Hiers-Brouage
Hiers-Brouage (Frankreich)
Hiers-Brouage (Frankreich)
Staat Frankreich
Region Nouvelle-Aquitaine
Département Charente-Maritime
Arrondissement Rochefort
Gemeinde Marennes-Hiers-Brouage
Koordinaten 45° 51′ N, 1° 5′ WKoordinaten: 45° 51′ N, 1° 5′ W
Postleitzahl 17320
Ehemaliger INSEE-Code 17189
Eingemeindung 1. Januar 2019
Status Commune déléguée

Zitadelle Brouage von Südosten

Hiers-Brouage ist eine Ortschaft und eine ehemalige französische Gemeinde mit 640 Einwohnern (Stand: 1. Januar 2021) im Département Charente-Maritime in der Region Nouvelle-Aquitaine. Sie gehörte zum Arrondissement Rochefort und zum Kanton Marennes.

Mit Wirkung vom 1. Januar 2019 wurden die ehemaligen Gemeinden Marennes und Hiers-Brouage zur Commune nouvelle Marennes-Hiers-Brouage zusammengeschlossen und haben in der neuen Gemeinde den Status einer Commune déléguée. Der Verwaltungssitz befindet sich im Ort Marennes.[1]

Die befestigte Wohnsiedlung Brouage wurde 2017 mit dem Prädikat Die schönsten Dörfer Frankreichs ausgezeichnet.[2]

Lage

Hiers-Brouage gehört zur Kulturlandschaft der Saintonge und liegt ca. 50 km (Fahrtstrecke) südlich von La Rochelle bzw. knapp 18 km südwestlich von Rochefort im ehemals sumpfigen, heute jedoch versandeten und von zahlreichen Entwässerungskanälen durchzogenen Küstenstreifen unweit der Atlantikküste bei der Île d’Oléron in einer Höhe von ca. 4 m ü. d. M.[3] Das Klima wird vom nahen Atlantik bestimmt und ist gemäßigt.[4]

Bevölkerungsentwicklung

Jahr 1800 1851 1901 1954 1999 2013
Einwohner 413 760 668 500 472 643

In der frühen Neuzeit hatte die damalige Hafenstadt zeitweise bis zu 5.000 Einwohner.

Wirtschaft

In früherer Zeit lebten der Ort und seine Bewohner hauptsächlich vom Fischfang und von der Salzgewinnung. Feldwirtschaft war auf den salzigen Böden nahezu unmöglich und so wurden Schafe und Ziegen gehalten. Seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert spielt der Tourismus eine bedeutende Rolle im Wirtschaftsleben des Ortes.

Geschichte

Die heutige Bekanntheit verdankt der Ort seiner Vergangenheit als ehemalige Hafenstadt; daneben war er ein international bedeutendes Zentrum des Salzhandels und eine militärische Festungsstadt. Die gesamte Festungsanlage sowie mehrere Einzelgebäude sind als Monuments historiques klassifiziert[5][6][7]; der Ort gehört zu den Grands Sîtes de France.

Ursprünge

Brouage – Bastion Richelieu von Südwesten

Das Städtchen wird seit 1626 offiziell Brouage genannt, vorher auch Jacopolis de Brouage. Seine mittelalterlichen Ursprünge waren im 11. Jahrhundert das ehemalige Dorf Hiers, neben dem um die Mitte des 16. Jahrhunderts die neue Ortschaft Brouage entstand. Das Doppeldorf wurde dann zeitweilig Hiers-Brouage genannt. Die älteste Kirche und damit auch das Ursprungsdorf Hiers ist für das 11. Jahrhundert erwähnt. Es befand sich zu dieser Zeit auf einer Insel inmitten des Golfs der Saintonge. Weite Gebiete des Golfs veränderten sich dann im Laufe vieler Jahrhunderte Zug um Zug in das heutige Sumpfland, dem Marais de Brouage. Die Insel gehörte zu einer Gruppe mit anderen Inseln, wie Guilletterie, Montboileau, Fremailloux und Érablais. Durch ihre relativ große Höhe wurde sie zur Überwachung der Navigation zwischen dem Festland und der Île d’Oléron benutzt. Man baute ab dem elften Jahrhundert eine Burg und ein Priorat, beide abhängig von der damaligen Herrschaft von Broue. Die Mönche der Prioratskirche Saint-Hilaire betrieben bereits die Salzproduktion. Schon im Mittelalter wurden hier etwa 8.000 Hektar Salzgärten bearbeitet, deren Produkte hauptsächlich nach Flandern und in deutsche Regionen verschifft wurden.

Handelshafen seit Ende des 14. Jahrhunderts

Nachdem durch das Zurücktreten des Meeres die Salinen und der Hafen von Broue verlandet waren, konzentrierte sich die Salzgewinnung auf die um etwa 12 km weiter nordwestlich gelegenen Inseln und dort auf das sich wirtschaftlich entwickelnde Hafenstädtchen Hiers/Brouage.

Brouage, Wachtürmchen, Bastion Richelieu

Der eigentliche Ort Brouage wurde im Jahre 1555 von Jacques de Pons auf dem Gelände eines alten Depots von Ballaststoffen, Kieseln und Amphoren gegründet. Brouage, damals noch ein Vorhafen des Hafens von Hiers, entstand zunächst ohne militärische Absichten, vielmehr nur zur Einrichtung eines neuen Zentrums zur Vermarktung des dort in den Salinen produzierten „weißen Goldes“, des Meersalzes.

Bald nahm der Salzhandel internationale Dimensionen an. Der Hafen wurde zum größten Salzhafen Europas; wie in den Dokumenten über Abgaben und Gebühren des Klerus und lokalen Adels nachzulesen ist, wurden Bauern, Knechte und Tagelöhner in dieser Zeit zu Salinenarbeitern, Seeleuten, Kabeljaufischern usw. Bis zu 200 Schiffe konnten im Hafen anlegen. Die Stadt war damals nicht nur ein Ort für den Handel mit Salz, sondern auch für den mit Kabeljau aus Neufundland.

Jacopolis von Brouage, wie die Stadt auch hieß, wurde reich und wohlhabend. Zehn Jahre nach ihrer Gründung erhielt sie einen Besuch von König Karl IX.

Brouage, zwei Scharwachtürmchen (échauguettes) der Bastion Richelieu
Brouage, Außenwerk, vor Bastion d'Hiers

Kriege des 16. Jahrhunderts

Brouage, Glacière

Während der Religionskriege wurde Brouage abwechselnd von den Katholiken und den Hugenotten eingenommen. Im Verlauf des sechsten Glaubenskrieges (1576) war der Herzog von Guise in der Stadt, um die Einkesselung des protestantischen La Rochelle vorzubereiten. Im selben Jahr hielt sich Heinrich von Navarra, der zukünftige Heinrich IV., in der Zitadelle auf. Im Jahr 1578 entschied König Heinrich III.: „da die Stadt schon sehr groß geworden ist, darf sie nicht in die Hände der Protestanten oder Engländer fallen“. Außerdem war sie eine königliche Stadt, ein Safe der Zentralregierung. 1586 beschädigten die Aufständischen von La Rochelle die Hafenanlagen von Brouage erheblich. Der Prinz von Condé blockierte mit seinen Schiffen den Hafen fast vollständig.

17. Jahrhundert

1626 integrierte Ludwig XIII. die Stadt, die nunmehr den alleinigen Namen Brouage führte, in das Königreich Frankreich. Der Gouverneur für die Stadt war Armand Jean du Plessis, bekannter unter dem Namen „Kardinal Richelieu“. Zu dieser Zeit zählte die Stadt 4000 Einwohner und war ein blühender Handelsplatz.

Brouage, Wachtürmchen und Marais-Rinder

In Vorbereitung auf die Eroberung von La Rochelle wurde hier aus strategischen Gründen ein Logistik-Zentrum der königlichen Kriegsmaschinerie eingerichtet. Im Jahr 1628 besuchte Ludwig XIII. den Hafen. Zwischen 1630 und 1640 veranlasste Pierre de Conty, Seigneur de la Motte d’Argencourt, den von Richelieu befohlenen Um- und Ausbau der Stadt zur Zitadelle. Sie wurde dadurch zur stärksten Festung an der Atlantikküste. Das alte Dorf Hiers wurde ihr industrieller „Hinterhof“. Neben der Rüstkammer des Militärs und dem Arsenal der Marine waren dort alle Baubranchen, wie Tischler, Maurer usw., untergebracht.

Im Jahr 1653 wurde Kardinal Mazarin zum Gouverneur von Brouage ernannt. Sechs Jahre später verbannte er seine Nichte Maria Mancini nach Brouage, da sie als Geliebte des jungen Ludwig XIV. den Heiratsplänen des Kardinals im Wege stand. Damit war der Weg frei für die Eheschließung zwischen dem Sonnenkönig und Maria Teresa von Spanien (1638–1683).

Brouage, Port Souterrain de la Brèche

Im Jahr 1685 unterzog Vauban die Bastionen und die sie umgebenden Wege einer Teilerneuerung und Modernisierung. Auf allen vorspringenden Winkeln der Bastionen wurden Scharwachtürmchen zum Schutz des Wachpersonals errichtet. Sie prägen heute noch die Silhouette der Befestigungsanlagen der Zitadelle.

Brouage und die französischen Kolonien

Samuel de Champlain wurde um 1570 in Brouage geboren und wurde ab 1603 in Kanada, den neuen Provinzen Frankreichs, zum königlichen Geographen ernannt. Er machte insgesamt 21 Reisen zwischen Frankreich und „Neufrankreich“. 1608 gründete er die Stadt Québec, eine Kolonie aus französischen Familien, Handwerkern, Soldaten und Priestern. Er starb am 25. Dezember 1635 in Québec, ohne dass seine Vorbereitungen für die Gründung von Montreal im Jahr 1642 abgeschlossen waren. Für Brouage brachte das 17. Jahrhundert eine Blütezeit des Handels, mit den neuen Überseeprovinzen.

Brouage, Port Souterrain de la Brèche, Portal u. Aufgang

Viele Zeugnisse weisen heute noch auf die engen Beziehungen zwischen den Städten Brouage und Québec hin, wie etwa die „Rue du Québec“ in Brouage und der entsprechende „Square“ in New Brunswick, die „Rue de Brouage“ und die Statue von Champlain in Québec. Im Übrigen wurde die Kirche Saint-Pierre von Brouage mit Spenden der Stadt Québec wieder neu errichtet.

Niedergang

Das Meer zog sich, wie auch andernorts, von der Stadt Brouage allmählich zurück und von der weiten Bucht von Colmata. Es hinterließ auch dort eine sumpfige Landschaft, etwa in Höhe des Meeresspiegels. Die Gründung und der Aufstieg des benachbarten Rochefort, von Vauban als Nachfolgefestung ausgewählt, ließ Brouage im 18. Jahrhundert in Vergessenheit geraten. Auch die Salinen mussten aufgegeben werden – sie hatten sich in Sümpfe und damit in Fieberherde verwandelt. Der Verfall der Siedlung war unaufhaltsam; zahlreiche Gebäude verkamen oder verschwanden gänzlich. Man kümmerte sich nicht mehr um die Bauten und deren großen verfügbaren Speicherplatz innerhalb der Stadtmauern. In der Stadt verblieb nur noch eine kleine Garnison.

Brouage, Poudrière de la Brèche

In der Revolution wurde Brouage Zentrum von mehreren hundert Logen–Anhängern, die „verdächtigen Strömungen nacheiferten“. Im Jahr 1793 wurden zahlreiche Verdächtige inhaftiert. So auch etliche „widerspenstige“ Priester, die sich weigerten, der Republik die Treue zu schwören. Sie verstarben oftmals vor ihrer Verurteilung am Fieber. Im Jahre 1885 verabschiedete sich die Armee endgültig von Brouage.

Neue Entwicklungen und Gedenken

Am 29. August 1970 widmete die Regierung von Québec ihrem Gründer Samuel Champlain eine Hommage und ließ zu seiner Ehre eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus anbringen.

Brouage, hier standen Unterkünfte für Angehörige der Soldaten

Ab 1980 wurden umfangreiche Sanierungen unternommen, um der Stadt als touristische Sehenswürdigkeit zu fördern. Mit seinen ca. 650 Einwohnern ist Brouage ein europäisches Zentrum für Militärarchitektur. Im Jahr 2001 kam Diane Lemieux, die Ministerin für Kultur in Québec, nach Brouage, um dort ein Fenster der Kirche einzuweihen. Diese Geste sollte die engen Beziehungen ihres Landes mit der Stadt in der Saintonge symbolisieren.

Anlässlich des 400. Jahrestages der Gründung der Stadt Québec, durch Samuel de Champlain, einem Sohn der Stadt und des Landes, wurden in Brouage im Jahr 2008 viele Feste gefeiert.

Das Haus Champlain beherbergt eine Ausstellung über die Abenteuer eines Bürgers der Saintonge in Kanada. Die interaktive Ausstellung mit Kosten in Höhe von mehr als 2,2 Millionen Euro wird gemeinsam finanziert von der kanadischen Botschaft in Frankreich und dem Conseil Général de la Charente-Maritime.

Ebenfalls wurde ein Kunstwerk des Künstlers Marc Lincourt an einer repräsentativen Stelle installiert. Es stellt eine Meereswelle in Größe von 2 × 10 m dar. Die darauf festgehaltenen Namen erinnern an die ersten vierhundert Familien, die von französischem Boden dort eingewandert sind. Sie stehen für die Stammzellen Québecs.

Sehenswürdigkeiten

Brouage, Königliche Pferdeställe

Persönlichkeiten

Literatur

Einzelnachweise

  1. Erlass der Präfektur No. 17-2018-11-27-006 über die Bildung der Commune nouvelle Marennes-Hiers-Brouage vom 27. November 2018.
  2. Brouage. Association Les plus beaux villages de France, abgerufen am 19. Oktober 2022 (französisch).
  3. Brouage – Karte mit Höhenangaben
  4. Hiers-Brouage – Klimatabellen
  5. Remparts in der Base Mérimée des französischen Kulturministeriums (französisch)
  6. Église Saint-Pierre-et-Saint-Paul in der Base Mérimée des französischen Kulturministeriums (französisch)
  7. Poudrières et casernes in der Base Mérimée des französischen Kulturministeriums (französisch)