Hugo Wolf, nach einer Photographie radiert von Ferdinand Schmutzer (1921)

Hugo Philipp Jakob Wolf (* 13. März 1860 in Windischgrätz, Steiermark, heute Slowenien; † 22. Februar 1903 in Wien) war ein österreichischer Komponist und Musikkritiker.

Leben

Herkunft und Ausbildung

Geburtshaus mit Gedenktafel in Slovenj Gradec (Windischgrätz)

Hugo Wolf war das vierte von acht Kindern des Lederhändlers Philipp Wolf (1828–1887) und seiner Frau Katharina, geborene Nußbaumer, die aus Malborgeth stammte und mütterlicherseits slowenische Wurzeln hatte.[1]

Von seinem Vater, der auch leidenschaftlicher Musiker war, lernte Wolf das Klavier- und Geigenspiel. Seine Schulzeit in Graz und am Stiftsgymnasium St. Paul im Lavanttal war wenig glücklich. Nur in der Musik zeigten sich seine Fähigkeiten.

Ab 1875 war er Schüler von Robert Fuchs am Konservatorium in Wien, wo Gustav Mahler sein Mitschüler war. Anscheinend lernte er dort nur sehr wenig, und 1877 wurde er wegen eines Scherzes in Form eines Drohbriefes an den Rektor, mit dem er möglicherweise nichts zu tun hatte, entlassen. Ab einem Alter von siebzehn war er für seine musikalische Ausbildung auf sich selbst angewiesen. Von Klavierunterricht und dank unregelmäßiger finanzieller Unterstützung durch seinen Vater konnte er für einige Jahre in Wien leben.

1881 nahm er eine Stelle als Hilfskapellmeister am Salzburger Stadttheater an, wurde aber bereits nach drei Monaten entlassen und zumindest als Musiker nie wieder fest angestellt.

Hugo Wolf (1885)

Tätigkeit als Musikkritiker

1884 wurde Wolf Musikkritiker der 1869/70 gegründeten, „den Bedürfnissen des österreichischen Adels entgegenkommenden“[2] Boulevardzeitung Wiener Salonblatt – internationale Gesellschaftsrevue[3] und gewann durch seinen kompromisslos beißenden und sarkastischen Stil einige Berühmtheit, die ihm allerdings in seinem späteren Erfolg eher hinderlich sein sollte. Entgegen seiner späteren Reputation als Anwalt musikalischen Fortschritts stand Wolf der „Hatze nach Neuem“ in der zeitgenössischen Musik durchaus ablehnend gegenüber.[4] Seine glühende Verehrung für Richard Wagner war mit einer harten Ablehnung von Johannes Brahms verbunden, dessen Werk er zeitlebens verachtete. Brahms hingegen las Wolfs Angriffe im Salonblatt genüsslich im Freundeskreis vor. Wolf war aber nicht wegen seiner leidenschaftlichen Kritiken bei dieser Zeitung angestellt, sondern weil einer seiner Gönner sein Honorar in Form von Inseratenaufträgen dem Blatt wieder zukommen ließ.[5]

Leben als Komponist

1887 veröffentlichte Wolf zwölf seiner Lieder, kündigte seine Stellung beim Salonblatt und begann sich nur noch der Komposition zu widmen. Die folgenden neun Jahre sollten seinen Ruhm als Komponist begründen. Sie waren geprägt von Perioden intensiver Schaffenskraft im Wechsel mit Zeiten geistiger und physischer Erschöpfung, in denen es ihm manchmal sogar unerträglich war, irgendwelche Musik zu hören.

Wolf hatte zeitlebens unter extremer Armut zu leiden, was für ihn aufgrund seiner schwachen Gesundheit und seines stolzen, sensiblen und nervösen Charakters schwer erträglich war. Im Wege stand seinem beruflichen Erfolg insbesondere sein empfindliches und schwieriges Temperament. Sein Einkommen verdankte er fast nur den ausdauernden Bemühungen einer kleinen Gruppe von Freunden, Musikkritikern und Sängern (unter anderem Ferdinand Jäger[6]), seine Lieder bekannt zu machen, der Unterstützung des Wiener akademischen Wagner-Vereins und der Gründung von Hugo-Wolf-Vereinen, z. B. 1897 von Michael Haberlandt in Wien. Gefördert wurde er auch von Heinrich und Marie Werner in Perchtoldsdorf, die ihm ihr Haus in der kalten Jahreszeit, wenn es von ihnen nicht selbst bewohnt war, überließen. Die Veröffentlichung seiner Lieder durch den Musikverlag Schott 1891 brachte ihm zwar Ansehen, nach fünf Jahren aber lediglich 85 Mark und 35 Pfennige ein. Dementsprechend lebte Wolf zumeist in einfachen Unterkünften, bis die Großzügigkeit seiner Freunde ihm 1896 eine eigene Bleibe verschaffte, in der er ein Jahr leben konnte.

Krankheit und Tod

Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof

Im September 1897 machten die Auswirkungen der Syphilis, die er sich im Alter von achtzehn Jahren zugezogen hatte, eine Einweisung in eine Heilanstalt nötig. Wolf hatte unter anderem begonnen, von sich als ernanntem Direktor der Wiener Hofoper zu sprechen, und plante in dieser Funktion, dem Intendanten der Hoftheater seine Aufwartung zu machen. Der für diesen Besuch bestellte Wagen brachte Wolf direkt in die Klinik des Wiener Nervenarztes Wilhelm Svetlin (1849–1914),[7] die Privatheilanstalt für Gemüthskranke auf dem Erdberge zu Wien III.,[8] Leonhardgasse 3 und 5. Obwohl Svetlin die unheilbare Krankheit des Künstlers erkannt hatte, entließ er ihn am 24. Januar 1898 als geheilt. Wolf hielt sich bis zum Sommer des Jahres an der Adria auf, dann in Traunkirchen, Oberösterreich.[7]

Nach einem (abgebrochenen) Selbstmordversuch im Traunsee wurde er auf eigenen Wunsch nicht der Klinik Dr. Svetlin, sondern der in Wien-Alsergrund gelegenen Niederösterreichischen Landesirrenanstalt übergeben.[7] Nach vier leidvollen Jahren starb er dort am 22. Februar 1903. Franz Seifert nahm ihm die Totenmaske ab.[7]

Sein Ehrengrab mit einem von Edmund von Hellmer entworfenen Grabmal befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 32 A, Nummer 10). Noch im Todesjahr 1903 wurde in Wien-Mariahilf (6. Bezirk) die Hugo-Wolf-Gasse nach ihm benannt.

Musikgeschichtliche Bedeutung

Unter denjenigen Komponisten der Spätromantik, die den Standpunkt vertraten, dass die überkommenen Regeln der Schönheit und Form aufgegeben werden müssen, wenn sie einer genaueren oder lebendigeren Verwirklichung eines dramatischen oder emotionalen Ausdrucks entgegenstehen, nimmt Wolf einen besonderen Platz nicht wegen der besonders gewagten Originalität seiner Methoden und der bemerkenswerten Eigentümlichkeiten seines persönlichen Stils ein, sondern weil diese die direkte Konsequenz einer äußerst tiefen poetischen Einsicht und Vorstellungskraft sind.

Die Häufigkeit von Liedern, die von einer einzigen musikalischen Phrase – einer Art Leitmotiv – in der Begleitung aus aufgebaut sind, hat zu der irreführenden Behauptung geführt, dass sein Werk nichts anderes sei als die Übertragung von Wagnerschen Prinzipien auf das Kunstlied. In Wirklichkeit variiert die Form seiner Lieder im selben Ausmaß wie die Form der Gedichte, die er vertonte. In gleicher Weise bemerkenswert ist der große Umfang von musikalischen Stilen, die Wolf beherrschte. Doch sind bei Wolf Form und Stil so eng mit den poetischen Ideen, welche sie verkörpern, verbunden, dass sie kaum unabhängig vom Text analysiert werden können.

Hugo-Wolf-Park in Wien (Döbling) um 1920
Stern auf der Musikmeile Wien

Der Grazer Komponist Joseph Marx, der durch seine kurz nach Hugo Wolfs Tod entstandenen Lieder berühmt wurde, wird allgemein als musikalischer Erbe der Wolfschen Liedtradition angesehen. Mit einer von impressionistischer Klangmalerei gekennzeichneten Spätromantik knüpfte Marx direkt an Wolfs melodiösen Stil an und fügte so dem österreichischen Lied eine weitere klangvolle Facette hinzu.

Hugo Wolfs Briefe an Emil Kauffmann, im Auftrage des Hugo Wolf-Vereins in Wien

Mit dem Universitätsmusikdirektor in Tübingen und Komponisten Emil Kauffmann[9] verband Wolf eine enge Freundschaft, und sie tauschten sich intensiv in Briefen über ihre Kompositionen zu Mörike-Gedichten aus.

Werke (Auswahl)

Bühnenwerke

Vokalwerke

Titelblatt der 53 Mörike-Lieder, Originalausgabe aus der Sammlung Fritz Kauffmann

Lieder

Chorwerke

Orchesterwerke

Kammermusik

Eponyme

Bis zu den Lebzeiten Wolfs reicht die Geschichte der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie für Gesang, Dichtung und Liedkunst zurück, die als Initiative eines Wolf-Freundeskreises begann und inzwischen alle zwei Jahre den Internationalen Wettbewerb für Liedkunst Stuttgart ausrichtet. Editorisch für das Werk Wolfs engagiert ist die Internationale Hugo Wolf-Gesellschaft Wien. Im 19. Wiener Gemeindebezirk Döbling, südlich der Krottenbachstraße, liegt der 1925 angelegte Hugo-Wolf-Park, der seit 1953 den Namen des Komponisten trägt.[10] Am 14. Juli 1992 wurde der Asteroid (5177) Hugowolf nach dem Komponisten benannt.[11] Im Jahr darauf wählte sich das Hugo-Wolf-Quartett den Komponisten als Namensgeber.

Siehe auch

Wolf-Museum

Montserrater Hof (Werner-Haus), in dem Hugo Wolf sich oft aufhielt und in dem ab 1973 das Wolf-Museum eingerichtet wurde

Otto Werner, der kinderlose Enkel von Heinrich und Marie Werner, vererbte der Gemeinde Perchtoldsdorf Teile der Sammlung und das Werner-Haus, das aus der Zeit nach der Zweiten Türkenbelagerung stammte, mit der Auflage, ein Wolf-Museum einzurichten. Dieses wurde im Jahr 1973 mit der Originaleinrichtung eröffnet.[12][13]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Ernst Decsey: Hugo Wolf. Das Leben und das Lied (1927), S. 10 f., books.google.de
  2. Kukula: Erinnerungen an Hugo Wolf, S. 1.
  3. ZDB-ID 1271939-0.
  4. Andreas Dorschel: Arbeit am Kanon. Zu Hugo Wolfs Musikkritiken. In: Musicologica Austriaca. XXVI, 2007, S. 43–52.
  5. Thomas Chorherr (Hrsg.), Franz Endler (Mitarb.): Große Österreicher. 100 Portraits von bekannten Österreichern. Ueberreuter, Wien 1994, ISBN 3-8000-3212-0.
  6. Ludwig Eisenberg: Hugo Wolf. In: Großes biographisches Lexikon der deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Paul List, Leipzig 1903, S. 468–487 (daten.digitale-sammlungen.de).
  7. a b c d † Hugo Wolf. In: Neue Freie Presse, Abendblatt, Nr. 13827/1903, 23. Februar 1903, S. 6, Mitte unten. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  8. Wilhelm Svetlin: Die Privatheilanstalt für Gemüthskranke auf dem Erdberge zu Wien. Bericht über deren Geschichte und Thätigkeit, anlässlich des fünfzigjährigen Bestandes und der Uebersiedlung in ein neues Anstaltsgebäude. Braumüller, Wien 1884.
  9. Karl Emil Kauffmann. In: Stadtwiki Tübingen.
  10. Hugo-Wolf-Park auf der Website der Stadt Wien.
  11. Minor Planet Circ. 20524 (PDF; 368 kB)
  12. perchtoldsdorf.at
  13. hugowolfhaus.at