Gerhard Wietek (* 23. Juni 1923 in Tscherbeney[1] bei Bad Kudowa, Landkreis Glatz, Provinz Niederschlesien; † 28. Mai 2012 in Hamburg[2]) war ein deutscher Kunsthistoriker und Landesmuseumsdirektor von Schleswig-Holstein. Sein wissenschaftliches Wirken galt überwiegend der Malerei Norddeutschlands und dem deutschen Expressionismus. Zahlreiche seiner Publikationen beschäftigen sich mit dem Werk des Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff.

Leben

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Nach dem Abitur 1941 an der Graf-Götzen-Oberschule[3] in der Kreisstadt Glatz wurde Gerhard Wietek zunächst zum Arbeitsdienst und anschließend zum Kriegsdienst einberufen, aus dem er nach zwei Jahren wegen einer schweren Verwundung entlassen werden musste. Im Wintersemester 1944/45 begann er ein Studium der Medizin an der Universität Rostock. Im Februar 1945 floh er aus seiner Heimat über Prag nach Westdeutschland. Ab dem Wintersemester 1945/46 setzte er an der Universität Kiel das Medizinstudium fort, musste es jedoch wegen der Folgen der Kriegsverletzung aufgeben. Ab dem Sommersemester 1946 studierte er – ebenfalls an der Universität Kiel – Kunstgeschichte, Literatur, Geschichte, und Philosophie. Nach vier Semestern setzte er das Studium an der Universität Erlangen fort. Anschließend war er Doktorand am Kunsthistorischen Institut der Universität Kiel. Für die Dissertation führte er u. a. eine Studiendreise nach Italien und einen mehrwöchigen Forschungsaufenthalt am Goethe-Nationalmuseum Weimar durch. 1951 promovierte er bei Richard Sedlmaier mit der Arbeit „Goethes Verhältnis zur Architektur“ zum Dr. phil.[4] Die Dissertation befand sich 1959 beim Insel-Verlag in Leipzig bereits im Druck. Wegen der Verschärfung des politischen Klimas wurde die Veröffentlichung jedoch verweigert[5]; der entsprechende Antrag wurde am 23. Juni 1960 durch das DDR-Ministerium für Kultur endgültig abgelehnt.[6]

Nach einem Volontariat am Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum auf Schloss Gottorf begann Gerhard Wietek 1954 seine Museumslaufbahn am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Ein Jahr später wurde er an das Niedersächsische Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Oldenburg berufen. Als dessen Kustos veröffentlichte er 1956 eine Monografie über das Oldenburger Land. Ebenfalls 1956 begegnete er im Blauen Haus in Hofheim am Taunus der Malerin und Kunstsammlerin Hanna Bekker vom Rath erstmals Karl Schmidt-Rottluff.

1957 kuratierte Gerhard Wietek für den Oldenburger Kunstverein die bahnbrechende Ausstellung „Maler der Brücke in Dangast von 1907 bis 1912“, in der u. a. Werke von Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Max Pechstein und Emma Ritter gezeigt wurden. Die Ausstellung, mit der auch die kunstgeschichtliche Bedeutung des Nordseebades Dangast gezeigt werden konnte, trug wesentlich zur nachfolgenden Forschung über die Künstlergruppe Die Brücke bei.[7]

1959 wurde Wietek als Nachfolger von Günther Grundmann Direktor des Altonaer Museums in Hamburg, an dem er umfangreiche Aufbauarbeit leistete, die auch die deutsch-dänische Vergangenheit Altonas sowie die Beziehungen der Expressionisten nach Hamburg und Schleswig-Holstein umfasste. Am Altonaer Museum befindet sich auch die von ihm zusammengetragene Sammlung gemalter Künstlerpostkarten der Klassischen Moderne.

1977 wurde Wietek „in Anerkennung seiner für Schleswig-Holstein besonders bedeutsamen Verdienste um die wissenschaftliche Erforschung der norddeutschen Kunstgeschichte und Volkskunde sowie um die lebende Darstellung des Kulturlebens im norddeutschen Raum“ mit der Ehrenprofessur des Landes Schleswig-Holstein ausgezeichnet.[8]

1978 wurde er zum Landesmuseumsdirektor des Landes Schleswig-Holstein berufen. Zugleich übernahm er die Leitung des Landesmuseums auf Schloss Gottorf. Im selben Jahr wurde ihm der Georg-Dehio-Kulturpreis verliehen.[9] 1996 erhielt er für seine Verdienste die Ehrengabe der Oldenburgischen Landschaft, die 2003 den Briefwechsel zwischen der Expressionistin Emma Ritter und Gerhard Wietek veröffentlichte. 1998 gab der „Freundeskreis Schloss Gottorf“[10] eine Bibliografie mit Wieteks Veröffentlichungen und Ausstellungskatalogen heraus. Während seiner Tätigkeit als Landesmuseumsdirektor Schleswig-Holsteins wurden acht Museen neu begründet.

Besondere Verdienste erwarb er sich um den Maler Georg Tappert, über den er 1980 eine umfassende Monografie mit dem Werkverzeichnis der Gemälde und 1996 ein Werkverzeichnis seiner Druckgrafik vorlegte. 2002 gelang es ihm, die „Georg-Tappert-Stiftung“ mit über 250 Gemälden und rund 5000 Zeichnungen zu begründen und an das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte anzugliedern.[11] 1990 gab er den Briefwechsel zwischen Franz Radziwill und dem Hamburger Kunsthistoriker Wilhelm Niemeyer heraus. Leben und Werk der Hamburger Kunsthistorikerin und -sammlerin Rosa Schapire wurden von ihm wiederentdeckt und publiziert.

Seit 1972 war Gerhard Wietek Mitglied der Sektion Literatur der Hamburger Freien Akademie der Künste.[12] In Anerkennung seiner Verdienste um die 1985 durchgeführte Tagung „Skandinavien und der deutsche Expressionismus“[13] verlieh ihm die dänische Königin Margarethe II. den Dannebrogorden.

Gerhard Wietek starb am 28. Mai 2012 in Hamburg. Aus seinem Nachlass erhielt das Niedersächsische Landesmuseum in Oldenburg 2013 eine Schenkung von mehr als 750 Autographen und anderen Schriftstücken. Die Schenkung umfasst u. a. Künstlerkorrespondenzen aus den Jahren 1908 bis 1965, unter diesen etwa 450 Briefe und Postkarten von Karl Schmidt-Rottluff sowie Briefe der in Vechta geborenen Malerin Emma Ritter, die aus einer in Oldenburg und Eutin ansässigen Familie stammte.[14] Der schriftliche Nachlass wurde dem Deutschen Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum übergeben.[15]

Schriften (Auswahl)

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Werkverzeichnisse (Auswahl)

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Ausstellungskataloge (Auswahl)

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Die gelegentliche Angabe Grenzeck ist für das Geburtsjahr 1923 nicht korrekt. Der slawisch klingende Ortsname Tscherbeney, der historisch zum Böhmischen Winkel gehörte, wurde erst 1937 in Grenzeck umbenannt.
  2. Trauer um Gerhard Wietek (Zugriff=2017-05-11)
  3. Vormals Königliches Katholisches Gymnasium Glatz
  4. Angaben nach Lebenslauf in der am 10. Juni 1951 eingereichten Dissertation „Goethes Verhältnis zur Architektur“, S. 4f.
  5. Jörg Deuter: Gerhard Wietek, Oldenburger Jahre..., Fußnoten 4 und 4, S. 18.
  6. [1] Nr. 270
  7. Landesmuseum Oldenburg mit Fotos der Ausstellung
  8. Ehrenprofessoren auf der Website des Landes Schleswig-Holstein (Memento vom 22. März 2015 im Internet Archive)
  9. Dehio-Kulturpreis
  10. Freundeskreis Schloss Gottorf
  11. Bericht des Stiftungsrates über die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloß Gottorf für das Jahr 2003. (PDF; 255 kB) Abgerufen am 28. Oktober 2015.
  12. Akademiemitgliedschaft
  13. Gottorfer Gespräch, Bd. 3, S. 79–96, Schleswig 1985
  14. Teilnachlass Gerhard Wietek
  15. [2].
  16. = Briefwechsel Emma Ritter / Gerhard Wietek
Personendaten
NAME Wietek, Gerhard
ALTERNATIVNAMEN Wietek, Gerd; Wietek, Gert
KURZBESCHREIBUNG deutscher Kunsthistoriker, Museumsmitarbeiter und Ausstellungskurator
GEBURTSDATUM 23. Juni 1923
GEBURTSORT Tscherbeney, Landkreis Glatz, Provinz Niederschlesien
STERBEDATUM 28. Mai 2012
STERBEORT Hamburg