Gruppenbild mit Dame ist ein Roman von Heinrich Böll aus dem Jahr 1971. Das Erscheinen dieses Romans gab den Ausschlag, dass Böll 1972 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde.[1]

Inhalt

Der als Verf. bezeichnete Erzähler rekonstruiert anhand von Gesprächen mit Zeitzeugen und hinterlassenen Zeugnissen das Leben der Leni Pfeiffer.

Die Hauptfigur des Romans, Leni Pfeiffer, geborene Gruyten, ist eine intelligente und gutherzige, aber ungebildete Frau. Ihre Familie zählt zu Beginn der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zu den Gewinnern dieser Zeit. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wird die Familie von mehreren Schicksalsschlägen getroffen, und Leni ist schließlich fast ganz auf sich allein gestellt. Gegen Ende des Krieges arbeitet sie in einer Kranz- und Blumenbinderei und lernt dort den sowjetischen Kriegsgefangenen Boris Lvovitich Koltovskij kennen. Die beiden beginnen, obwohl dies verboten und außerordentlich gefährlich ist, eine Liebesbeziehung, und Leni bekommt kurz vor Ende des Krieges ein Kind von Boris. Dieser gerät durch unglückliche Umstände, für einen deutschen Kriegsgefangenen gehalten, in ein alliiertes Kriegsgefangenenlager und stirbt in einem französischen Bergwerk. – Die Schlusspartien des Romans spielen in der Nachkriegszeit und erzählen unter anderem von der Beziehung Lenis mit dem türkischen Gastarbeiter Mehmet. Diese Beziehung reflektiert die zentrale Romanepisode: Lenis Liebe zu dem russischen Kriegsgefangenen Boris, die ihr die Verunglimpfung „blonde Sowjet-Hure“ eingetragen hat. Leni zeigt sich unberührt von gesellschaftlichen Tendenzen, bestimmte Personengruppen auszugrenzen und „abfällig“ zu behandeln. „Abfall“ und „Abfälligkeit“ sind nach Aussage des Autors Schlüsselwörter des Romans.

Hintergrund

Der Roman ist eine Art poetische Dokumentation; man spricht auch von pseudodokumentarischer Konstruktion. Die meisten Dokumente sind fiktiv, aber es sind auch zahlreiche authentische Dokumente verarbeitet, u. a. aus den Akten der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (u. a. in Kapitel 8). Die Kriegsprosa Alois Pfeiffers (in Kapitel 4) stammt aus folgendem Werk: Kampferlebnisse aus dem Kriege an der Westfront 1940. Nach Schilderungen von Frontkämpfern hrsg. vom Generalstab des Heeres, Berlin 1941. – Böll selbst sagte im Juni 1971 zu seinem Roman: „Die Idee zu diesem Buch hat mich schon sehr lange beschäftigt, wahrscheinlich schon bei den meisten Romanen und Erzählungen, die ich bisher geschrieben habe. Ich habe versucht, das Schicksal einer deutschen Frau von etwa Ende Vierzig zu beschreiben oder zu schreiben, die die ganze Last dieser Geschichte zwischen 1922 und 1970 mit und auf sich genommen hat.“ Eine wichtige Rolle spielen der Luftkrieg sowie die Eroberung der Stadt – in der die Zentralfigur Leni Pfeiffer lebt – durch die Amerikaner am Ende des Zweiten Weltkriegs (aus vielen Details ist unschwer zu erkennen: Die zentralen Kapitel spielen in Bölls Heimatstadt Köln). Im September 1969 erklärte Böll in einem Rundfunkinterview: „Der eigentliche Aspekt des Krieges war für mich die Bombardierung der Städte. Das war vollkommener Irrsinn. Die Frauen und Kinder in den Städten hatten es ja viel, viel schlimmer als sogar ein Soldat an der Front.“

Die Figur der Nonne Rahel, genannt Haruspika, ist deutlich an Edith Stein angelehnt.[2]

Der Titel des Romans wurde von Annemarie Böll und Dieter Wellershoff erdacht.[3]

Rezensionen

Verfilmung

Das Buch wurde 1976/77 mit Romy Schneider als Leni Gruyten/Pfeiffer und Brad Dourif als Boris Koltowski verfilmt. Zum Ensemble gehörten ferner Vadim Glowna, Richard Münch, Witta Pohl, Kurt Raab, Rüdiger Vogler und Bettina Kenter. Regie führte der Jugoslawe Aleksandar Petrović, der 1967 für seinen Film Ich traf sogar glückliche Zigeuner bei den Festspielen in Cannes den Großen Preis erhalten hatte. Am Drehbuch hatte Böll zunächst mitgearbeitet, sich dann aber nicht mehr um das Projekt gekümmert, was vor allem die Hauptdarstellerin heftig kritisiert und beklagt hatte. Die Uraufführung fand am 26. Mai 1977 bei den Filmfestspielen in Cannes 1977 statt.

Ausgaben

Literatur

Rezensionen

Forschungsliteratur

Einzelnachweise

  1. Presseerklärung zur Verleihung des Nobelpreises für Literatur an Heinrich Böll 1972
  2. „Die zur Figur Rahel im Text verstreut mitgeteilten Details zeigen vielfach Übereinstimmungen mit Lebensdaten und -umständen der 1922 zur katholischen Kirche konvertierten und zwischen 1933 und 1938 dem Karmelitinnen-Kloster in Köln-Lindenthal angehörenden, jüdisch gebürtigen Nonne Edith Stein (1891–1942; Teresia Benedicta a Cruce).“ – Vgl. Werner Bellmann, Erläuterungen und Dokumente, S. 107; Heinrich Böll, Kölner Ausgabe, Bd. 17, S. 538, Kommentar
  3. Heinrich Vormweg: Der andere Deutsche Heinrich Böll. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000, S. 307.
  4. Teilbibliographie. 26. Juli 2011, abgerufen am 9. Dezember 2023.