Fiene Scharp (2022)

Fiene Scharp (* 1984 in Berlin) ist eine deutsche Künstlerin. Ihre Arbeiten umfassen Zeichnungen, Objekte und Installationen.

Biografie

Aufgewachsen in Berlin studierte Scharp an der Universität der Künste Bildende Kunst bei Gregor Schneider, Alicja Kwade und Ursula Neugebauer. Ihre Werke waren unter anderem in Ausstellungen an der Akademie der Künste in Berlin,[1] im Kunsthaus Graz, im Kunstmuseum Stuttgart und im Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt zu sehen. Von 2013 bis 2017 wurde sie von der Galerie 401contemporary vertreten; in der Folge vertritt seither die Galerie kuckei+kuckei in der Berliner Linienstraße ihre Arbeit[2].

Fiene Scharp lebt und arbeitet in Berlin.

Werk

Raster und serielle Strukturen sind Grundelemente von Fiene Scharps Arbeiten, die sie zu einem feinen Gitterwerk an Linien zusammenfügt. Die organische Eigenwilligkeit der Materialien, wie Papierschnitte, feine Grafitminen oder Haar und der manuelle Herstellungsprozess führt zu minimalen Ungleichmäßigkeiten, Differenzen und Irritationen der ansonsten strengen Gitternetze.[3]

„Ihre nach Perfektion in der Ausführung strebende handwerkliche Verarbeitung trifft dabei ganz bewusst auf die Eigenlebendigkeit und die Grenzen der Beherrschbarkeit [des] Werkstoffs.“[4]

Papierschnitte

Einen Hauptbestandteil der künstlerischen Arbeit bilden die vielfältigen Papierschnittzeichnungen in unterschiedlichen Formaten und Ausprägungen.[5] Den mittel- bis großformatigen, teils mehrschichtigen Paper-Grids, liegen zumeist antiquarische Rasterpapiere aus dem technischen, wissenschaftlichen Bereich als Ausgangsbasis zu Grunde.[6] Mit dem Skalpell werden die Zwischenräume der Lineaturen herausgetrennt, so dass lediglich die Koordinatenlinien als fragiles Netzwerk, als "tektonisches Gerüst"[7], stehen bleiben.

Frei im Raum hängend, zeigen die Papercuts ihre Ambivalenz zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, zwischen Grafik und Skulptur. Der Veränderungsprozess wird in den Arbeiten miteingeschlossen, der teilweise die Auflösung des Rasters miteinkalkuliert.

Haarzeichnungen

Seit 2009 arbeitet Fiene Scharp an sogenannten Haarzeichnungen, die sich im Grenzbereich von Zeichnung und Objektkunst bewegen. Diese meist großformatigen Werke sehen auf den ersten Blick aus wie Zeichnungen, doch beim näheren Hinschauen wird deutlich, dass hier in kleinteiliger Arbeit zentimeter- oder gar millimeterkurze, teils auf den ersten Blick gar nicht sichtbare, Härchen im strengen Raster angeordnet wurden. Den geometrischen Haarzeichnungen liegt ein detailliertes, gezeichnetes Gitternetz zu Grunde, in deren Knotenpunkten die Haare einzeln appliziert wurden. Die Arbeiten stehen im Wechselspiel zwischen Zeichnung und Objekt und lassen das Haar zur Linie im Raum werden.[8] Scharp unterbricht das Grundprinzip, das sich mit dem Raster verbindet, dessen Gleichförmigkeit und Struktur, indem sie die natürlichen Bedingungen des Haares nutzt, das sich entsprechend der umgebenden Trockenheit und Feuchtigkeit unterschiedlich ausdehnt.

"Die quadratische Form wird auf diese Weise zu einem organischen Zeichenkörper, der sich wölbt und senkt, so dass ein differenziertes Spiel mit Licht und Schatten entsteht. Aus der visuellen Spannung dem das Raster unterworfen wird, erwächst ein positives Konfliktpotential. Es führt dem Betrachter vor, dass auch die Struktur eines Rasters immer neu verhandelt werden muss."[9]

Fiene Scharps Gebrauch von Haar fordert die Überschreitung der Grenzen von Betrachter und Werk heraus: Der Anblick reizt, die Dinge zu berühren, erzeugt aber auch „einen Moment des Ekels. Die Haare verleihen den [Arbeiten] ein unerwartet biomorphes, bisweilen auch erotisches aber insgesamt befremdliches Eigenleben“.[10] Die Künstlerin spielt mit der Wahrnehmung von Weichheit und Festigkeit, von körperlicher und lebloser Erscheinung, von Anziehung und Abstoßung. So entlockt sie dem Betrachter „sublime und verborgene Empfindungen“.[10] Fiene Scharps Arbeiten mit Haut und Haar „konfrontieren uns tastend mit unserer Körperlichkeit, ihren Grenzen, Durchlässigkeit, Integrität und Auflösung“, schreibt etwa das österreichische Kunstportal CastYourArt.com.[11]

Video- und Filmarbeiten

Auch ihre Videoarbeiten spielen mit dem Moment der Sinneserweiterung.

2007 stellte sie im Studio des Neuen Berliner Kunstvereins[12] drei Arbeiten aus, die sich mit den Grenzen der körperlichen Wahrnehmung von Innen- und Außenraum beschäftigten.

So sieht man in ihrem Video Haarreif ein Handgelenk, dem linear feine Haare appliziert werden. Diese Videoarbeit wurde senkrecht von oben auf ein Podest projiziert, so dass Assoziationen zum Schmuckstück geweckt und Grenzen von Körperlichkeit und Dinglichkeit reflektiert werden.

Die Haut, an der man den Zustand der Getrenntheit wie auch der Durchlässigkeit und der Oberfläche zum Berühren und Fühlen erlebt, spielt neben Haar eine wichtige Rolle in den Arbeiten Fiene Scharps. Die Videoarbeit Außer mir zeigt, wie Metallbuchstaben in Haut eingedrückt werden und dann das Verblassen der Druckspuren. Dieses Video wurde auf die Fensterfront der Galerie projiziert, um anhand dieser Fläche die Grenze von Außen- zu Innenraum, von Körper und Objekt zu thematisieren.

Das Moment der Zeit, des Eingriffs, der Veränderung ist ebenso Thema ihrer Videoarbeiten.[13]

Ausstellungen (Auswahl)

Videos und Filme (Auswahl)

Auszeichnungen und Stipendien

Werke

Einzelnachweise

  1. Informationsseite zur Ausstellung Kultur: Stadt, zum Film The Astronaut’s Ark.
  2. Galerie kuckei+kuckei Berlin
  3. Simone Schimpf: Pressemitteilung zur Ausstellung: Fiene Scharp l l l l l l l l l l l l l l. In: 401contemporary. Ralf-Otto Hänsel, 1. Juni 2013, abgerufen am 6. Februar 2018.
  4. Matthias Seidel: Materialität und Form, Perfektion und Abweichung. In: Präsident der Universität der Künste Berlin (Hrsg.): Meisterschülerpreis des Präsidenten. UdK, Berlin 2012, S. 57.
  5. Fiene Scharp. Abgerufen am 7. Februar 2018 (englisch).
  6. Simone Schimpf: Out of Office. Büro-Kunst oder das Büro im Museum. Hrsg.: Dr. Simone Schimpf, Dr. Theres Rohde. 1. Auflage. Verlag Surface, Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-939855-51-4, S. 84.
  7. Matthias Seidel: Materialität und Form, Perfektion und Abweichung. In: Präsident der Universität der Künste (Hrsg.): Meisterschülerpreis des Präsidenten. UdK, Berlin 2012, S. 57.
  8. Ulrike Groos, Simone Schimpf: Rasterfahndung. Das Raster in der Kunst nach 1945. Hrsg.: Kunstmuseum Stuttgart. 1. Auflage. Wienand Verlag, Köln 2012, ISBN 978-3-86832-089-3, S. 214.
  9. Eva-Marina Froitzheim: Fiene Scharp. In: Kunstmuseum Stuttgart (Hrsg.): Die Sammlung. Kerber Verlag, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-7356-0075-2, S. 174.
  10. a b Zitiert nach: Katja Albers in der Pressemitteilung des Neuen Berliner Kunstvereins, Juni 2007
  11. Zitiert nach: Wolfgang Haas, Janima Nam, Fiene Scharp – mit Haut und Haar bei castyourart.com am 6. Januar 2010, abgerufen am 19. Januar 2011
  12. a b Ausstellungsarchiv des NBK-Studio (Memento des Originals vom 14. Mai 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nbk.org im Neuen Berliner Kunstverein
  13. Delikat. mit Arbeiten von Esther Glück und Fiene Scharp. 1. bis 29. März 2009 im Frauenmuseum Berlin
  14. [1]
  15. Rasterfahndung im Kunstmuseum Stuttgart.
  16. Sandra Danicke: Eine haarige Angelegenheit. In: art – Das Kunstmagazin. 23. September 2009, archiviert vom Original am 22. September 2009; abgerufen am 24. Juni 2019 (Originalwebseite nicht mehr verfügbar).
  17. Rasterfahndung – Das Raster in der Kunst nach 1945 beim Wienand Verlag Köln