Focke-Wulf Fw 200
Focke-Wulf Fw 200 OY-DAM Dania
Fw 200 der dänischen Det Danske Luftfartselskab A/S, (1939)
Typ Langstreckenverkehrsflugzeug/
Seeaufklärer, Fernbomber
Entwurfsland

Deutsches Reich NS Deutsches Reich

Hersteller Focke-Wulf-Flugzeugbau
Erstflug 6. September 1937
Stückzahl 276

Die Focke-Wulf Fw 200Condor[A 1] (von den Alliierten auch als „Kurier“ bezeichnet) ist ein viermotoriges Tiefdecker-Langstreckenverkehrsflugzeug für 26 Passagiere und vier Mann Besatzung, das von Andreas von Faehlmann und Ludwig Mittelhuber[1] bei Focke-Wulf in Bremen entwickelt wurde. Von den 276 gebauten Fw 200 verwendete die Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg 263 Maschinen als Seeaufklärer, Fernbomber und Transportflugzeug.

Geschichte

Zivile Nutzung

Mitte der 1930er-Jahre benötigte die Deutsche Lufthansa (DLH) als führendes deutsches Luftfahrtunternehmen als Ersatz für die robuste, aber zu kleine und technisch veraltete Junkers Ju 52 („Tante Ju“) ein modernes Verkehrsflugzeug. Ein solches Flugzeug wollte die Bremer Firma Focke-Wulf-Flugzeugbau entwickeln und bauen. Ohne Auftrag begann Focke-Wulf im Januar 1936 mit ersten Entwurfsarbeiten; der im Juli 1936 vorgelegte Entwurf der Fw 200 wurde im August 1936 vom Reichsluftfahrtministerium (RLM) genehmigt, Konstruktion und Bau eines Prototyps konnte beginnen. Der offizielle Erstflug erfolgte am 6. September 1937. Nach Beseitigung von Mängeln und Nachbesserungen wurde die Fw 200 „Condor“ ab Mitte 1938 von der Lufthansa in den Liniendienst übernommen. Allerdings nicht lange, denn 1939/1940 mussten die zivilen Fw 200 an die Luftwaffe abgegeben werden. Außer bei der Lufthansa wurde die Fw 200 auch von der dänischen Det Danske Luftfartselskab (DDL) und der brasilianischen Cruzeiro do Sul betrieben.

Am 10. August 1938 flog die Fw 200 V1 „Condor“ (D-ACON, Lufthansa-Taufname „Brandenburg“), Werk-Nr. 2000, der Lufthansa unter dem Kommando von Flugkapitän Alfred Henke und mit Hauptmann Rudolf von Moreau (2. Pilot), Paul Dierberg (Oberfunker-Maschinist) und Walter Kober (Oberflugzeugfunker) als erstes landgestütztes Passagierlangstreckenflugzeug nonstop die 6371,302 Kilometer lange Strecke von Berlin-Staaken zum Floyd Bennett Field in New York City in 24 Stunden, 56 Minuten und 12 Sekunden; dies entsprach einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 255,499 km/h. Auf dem Rückflug vom Floyd Bennett Field nach Berlin-Tempelhof legte die Maschine eine Strecke von 6392 km in 19 Stunden und 55 Minuten zurück; dies entsprach einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 321 km/h.

Böttcherstraße (Bremen), Gedenktafel Condor Rekordflug
Focke-Wulf Fw 200 B „Condor“ der Lufthansa (Modell)

Beide Flüge wurden von der FAI als Flugweg-Rekorde zweiter Kategorie (Rekord mit Besatzung), anerkannt.[2]

Am 28. November 1938 startete die D-ACON mit derselben Besatzung und mit Bordwart Georg Kohne (Focke-Wulf) und Konsul Heinz Junge (Direktor der Focke-Wulf-Flugzeugbau GmbH Berlin) von Berlin-Tempelhof aus zu einem weiteren Rekordflug mit drei Zwischenlandungen in Basra, Karatschi und Hanoi nach Tokio (Ankunft in Tokio am 30. November 1938). Bei diesem Flug flog die Condor insgesamt 13.844 km in 46 Stunden und 18 Minuten. Dies entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 192 km/h (incl. Bodenzeiten in Basra, Karachi und Hanoi).[3] Auf dem Rückflug musste D-ACON in der Cavite-Bucht vor Manila am 6. Dezember 1938 wegen eines Defektes der Treibstoffleitung notwassern.

Am 27. Juni 1939 startete die D-AXFO mit Flugkapitän Alfred Henke und Flugkapitän Günther Schuster zum ersten Flug eines Landflugzeuges von Deutschland nach Südamerika (11.100 km, Flugzeit 34:48 h). Dabei überquerte sie den Südatlantik von Banjul in Gambia (damals Bathurst) nach Natal in der Rekordzeit von 9:47 h und erreichte am 29. Juni 1939 Südamerika.[4]

Die Fw 200 „Condor“ konnte im Liniendienst mit 30 Personen an Bord 1500 Kilometer weit fliegen.[5]

Militärische Nutzung

Fw 200 C-3 (Luftwaffenversion)
Focke-Wulf Fw 200 C (Luftwaffenversion)

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Fw 200 für militärische Zwecke mit mäßigem Erfolg modifiziert. Sie war als Seeaufklärer und Fernbomber konstruktionsbedingt nur eine Notlösung.[6] In Ausnahmefällen diente sie mit U-Booten dem maritimen Gefecht der verbundenen Waffen.

Die sogenannten Führermaschinen Adolf Hitlers waren ebenfalls umgebaute Fw 200. Die Fw 200 C-4/U1, W.Nr. 0137, Stammkennzeichen CE+IB, war mit einem speziellen Sesselfallschirm und einer Notluke ausgerüstet, über die Hitler hätte aussteigen können.

Die Arbeit an der Umkonstruktion zum Bomber begann 1939 auf Ersuchen der an einem solchen Projekt interessierten Kaiserlich Japanischen Heeresluftstreitkräfte. Diese Version hatte stärkere Triebwerke und erhielt die Bezeichnung Fw 200 C; vor der Fertigstellung der ersten Maschine brach jedoch der Krieg aus, und das Projekt wurde sofort von der deutschen Luftwaffe für den Einsatz als Seeaufklärer aufgegriffen. In der Zwischenzeit wurden die zivilen Fw 200 B und die wenigen Nullserienmaschinen der C-Reihe als Transportmaschinen in den Truppendienst geholt.

Während der Schlacht von Stalingrad gingen neun Condor-Frachtmaschinen verloren. Die Fw 200 C-3/U2, WNr. 0034, fiel auf dem Flugplatz Pitomnik sowjetischen Truppen intakt in die Hände und wurde am Forschungsinstitut der Luftstreitkräfte umfassend getestet.[7] Drei weitere bei Kriegsende in Produktionsstätten in unfertigem Zustand vorgefundene Exemplare wurden mit Hilfe deutscher Arbeitskräfte komplettiert und bis 1950 bei der Aviaarktika eingesetzt.[8] Die Serienfertigung wurde bis Anfang 1944 mit den Nachfolgemustern C-1, -2, -3, -4, -6 und -8 fortgesetzt, insgesamt wurden 263 Flugzeuge der militärischen Varianten gebaut, die fast alle im Kampfgeschwader 40 zum Einsatz kamen.

Keines der Baumuster erlangte jedoch Bedeutung als schwerer Bomber, was an den grundsätzlichen Eigenschaften des Flugzeugs lag, deren Umkonstruktion einer Neuentwicklung gleichgekommen wäre.

Mit den einzelnen Baumustern wurden zwar stufenweise einzelne Schwächen behoben, die Fw 200 war aber niemals als strategisches Frontflugzeug tauglich.

Mit ihrer Reichweite konnte sie lange und großflächig den Atlantik und das Nordpolarmeer abfliegen und mit dem „Hohentwiel“-Radar Schiffe orten und überraschend angreifen, wie zum Beispiel im Oktober 1940 die Empress of Britain vor der Nordwestküste Irlands. Churchill bezeichnete sie deshalb als „Geißel des Atlantiks“. Flugkapitän Werner Thieme berichtete, dass der längste Flug 15 Stunden und 56 Minuten dauerte und von Vaernes nach Germania Land in Grönland reichte, wo die Besatzung ein eingefrorenes Wetterschiff der Kriegsmarine mit Nachschub versorgte. Dazu wurde per Hand zusätzlicher Treibstoff aus vier 200-Liter-Fässern in die Treibstofftanks umgepumpt.

Gegen Kriegsende, als die Überfalltaktik der Fw 200 an Wirksamkeit verloren hatte, wurden einige Condor wieder zu Transporteinsätzen für Hitler und seinen Stab abkommandiert. Eine geplante Entwicklung mit größerer Spannweite und V-Motoren größerer Leistung, die Fw 300, kam über das Entwurfsstadium nicht hinaus.

Varianten

Zwischenfälle

Wiederaufbau

Focke-Wulf 200 am Flughafen Tempelhof

Von 2002[23] bis 2021 wurde im Airbus-Werk Bremen (80 % der Arbeiten und etwa 50 Mitarbeiter) sowie bei Lufthansa Technik in Hamburg und bei Rolls-Royce Deutschland im Werk Oberursel eine Fw 200, die am 26. Mai 1999 im Trondheimfjord im Auftrag des Deutschen Technikmuseums Berlin gehoben wurde, restauriert und wiederaufgebaut. Das Flugzeug war am 22. Februar 1942 von Flugkapitän Werner Thieme wegen des Defektes einer Landeklappe, der eine reguläre Landung unmöglich machte, im Fjord notgelandet worden. Alle sechs Besatzungsmitglieder konnten sich retten.

Das 1981 von norwegischen Geologen in fast 60 Metern Tiefe entdeckte[24] und unter Wasser stabil aussehende Wrack zerbrach 1999 bei der Bergung am Hebekran. Ende 2009 wurden zudem Teile einer in der Nähe von Voss (Hordaland) in Norwegen abgestürzten Maschine geborgen, die für den Wiederaufbau verwendet werden konnten.[25]

Bei Lufthansa-Technik wurden das Heck und das Fahrwerk gebaut. 2011 wurde das Innenstück der linken Tragfläche fertiggestellt; später folgten Außenflügel und Klappen.[26] Dann folgte die rechte Tragfläche. Eingebaut sind zwei originale Bramo-Motoren, die vermutlich von einer Dornier Do 24 stammen.

Wegen fehlender originaler Konstruktionspläne und detailreicher Fotografien gestaltete sich der Wiederaufbau aufwendig, da vieles nachkonstruiert werden musste. Bis 2021 wurde das Flugzeug von etwa 60 ehrenamtlichen Helfern fertiggestellt, meist Flugzeugbauern im Ruhestand. Das Flugzeug ist seit der Rekonstruktion das einzige existierende Exemplar dieses Typs und wurde zerlegt vom 16. bis zum 24. Juni[27] des Jahres zu seinem Aufstellungsort im ehemaligen Flugplatz Berlin-Tempelhof überführt und wurde dort zusammengebaut.[28] Das Flugzeug ist derzeit nur im Rahmen einer Führung zu besichtigen.[29]

Technische Daten

Kenngröße Daten der Fw 200 C-3
Besatzung 6
Länge 23,85 m
Spannweite 32,84 m
Höhe 6,30 m
Flügelfläche 118 m²[24]
Flügelstreckung 9,1
Leermasse 17.005 kg
Startmasse 24.520 kg
Reisegeschwindigkeit 280 bis 297 km/h
Höchstgeschwindigkeit 406 km/h in 5.000 m Höhe
Flughöhe 6.450 m bei 22 t Masse, 8.400 m bei 17,6 t Masse
Dienstgipfelhöhe 7.350 m
max. Reichweite 4.490 km in 4.000 m, C-3/U2 bis zu 6.400 km
Triebwerke vier Sternmotoren Bramo 323R-2 mit je 1.000 PS (735 kW) bzw. 1.100 PS (809 kW) Startleistung

Siehe auch

Literatur

Anmerkungen

  1. Nach damaliger Firmentradition trugen alle Focke-Wulf-Flugzeuge intern Vogelnamen.

Belege

  1. Marton Szigeti: Focke-Wulf Fw 200 – Erstflug am 6. September 1937. In: Klassiker der Luftfahrt Nr. 6/2017, S. 20ff.
  2. „Condor“-Rekord-Flüge Berlin – New York – Berlin, Deutsche Lufthansa AG, Köln, Firmenarchiv
  3. „Condor“-Rekord-Flug Berlin – Tokio, Deutsche Lufthansa AG, Köln, Firmenarchiv
  4. Deutsche Wochenzeitschrift 1939
  5. Lufthansa, DLH 3050-14-3
  6. Johann Althaus: Focke-Wulf Fw-200: Elegant, aber als Bomber ungeeignet. In: DIE WELT. 28. Juni 2021 (welt.de [abgerufen am 27. Oktober 2021]).
  7. Andrei Alexandrov, Gennadi Petrov: Die deutschen Flugzeuge in russischen und sowjetischen Diensten 1914–1951. Band 2. Tussa, Illertissen, ISBN 3-927132-45-4, S. 188.
  8. Wladimir Kotelnikow: Fw 200 in Russland. Deutscher Beutevogel in der Arktis. In: Klassiker der Luftfahrt. Nr. 3, 2016, S. 48–53.
  9. Aero S. 2844
  10. Green S. 223/4
  11. Smith S. 3
  12. Green S. 224/5
  13. Green S. 225
  14. Green S. 225/6
  15. Green S. 227
  16. a b Green S. 227/8
  17. Green S. 229
  18. Green S. 230
  19. Flugunfalldaten und -bericht Focke-Wulf Fw 200 D-AMHL im Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 18. März 2022.
  20. Flugunfalldaten und -bericht Focke-Wulf Fw 200 D-ARHW im Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 18. März 2022.
  21. Unfallbericht Fw 200 OY-DEM, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 1. Dezember 2017.
  22. Unfallbericht Fw 200 PP-CBI, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 2. November 2015.
  23. Die Restaurierung der legendären Fw 200 Condor. Abgerufen am 24. Oktober 2021.
  24. a b Jürgen Molkenthin: Focke Wulf Fw 200: Die Restaurierung der weltweit letzten „Condor“. Vortrag bei der DGLR Bezirksgruppe Hamburg. Hrsg.: Condor Team Bremen. 13. März 2008 (haw-hamburg.de [PDF; 3,4 MB]).
  25. Artikel auf trefall.net Deutscher Bericht hierzu und hier (Memento vom 16. Mai 2005 im Internet Archive)
  26. Mitteilung des Pressedienst Bremen vom 19. Januar 2012 (Memento vom 4. Januar 2018 im Internet Archive)
  27. Jan Frieben: Restaurierte Fw 200 Condor. Auf die Reise geschickt. In: Flugzeug Classic Nr. 10/2021, GeraMond, München, ISSN 1617-0725, S. 60–64.
  28. Ein Stück Luftfahrtgeschichte für den Flughafen Tempelhof. 23. Juni 2021, abgerufen am 27. Oktober 2021.
  29. Zeugnisse der Luftfahrtgeschichte. Condor, Iljuschin und C-54 am Flughafen Tempelhof. Abgerufen am 9. März 2024 (deutsch).