Chesterton bei der Arbeit (ohne Datum)
Gilbert K. Chesterton, 1914

Gilbert Keith Chesterton, kurz oft G. K. Chesterton (* 29. Mai 1874 im Londoner Stadtteil Kensington; † 14. Juni 1936 in Beaconsfield), war ein englischer Schriftsteller und Journalist. Er ist heute vor allem bekannt durch eine Reihe von Kriminalromanen um die Figur Pater Brown.

Leben

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Chesterton mit 17

Gilbert K. Chesterton wurde 1874 in Campden Hill im Londoner Stadtteil Kensington als Sohn eines Londoner Häusermaklers geboren. Die Familie war protestantischen Glaubens und gehörte der Gemeinschaft der Unitarier an.

Er wurde an der St Paul’s School erzogen. Danach besuchte er die Slade School of Art, um Illustrator zu werden. Außerdem besuchte er Vorlesungen der Literaturwissenschaft am University College London, erwarb aber keinen Abschluss. 1896–1902 arbeitet Chesterton für den Londoner Verlag Redway, and T. Fisher Unwin. In diese Zeit fällt seine erste journalistische Arbeit als ein freiberuflicher Kunst- und Literaturkritiker. 1901 heiratete er Frances Blogg. 1902 erhielt Chesterton eine wöchentliche Kolumne in der Daily News, hinzu kam 1905 eine weitere wöchentliche Kolumne in The Illustrated London News, für die er die nächsten 30 Jahre schrieb.

Nach eigenen Angaben faszinierte ihn das Okkulte, und er experimentierte mit seinem Bruder Cecil mit Ouija.[1] Später wandte er sich wieder dem Christentum zu, was 1922 zu seinem Eintritt in die Römisch-katholische Kirche führte.[2]

Chesterton war etwa 1,93 m groß und wog um 134 kg. Sein Bauchumfang war Thema bekannter Anekdoten: So soll er zu seinem Freund George Bernard Shaw gesagt haben: „To look at you, anyone would think there was a famine in England.“ („Jeder, der dich ansieht, würde denken, dass es eine Hungersnot in England gäbe.“) Shaw gab zurück: „To look at you, anyone would think you caused it.“ („Wenn man dich ansieht, glaubt man, dass du sie verursacht hast.“)

Gewöhnlich trug er ein Cape und einen zerdrückten Hut, einen Stockdegen und hatte eine Zigarre aus dem Mund hängen. Er vergaß oft, wohin er wollte, und verpasste den Zug, der ihn dorthin bringen sollte. Es wird berichtet, dass er mehrfach seiner Frau von entfernten Orten Telegramme schickte wie „Am at Market Harborough. Where ought I to be?“ („Bin in Market Harborough. Wo sollte ich sein?“), worauf sie antwortete: „Home“ („zu Hause“).[3]

Chesterton war von 1930 bis 1936 Präsident des Detection Club, einer Vereinigung von Kriminalautoren, die Regeln für einen „fairen Kriminalroman“ erstellten.

Gilbert K. Chesterton starb 62-jährig am 14. Juni 1936 in seinem Haus in Beaconsfield in Buckinghamshire. Die Homilie bei Chestertons Totenmesse in der Westminster Cathedral wurde von Ronald Knox gehalten. Er wurde in Beaconsfield auf dem katholischen Friedhof begraben. Chestertons Nachlass wurde auf 28.389 Pfund Sterling geschätzt, was heute etwa 2,6 Millionen US-Dollar entspräche.

Telegramm von Papst Pius XI. zum Tod von Chesterton

Im August 2013 wurde sein Seligsprechungsprozess auf diözesaner Ebene in seinem Heimatbistum Northampton eröffnet.[4] Bischof Peter Doyle teilte im August 2019 jedoch mit, dass das Seligsprechungsverfahren wegen Chestertons Mangel an persönlicher Spiritualität nicht weiter verfolgt werde.[5]

Wirkung und Positionen

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In seinen Romanen, Essays und Kurzgeschichten setzte sich Chesterton intensiv mit modernen Philosophien und Denkrichtungen auseinander. Bekannt sind seine oft gewagten Gedankensprünge und sein Zusammenbringen scheinbar unvereinbarer Ideen, oft mit überraschenden Ergebnissen. Seine Argumentationsweise ist plakativ als „geistiger Husarenritt“ bezeichnet worden.

Chesterton führte öffentliche Debatten unter anderem mit G. B. Shaw, H. G. Wells, Bertrand Russell und Clarence Darrow. Sein vielleicht wichtigster Diskussionspartner war Shaw, mit dem ihn eine herzliche Freundschaft bei gleichzeitiger Ablehnung von dessen Ansichten verband. Nach seiner Autobiografie spielten er und Shaw Cowboys in einem Stummfilm, der allerdings nie veröffentlicht wurde. Er bekämpfte verschiedene Ideen und Theorien, die Anfang des 20. Jahrhunderts oft und gerne vertreten wurden, vor allem äußerte er sich gegen Euthanasie und Rassenkunde sowie gegen jede Vorstellung einer Eugenik. Mit den Gedanken Nietzsches zum Übermenschen setzte er sich kritisch auseinander. Er lehnte den britischen Kolonialismus ab und unterstützte die irische Unabhängigkeit.

„Drei Morgen Land und eine Kuh“ (Zeichnung von Chesterton)

Chesterton bewunderte das Mittelalter, das seiner Meinung nach in der Neuzeit oft unfair negativ dargestellt wurde. Er setzte sich dafür ein, dass die Demokratie auf Grund ihres eigenen Wesens auf die Stimme der Armen und Slumbewohner hören solle, anstatt von oben herab „zu ihrem Besten“ über sie zu entscheiden („Anstatt uns zu fragen, was wir mit den Armen machen sollen, sollten wir uns lieber fragen, was die Armen mit uns machen werden.“)

Wirtschaftspolitisch forderte er eine Begrenzung der Macht des Großkapitals bei gleichzeitiger Förderung des Kleineigentums („Jedermann sollte eine Kuh und drei Morgen Land besitzen können“, „Das Problem des Kapitalismus ist nicht, dass es zu viele, sondern dass es zu wenige Kapitalisten gibt.“) Er nannte dies Distributismus, der sich bei ihm dadurch auszeichnet, dass das Eigentum an Produktionsmittel neu verteilt wird, so dass jede Familie ihren Lebensunterhalt eigenständig entwickeln kann. Nach Chesterton ist der Mensch für ein freies, aber auch hartes Leben auf dem Land bestimmt.[6]

Seine Opposition gegenüber dem Kapitalismus mündete in antisemitische Denkmuster: So sah er Kapitalismus und Marxismus als Instrumente der Juden zur Erlangung der Weltherrschaft, war der Ansicht, der Burenkrieg würde aufgrund der finanziellen Interessen der Juden in Südafrika geführt, und sprach sich in der Zeitschrift The New Witness gegen eine Politik aus, die Juden den Aufstieg in Politik und Gesellschaft ermöglichte. In seiner Schrift The New Jerusalem (1920) befürwortete er die Schaffung einer Heimstatt für die Juden. Chesterton wandte sich jedoch auch gegen die Ideologie des Nationalsozialismus.

Nach seinem Tod wurde er von Papst Pius XI. mit dem Titel Fidei defensor (Verteidiger des Glaubens) geehrt. Diese Ehrenbezeichnung war vormals dem englischen König Heinrich VIII. verliehen worden, als dieser mit Hilfe des hl. Thomas Morus eine Schrift zur Verteidigung des katholischen Glaubens vorgelegt hatte. Chesterton hat den Glauben in einer Vielzahl von entschiedenen, sehr pointierten und originellen Schriften bezeugt. Dieser umfangreiche Aspekt seines Wirkens ist in Deutschland weitgehend unbekannt geblieben, während Chesterton in der englischsprachigen Welt als bedeutender Apologet der katholischen Kirche gilt.

Literarisches Schaffen

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Chesterton schrieb Gedichte, Bühnenstücke, meist aber Prosa: Essays, zahlreiche Erzählungen und Romane. Von manchen Kritikern hochgelobt wurden die von ihm verfassten Biografien, beispielsweise über den hl. Thomas von Aquin, den hl. Franziskus, Charles Dickens, Robert Louis Stevenson und George Bernard Shaw.

Sein kurzer Roman The Man Who Was Thursday von 1908 (dt. 1910 als Der Mann, der Donnerstag war) ist eine politische Satire, die der Phantastischen Literatur zugerechnet werden kann: Ein Komplott anarchistischer Terroristen am Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt sich darin, unter zunehmender Verfremdung der Wirklichkeit, in ein verrückt-göttliches Spektakel. Wie in anderen seiner Schriften wendet sich Chesterton auch in diesem Roman theologisch-philosophischen Fragen zu.

Father Brown

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Chestertons bekannteste literarische Schöpfung ist Father Brown (in älteren deutschen Übersetzungen falsch als „Pater Brown“ übersetzt), der im Mittelpunkt von insgesamt 49 Kurzgeschichten steht, deren erste 1910 erschien und die in fünf Bänden herausgegeben wurden. Brown ist ein Geistlicher, der mit psychologischem Einfühlungsvermögen und durch logische Schlüsse auch die scheinbar mysteriösesten Kriminalfälle löst. Im Gegensatz zu anderen bekannten Romanhelden wie Sherlock Holmes und Agatha Christies Hercule Poirot steht bei Brown nicht so sehr die äußere Logik des Tatherganges, sondern die innere Logik und Motivation des Täters im Vordergrund. 1953 spielte Alec Guinness den detektivischen Seelsorger in Die seltsamen Wege des Pater Brown (Father Brown). Nicht zuletzt aus dieser Begegnung mit Chesterton resultierte später Guinness’ eigene Konversion zur katholischen Kirche. Durch die Verfilmung der Pater-Brown-Kriminalkurzgeschichten mit Heinz Rühmann wurde Chestertons Werk in den 1960ern auch in Deutschland bekannt. Allerdings sind jene Filme in vieler Hinsicht dem Geschmack der deutschen 1950/60er angepasst worden. Zwischen 1966 und 1972 entstanden für die österreichisch-deutsche Fernsehserie Pater Brown 39 sehr werkgetreue Verfilmungen mit Josef Meinrad in der Hauptrolle.

Deutsche Editionen

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Ältere deutsche Übersetzungen von Chestertons Büchern wurden teilweise dem deutschen Publikumsgeschmack entsprechend abgemildert und dadurch verfälscht. Erst Anfang der 1990er Jahre brachte der Haffmans Verlag originalgetreuere deutsche Ausgaben der Father-Brown-Geschichten heraus, für die Hanswilhelm Haefs übersetzt hatte. 1998 und 2000 veröffentlichte der Eichborn Verlag in seiner Reihe Die Andere Bibliothek zwei Sammlungen von Essays Chestertons: Ketzer und Orthodoxie. In den letzten Jahren produziert der Bonner nova & vetera Verlag[7] ebenfalls weitgehend originaltreue Erst- und Neuübersetzungen des Chestertonschen Werks.

Bibliografie

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Erzählungen um Father Brown

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The Innocence of Father Brown (1911)

Deutsch:

The Wisdom of Father Brown (1914)

Deutsch:

The Incredulity of Father Brown (1926)

Deutsch:

The Secret of Father Brown (1927)

Deutsch:

The Scandal of Father Brown (1935)

Deutsch:

Außerhalb von Sammlungen erschienen:

Sammelbände und postume Zusammenstellungen

Obenstehende Sammelbände mit Father-Brown-Geschichten sind eine kleine Auswahl aus der sehr großen Zahl solcher Zusammenstellungen, sowohl englischer wie deutscher. Die Sammlungen sind selten vollständig, insbesondere fehlen meist die beiden außerhalb der von Chesterton zusammengestellten 5 Bände (The Donnington Affair und The Mask of Midas). Die im Rahmen der Collected Works 2005 in 2 Bänden erschienene Ausgabe ist vollständig.

Die deutschen Übersetzungen von Hanswilhelm Haefs sind nach der Erstausgabe bei Haffmanns seither im Area Verlag, Erftstadt, und als Taschenbuch bei Suhrkamp aufgelegt worden.

Romane

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The Napoleon of Notting Hill 1904

Erzählungen, Prosa-Sammlungen

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The Club of Queer Trades (1905)

Deutsch: Der geheimnisvolle Klub. Übersetzt von Rudolf Nutt. Musarion-Verlag, München 1928, DNB 572596197. Auch als: Der Club für bizarre Berufe : Londoner Erzählungen. Übersetzt von Jakob Vandenberg. Elsinor-Verlag, Coesfeld 2011, ISBN 978-3-939483-19-9.

The Man Who Knew Too Much (1922)

Deutsch: Der Mann, der zuviel wusste. Übersetzt von Clarisse Meitner. Musarion Verlag, München 1925, DNB 572596286. Auch als: Der Mann, der zu viel wusste : Kriminalgeschichten. Nachwort von Elmar Schenkel. Übersetzt von Renate Orth-Guttmann. Manesse-Verlag, Zürich 2011, ISBN 978-3-7175-2228-7.

Tales of the Long Bow (1925)
Stories (1928)
The Poet and the Lunatics : Episodes in the Life of Gabriel Gale (1929)

Deutsch: Der Dichter und die Verrückten : Episoden aus d. Leben von Gabriel Gale. Übersetzt von Gertrud Jahn. Herder-Bücherei #121, Freiburg i. Br., Basel und Wien 1962, DNB 450774996.

The Moderate Murderer, and the Honest Quack (1929)
The Ecstatic Thief (1930)
Four Faultless Felons (1930)

Deutsch: Vier verehrungswürdige Verbrecher. Mit einem Nachwort von Matthias Marx. Übersetzt von Matthias Marx und Boris Greff. Die Andere Bibliothek #374, Berlin 2016, ISBN 978-3-8477-0374-7.

The Floating Admiral, with others (1931)
The Paradoxes of Mr. Pond (postum 1937)

Deutsch: Die Paradoxe des Mr. Pond und andere Überspanntheiten. Nachwort von Matthias Marx. Übersetzt von Matthias Marx und Boris Greff. Die Andere Bibliothek #332, Berlin 2012, ISBN 978-3-8477-0332-7.

Daylight and Nightmare : Uncollected Stories and Fables (postum 1986, hrsg. von Marie Smith)

Lyrik

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Kurzgeschichten

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1905:

1908:

1909:

1911:

1920:

1922:

1928:

1931:

1937:

Theaterstücke

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Biografien

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Essaysammlungen

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Werkausgaben

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Literatur

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Wikisource: Gilbert Keith Chesterton – Quellen und Volltexte
Commons: Gilbert Keith Chesterton – Sammlung von Bildern und Audiodateien
Wikiquote: Gilbert Keith Chesterton – Zitate

Einzelnachweise

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  1. Autobiography, Kapitel IV
  2. Christian Heidrich: Die Konvertiten. Über religiöse und politische Bekehrungen. Hanser Verlag, München 2002, ISBN 3-446-20147-5, hier: S. 82–99.
  3. Maisie Ward: Gilbert Keith Chesterton. Sheed & Ward, London 1944, Kapitel XV.
  4. G. K. Chesterton könnte seliggesprochen werden. In: kath.news. 9. August 2013, abgerufen am 9. August 2013.
  5. Dabei hat der “Fat Guy” über jedem Glas Whisky das Kreuz geschlagen. In: kath.news. 9. August 2019, abgerufen am 12. September 2019.
  6. Süddeutsche Zeitung: Drei Morgen Land, eine Kuh. Abgerufen am 15. Juni 2020.
  7. http://www.novaetvetera.de/
  8. Verlagsseite der Werkausgabe, abgerufen am 19. August 2020.
Personendaten
NAME Chesterton, G. K.
ALTERNATIVNAMEN Chesterton, Gilbert Keith (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG englischer Schriftsteller
GEBURTSDATUM 29. Mai 1874
GEBURTSORT Kensington, London, England
STERBEDATUM 14. Juni 1936
STERBEORT Beaconsfield