořák, Gustav Mahler, Camille Saint-Saëns, Pietro Mascagni und Ruggero Leoncavallo kennenlernte. 1904 gewann er zum zweiten Mal den Giacomo-Meyerbeer-Preis für seine Sinfonien in a-Moll (die er später zurückzog) und h-Moll (Nr. 1). Mit diesem Preisgeld setzte er sein Studium bei Max Bruch fort. Er war Kompositionslehrer und Chordirigent, gleichzeitig Organist und Chorleiter an der St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin und danach dort an der Dominikanerkirche St. Paulus. 1903 komponierte er in Berlin das große Oratorium Quo vadis?. Nach der Uraufführung der Neufassung (von 1907) am 22. Oktober 1909 im Concertgebouw in Amsterdam wurde das Oratorium bis 1939 in mehr als 200 Städten in Europa, Nord- und Südamerika aufgeführt.[3] Nach der von ihm dirigierten Aufführung in der Carnegie Hall in New York wurde Nowowiejski als der „neue Messias des Oratoriums“ gefeiert. Quo vadis? machte Nowowiejski weithin bekannt – und geriet danach beinahe in Vergessenheit.[4]

Im Jahr 1909 ließ sich Nowowiejski in Krakau nieder, wo er als Direktor der Krakauer Musikgesellschaft fungierte. Gleichzeitig war er Organist und Kapellmeister der Warschauer Symphoniekonzerte. Am 15. Juli 1910 versammelten sich zum 500. Jahrestag der Schlacht bei Tannenberg die Krakauer auf dem Matejko-Platz und stimmten unter Nowowiejskis Leitung Maria Konopnickas Gedicht Rota an, das zum Widerstand gegen die Germanisierung der Polen aufruft, das Nowowiejski vertont hatte und das zu einem der bekanntesten polnischen patriotischen Lieder wurde.

Im März 1911 heiratete Nowowiejski in Kraków-Wawel die Krakauer Musikstudentin Elżbieta Mironow-Mirocka; die Eheleute bekamen die Tochter Wanda und die vier Söhne Feliks, Kazimierz, Adam und Jan.

Manchen polnischen Nationalisten galt Nowowiejski (aufgrund seiner ermländischen Herkunft und weil er eher auf Deutsch veröffentlichte statt auf Polnisch) nicht als „reiner“ Pole.[5] Aufgrund zunehmender Anfeindungen in Polen zog Nowowiejski nach Beginn des Ersten Weltkriegs in das Deutsche Reich, nach Berlin. Er wurde zum Kriegsdienst eingezogen, schwor den Eid auf den Kaiser Wilhelm II. und diente als Kapellmeister im örtlichen Militärorchester. Nach der Beendigung des Ersten Weltkrieges ließ er sich im Jahr 1918 in Poznań nieder und war dort als Dozent an dem Musikkonservatorium, Komponist, Dirigent und Chorleiter tätig. Seine Auftritte als Redner beim Abstimmungswahlkampf des Plebiszites von 1920 im Ermland und Masuren zeugten von seinem erstarkten polnischen Patriotismus. Dadurch kam es zum Zerwürfnis mit seinem Lehrer Max Bruch, der erfolgreich dazu aufrief, Nowowiejski und dessen Musik zu boykottieren. Nowowiejski geriet in Deutschland mehr und mehr in Vergessenheit; seine Musik wurde nicht mehr in Veranstaltungsprogramme aufgenommen.

Zu Beginn des Überfalls auf Polen 1939 versteckte sich Nowowiejski bei den Schwestern des Elisabeth-Krankenhauses in Poznań und flüchtete anschließend nach Krakau; zuvor hatte er eine kurzzeitige Internierung erlebt wegen des Verdachtes der Spionage für Russland (aufgrund der Denunzierung eines Passanten).

Lebensende

Nach einem schweren Schlaganfall im Dezember 1941 beendete er seine Laufbahn als Musiker. Kurz nach Kriegsende 1945 kehrte Nowowiejski nach Poznań zurück, wo er am 18. Januar 1946 starb. Seine letzte Ruhestätte (Ehrengrab) fand er in der Krypta der Verdienten der St.-Adalbert-Kirche in Poznań.[1]

Wirkung

Berliner Gedenktafel an der Kirche St. Paulus in Berlin-Moabit

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg fand Felix Nowowiejskis Musikschaffen auch in Deutschland große Anerkennung, so z. B. durch die Aufführung des Oratoriums Quo vadis 1913 in Krefeld und die deutsche Uraufführung des Oratoriums Kreuzauffindung 1914, ebenfalls in Krefeld. In beiden Aufführungen wurden dem persönlich anwesenden Komponisten laut einer Zeitungsnotiz begeisterte Ovationen zuteil.[6]

Durch die Kriegswirren sind einige seiner Musikstücke verschollen bzw. unwiederbringlich verloren gegangen.[2] Einige seiner Kompositionen gelangten erst Jahre nach seinem Tod an die Öffentlichkeit. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr Nowowiejski auch in Deutschland langsam wieder Anerkennung; seine Werke wurden wieder in die Programme großer Musikveranstaltungen aufgenommen. Rudolf Innig spielte zahlreiche seiner Orgelwerke ein, darunter alle neun Orgel-Symphonien.

Einige seiner Melodien erschallen regelmäßig in polnischen Städten:

Aufführungen seiner Werke in Deutschland nach 1945 (Auswahl)

Ehrungen und Gedenken

Auszeichnungen

Ehrungen

Gedenken

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Volksrepublik Polen die ehemaligen deutschen Ostprovinzen, Teile Ostpreußens, in ihr Staatsgebiet eingegliedert hatte, spielten die Vorbehalte, die Nowowiejski einst zum Umzug nach Berlin bewogen hatten, keine Rolle mehr. Er wurde wegen seiner pro-polnischen Einstellung und den polnischen Themen vieler seiner Musikwerke vielfach geehrt.

Feliks Nowowiejski als Namensgeber

Werke (Auswahl)

Die folgende Werkliste bietet eine Auswahl seiner Kompositionen:[1]

Sinfonien

Sinfonische Dichtungen

Ouverturen

Opern

Ballette

Oratorien

Werke für Soloinstrument und Orchester

Werke für Orgel und Klavier

Messen

Kunstlieder

Chorwerke

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b c d Biografie auf Polskie centrum informacji muzycznej, abgerufen am 8. November 2016 (polnisch).
  2. a b c d e Krzysztof D. Szatrawski: Feliks Nowowiejski – Polnischer Komponist aus Ermland (Memento vom 25. November 2009 im Internet Archive) (polnisch), abgerufen am 8. November 2016.
  3. Józef Baliński: Amour – tyrannie – foi, thèmes de l’opéra polonais «Quo vadis». In: Kinga Joucaviel (Hrsg.): Quo vadis? Contexte historique, littéraire et artistique de l’œuvre de Henryk Sienkiewicz. Presses Universitaires du Mirail, Toulouse 2005, ISBN 2-85816-766-4, S. 21–28, hier S. 25.
  4. So klingt es, wenn Rom brennt: Nowowiejskis Oratorium „Quo Vadis“, deutschlandradiokultur.de, abgerufen am 6. Juli 2020.
  5. Muzeum Archidiecezji Warmińskiej w Olsztynie: Ausstellung Fides – Ratio – Ars / Wiara – rozum – sztuka, Olsztyn 2015/2016 (dort zur Bazylika konkatedralna św. Jakuba w Olsztynie).
  6. Rheinische Volkszeitung, 9. März 1914, Ausgabe für Krefeld, Nr. 240, Rubrik Musikalisches. Uraufführung des Oratoriums „Kreuzauffindung“ von Felix Nowowiejski.
  7. Die Hymne. youtube.com; abgerufen am 24. Juni 2015. (Spieldauer 3:44 Minuten)
  8. Zyklische Aufführung der neun Orgelsinfonien von Felix Nowowiejski, abgerufen am 6. Juli 2020.
  9. Eintrag. (Memento des Originals vom 6. Juli 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.berlin.de In: Gedenktafel-Datenbank, berlin.de; abgerufen am 6. Juli 2020.
  10. Stand 2014