Helmut Schmidinger erhielt in den Jahren von 1982 bis 1987 seinen ersten musikalischen Unterricht in Musiktheorie bei Peter Schneeberger, Klavier bei Gertrud Jetschgo sowie Oboe bei Johann Wolfslehner an der Landesmusikschule Wels. Im Anschluss daran studierte er bis zum Jahr 1990 an der Universität Mozarteum Salzburg Klavier bei Heinz Walter und Oboe bei Arthur Jensen. Im selben Jahr legte er ebenda die Lehrbefähigungsprüfung in Klavier mit ausgezeichnetem Erfolg ab. In den Jahren von 1990 bis 1992 studierte er am Mozarteum Komposition bei Gerhard Wimberger und Hans-Jürgen von Bose. Nachdem er im Jahr 1992 im Rahmen eines internationalen Workshops für Neue Musik in Bad Ischl Kurse in Computermusik und Live-Elektronik bei Dexter Morill sowie Komposition bei Ernst Helmuth Flammer belegt hatte, beendete er sein Kompositionsstudium am Mozarteum und legte sein Kompositions-Diplom bei Gerd Kühr ebenda ab.[2]
Zu Gast in Tokyo, New York, Prag oder Paris und bei Festivals wie dem Luzern Festival, den Bregenzer Festspielen, dem Carinthischen Sommer oder dem Brucknerfest Linz zeigt Schmidinger sich als zur Tradition bekennender Komponist, der im inspirativen Dialog mit der Vergangenheit steht, diese über stetig neu definierte und originelle Referenzansätze beleuchtet und letztlich in seiner Personalsprache kommentiert. Damit wird er zeitgemäßer und lebendiger Kommunikation mit den Rezipienten gerecht – seinem Hauptanliegen als Komponist und Musiker. In der Tätigkeit als Notengrafiker und Editor älterer Werke findet der Bezug zur Musikgeschichte durch die unmittelbare Nähe zu den Quellen Entsprechung. Den Musikvermittler Schmidinger zeichnet intensive pädagogische Erfahrung aus, die er in kompositionspädagogischen Konzeptionen für Jugendliche und Studierende kreativ umsetzt. Konzertorganisationen (Welser Abonnementkonzerte, Treffpunkt Neue Musik, Jeunesse Wels) ergänzen seine Positionen im Musikleben.
In Graz wurde 2019 eine Musikschule nach ihm benannt.[3]
Mit “… between thin slices …” (Fünf Intermezzi für großes Orchester, Auftragswerk der Württembergischen Philharmonie Reutlingen) präsentierte Helmut Schmidinger 2010/11 sein op. 100. In Anspielung auf die reduzierte „Sandwich-Position“ zeitgenössischer Werke in aktuellen Konzertprogrammen (ein „Zwischendasein“ innerhalb vielgespielter Klassik-Standards) verbirgt sich dahinter klangsinnig-lyrische, perkussiv-packende und „zwischen den Zeilen“ irisierend-färbige Musik, die von Texten Goethes, Rilkes, Schillers und Bachmanns inspiriert ist. Der Incipit „zwischen“ ist diesen Gedichten gemeinsam. Literatur heranzuziehen, ist nur eine der Strategien in Schmidingers variantenreichem Agieren mit außermusikalischen Bezügen. Die Arbeitsvorgänge gestalten sich dabei unterschiedlich: Bestimmt in „… schickt sich wahrscheinlich nicht in einem so ernsten Konzert“ (2003/04) für Violine, Violoncello und Klavier die Idee des an Schnitzlers Leutnant Gustl orientierten „Inneren Monologs“ den musikalischen Duktus und die rhythmische Textur, so zieht Schmidinger in Das letzte Kapitel (2005) für Violine, Sprecher, kleine Trommel und Streichorchester (Auftragswerk des Wiener Concert-Vereins) die Idee zur Form des entlang des Texts geführten Stücks (Solokonzert) aus der inhaltlichen Gegenüberstellung von Individuum und Kollektiv in Kästners gleichnamiger Vorlage. Die als Chiffre fungierende Intervallkonstruktion widerspiegelt Kästners textlich inszenierte Zeitstufen. Anderes wiederum ergibt sich, wenn Schmidinger humorvolle Musik rund um Kochrezepte baut (Blunzenknödel, Gefülltes Gansl) oder Sprüche auf alten Mostpressen in Töne setzt („Wo der Bartl den Most holt“). Den „Originalton“ Mozarts oder Mahlers übernimmt er von deren „Wort-Kompositionen“ – sei es, dass Schmidinger in „… und mich nach ihm zu Tode sehnend“ (2010/11) (Oszillogramm für Sopran und Kammerensemble nach Brieftexten Gustav Mahlers an Anna von Mildenburg) „fiktive“ Seelenregungen der Mildenburg auf die „realen“ Briefe Mahlers folgen lässt, oder sei es, dass er im Mozartjahr 2006 den „ausgebeuteten“ Jubilar alternativ ehrt, indem Briefbotschaften abseits der vielzitierten „Bäsle-Korrespondenz“ als Textfundus dienen und zum Liederzyklus „… dass sie schatten und licht geben“ für Bariton und Orchester werden.
Die Brücke zu Komponisten der Vergangenheit schlägt Schmidinger fast immer unter konsequenter Vermeidung direkten musikalischen Zitats. So überrascht sein Schaffen stets durch geistreiche Spielarten neuer Referenzideen. Als Auftragswerke der Stadt Augsburg anlässlich des 58. Deutschen Mozart-Fests etwa ziehen die Zyklen (2008/09) für Streichquartett ihr konstitutives Tonmaterial aus dem intervallischen Bezug der Tonartenfolge Mozartscher Streichquartett-Zyklen.
Deutlich bestimmt die Werkgattung die Tonsprache. So komponiert der passionierte Förderer der Jugend für jugendliche Interpreten in anderem Tonfall, adressiert Intimes, Feinsinniges gern in kammermusikalischer Besetzung und subtiler Tongebung und äußert seine Affinität zu Musikdramatik und narrativen Momenten über eine Vielzahl von komplex agierenden Ausführenden. Das Anliegen, nahe am Instrument zu komponieren, realisiert Schmidinger vor allem über Widmungsstücke – an Interpreten trifft man hier auf Christian Altenburger, Wolfgang Holzmair oder Ildikó Raimondi. Dennis Russell Davies oder Krzysztof Penderecki dirigierten seine Werke.
„Nur ein Hauch! – und er ist Zeit“ – eine phantastische Fortschreibung von Schuberts DV 703 für Streichquartett (2002)[5]
„...schickt sich wahrscheinlich nicht in einem so ernsten Konzert“ – Zehn Sätze aus „Leutnant Gustl“ von Arthur Schnitzler für Violine, Violoncello und Klavier (2003)[5]
„Drei Kratere nur mische ich für die Vernünftigen“ – Quartett für Klarinette, Violine, Viola und Violoncello (2007–2008)[5]
Zyklen für Streichquartett – für zwei Violinen, Viola und Violoncello (2008–2009)[5]
Bernhard Günther (Hrsg.): Helmut Schmidinger. In: Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich, Wien 1997, S. 967 ff.
Alexander Rausch: Helmut Schmidinger. In: Rudolf Flotzinger (Hrsg.): Österreichisches Musiklexikon. Band 4. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2005, Sp.
Zdenek K. Slaby und Petr: Helmut Schmidinger. In: Svet Jine Hudby, Volvox Globator, 2002, S. 505 ff.
Alison Robuck: The Story of Homer’s ‘The Odyssey’ in Helmut Schmidinger’s ‘Vier gefiederte Worte des Odysseus’. In: Programmatic elements in selected post-1950 works für solo oboe. Dissertation, Illinois 2004.
Ulrike Aringer-Grau: Schmidinger UA im Stefaniensaal. In: Österreichische Musikzeitschrift, 3/2010, Wien 2010.
Antonia Bruns: Unterhaltsames – nicht immer mit Happy End. Neue oder bearbeitete Stücke für Kammermusik mit Streichern. In: Neue Musikzeitung, 85. Jg., 2009/10, Regensburg 2009.
Otto Paul Burkhardt: Das Wesentliche ist das Dazwischen. In: Neue Zeitschrift für Musik, 2012/02, S. 74, Mainz 2012.
Markus Fleck: Nur ein Hauch! – und er ist Zeit. In: Schweizer Musikzeitung, Juli 2005.
Flora Königsberger: Schmidinger im Wiener Musikverein. In: Österreichische Musikzeitschrift, Jg. 65/6/2010, Wien 2010 S. 55f.
Martin Lehmann: was uns anrührt … In: Schweizer Musikzeitung, Oktober 2007.
Ludwig Werner Merkle: Geschüttelt, nicht gerührt. Von Mozart inspiriert: Klavier-Trio als musikalisches Würfelspiel. In: Neue Musikzeitung, 85. Jg., 2009/09, Regensburg 2009.
Eveline Sontacchi: Unter Strom. Helmut Schmidinger im Porträt. Böhlau, Wien 2019, ISBN 978-3-205-23292-6.