Heinrich Bulthaupt

Alfred Heinrich Bulthaupt (* 26. Oktober 1849 in Bremen; † 20. August 1905 in Bremen) war ein deutscher Dichter, Schriftsteller, Bibliothekar und Theaterkritiker.[1]

Biografie

Ausbildung und Beruf

Bulthaupt war der Sohn des Bremer Lehrers Friedrich Heinrich Bulthaupt, Schulleiter der nach ihm benannten Bulthauptschule in der Neustadt und der Lehrerin Marie Lippmann (1820–1876). Er studierte Rechtswissenschaften an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, der Georg-August-Universität Göttingen, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Leipzig und trat bereits während seines Studiums als Dramatiker in Erscheinung. 1868 wurde er Mitglied der Burschenschaft Germania zu Würzburg. Nach seiner Promotion zum Dr. jur. im Jahr 1872 arbeitete er zunächst nicht als Jurist, sondern ging als Hofmeister eines jungen Russen nach Kiew. Von dort aus bereiste er den Nahen Osten, Tunis, Italien und Griechenland.

1875 kehrte Bulthaupt nach Bremen zurück und ließ sich dort vier Jahre als Rechtsanwalt nieder, ohne dass sein praktisches Interesse am Theater nachließ. Zum Jahreswechsel 1878/9 wurde er Leiter der damaligen Stadtbibliothek, der heutigen Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, deren Bestände er systematisch erweiterte und für die er mit der Eröffnung 1897 einen repräsentativen Neubau am Breitenweg erreichte.

Er nahm regen Anteil am kulturellen Leben seiner Heimatstadt und wirkte etwa an der Gestaltung von Festen im Konzerthaus Die Glocke mit. 1890 wurde er Präsident des Künstlervereins in Bremen.

Bulthaupts schriftstellerische Tätigkeit verlagerte sich zunehmend auf eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Theater. In seinen letzten Lebensjahren war er auch als Direktor des Wiener Burgtheaters im Gespräch und blieb bis zu seinem Tod ein gefragter Vortragsredner und Publizist.

Bulthaupt starb am 20. August 1905 an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde am 25. August 1905 im Hamburger Krematorium Ohlsdorf eingeäschert; die Urne wurde auf dem Riensberger Friedhof in Bremen beigesetzt.

Künstlerische Tätigkeit

Bulthaupts erstes Theaterstück war die in Jamben verfasste Tragödie Saul, die er bereits als Gymnasiast zu schreiben begonnen hatte und die 1870 in seiner Heimatstadt uraufgeführt wurde. Ihr folgte Ein corsisches Trauerspiel im Stil eines bürgerlichen Trauerspiels. Unter seinen späteren Tragödien sticht besonders Die Arbeiter (1877) hervor, ein Versuch, soziale Fragen der damaligen Gegenwart zu behandeln. Bulthaupt wagte sich auch an Adaptionen von Dramen der Weltliteratur. Er vollendete Schillers Fragment Die Malteser (1883) und bearbeitete Shakespeares Cymbeline (unter dem Titel Imogen, 1885) und Timon of Athens (Timon von Athen, 1892). Seine größten Erfolge als Dramatiker hatte Bulthaupt jedoch mit zwei kleinen Lustspielen, beides Einakter, die Ende des 19. Jahrhunderts oft auf deutschen Bühnen gespielt wurden. Zum einen war dies Die Copisten (1875), die Geschichte eines jungen Mädchens, das in einer Gemäldegalerie die Werke großer Maler kopiert. Ihr wird von einem älteren Kunstprofessor mangelndes Talent attestiert, weil sie eine Frau sei und besser den Kochlöffel als den Pinsel schwingen solle. Sie bewundert ein Gemälde des Professors und verliebt sich in ihn. Zum anderen schrieb Bulthaupt die Komödie Lebende Bilder (1880), dessen Handlung bereits einen komplexeren Aufbau aufweist. Wieder führt die bildende Kunst zur Liebe: Ein junges Paar stellt stumme Momentaufnahmen nach („lebende Bilder“) und kommt sich durch die körperliche Berührung näher.[2] Bulthaupts Interesse am Musiktheater schlug sich in mehreren Libretti nieder, die von bekannten Zeitgenossen wie Max Bruch oder Georg Schumann vertont wurden. Hervorzuheben sind die Oper in einem Akt Kain, die Einflüsse moderner Psychologie aufweist (Komponist: Eugen d’Albert), und die romantische Oper Das Käthchen von Heilbronn (Komponist: Carl Martin Reinthaler). Auch Bulthaupts formbedachte Lyrik (Durch Frost und Gluten, 1877) fand Beachtung bei seinen Zeitgenossen, während seinen Novellen mangelnde Originalität vorgeworfen wurde.

Wissenschaftliche Tätigkeit

Große Anerkennung erwarb sich Bulthaupt mit seinen theatertheoretischen Schriften, die heute jedoch über weite Strecken als veraltet gelten. Sein Hauptwerk ist die in Anlehnung an die Hamburgische Dramaturgie und über mehrere Jahre hinweg entstandene Dramaturgie des Schauspiels in vier Bänden. In ihr erweist er sich als ein strikter Gegner des aufkommenden Naturalismus. Im ersten Band analysiert er die Dramen Lessings, Goethes, Schillers und Kleists. Im zweiten Band widmet er sich ausschließlich Shakespeare und behandelt dann im dritten Band das Theaterschaffen von Grillparzer, Hebbel, Otto Ludwig, Karl Gutzkow und Heinrich Laube und skizziert die Entwicklung der deutschen Dramatik bis zur Gegenwart. Der vierte Band schließlich ist den Dramen von Henrik Ibsen, Ernst von Wildenbruch, Hermann Sudermann und Gerhart Hauptmann gewidmet. Das Deutsche Theater-Lexikon von 1889 vermerkt zu Bulthaupts eben erschienener Dramaturgie der Klassiker (unter diesem Titel wurden die ersten beiden Bände der Dramaturgie des Schauspiels zunächst herausgegeben): „ein erquickendes Werk für jeden gebildeten Theaterbesucher, welches nicht bei der Studirlampe auf der trügerischen Basis abstrakter Kunstgesetze, sondern aus lebendiger Berührung mit den weltbedeutenden Brettern entstanden ist.“[3] Bulthaupt war ferner der erste Nichtmusiker, der eine Dramaturgie der Oper – über Christoph Willibald Gluck, Richard Wagner und dessen Vorläufer – verfasste.

Privates Leben

Bulthaupt blieb unverheiratet und war nach diversen Berichten homosexuell. Er war u. a. eng befreundet mit dem Germanisten Heinrich Kraeger, dem Komponisten Franz von Holstein, dem Schriftsteller Wilhelm Henzen und dem späteren Düsseldorfer Regierungsrat Hermann von Wätjen.[4]

Ehrungen

Werke

Prosa und Lyrik

Dramen

Libretti

Vertonte Gedichte (Auswahl)

Theatertheoretische Arbeiten

Literatur

Einzelnachweise

  1. Lt. Namensindex der Leichenbücher im Staatsarchiv Bremen lautet der erste Vorname statt Alfred Alfried, vgl. dazu: https://die-maus-bremen.info/index.php?id=101
  2. Die Texte der beiden Lustspiele Die Copisten und Lebende Bilder sind online abrufbar unter: https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:6:1-215316 (Ausgabe: Reclams Universal-Bibliothek Nr. 1340; Leipzig ca. 1880).
  3. Adolf Oppenheim und Ernst Gettke (Hrsg.): Deutsches Theater-Lexikon. Eine Encyklopädie alles Wissenswerthen der Schauspielkunst und Bühnentechnik. Carl Reißner, Leipzig 1889, S. 145
  4. Bernd-Ulrich Hergemöller: Mann für Mann. Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und männlicher Sexualität im deutschen Sprachraum. MännerschwarmSkript-Verlag, Hamburg 1998, ISBN 3-928983-65-2. Überarbeitete Taschenbuchausgabe: Suhrkamp, Frankfurt 2001, ISBN 3-518-39766-4. Völlig neubearbeitete Ausgabe in zwei Bänden: LIT-Verlag, Münster 2010, ISBN 978-3-643-10693-3.