Der Terminus Jazzstandard, eigentlich nur Standard genannt, umfasst Kompositionen der vergangenen Jahrzehnte, die von Jazzmusikern kontinuierlich gespielt werden und die Stilentwicklung überdauert haben. Einigen Standards ist auch der Übergang in andere Musikstile (Popsong, Chanson und Schlager) gelungen.

Viele Melodien, die zu Standards wurden, stammen ursprünglich aus den verschiedenen Genres der Unterhaltungsmusik wie: Broadway-Shows, Musicals, Hollywood-Filme und sogar Operetten. Die Hochphase dieser sogenannten Standards war die Ära des Swing. Einige Jazzstandards stammen aber auch aus „Überlieferungen des 19. Jahrhunderts, aus Ragtime, klassischem Blues, frühem Jazz, aus dem Chicago-Jazz der zwanziger Jahre, dem Swing der Dreißiger und Vierziger, dem Bebop und Hardbop, dem Bossa Nova, dem modalen und selbst dem Free Jazz.“[1]

Die Interpretation von Standards wird ständig verändert und erweitert. Einige „Umarbeitungen“ von Songs aus dem Great American Songbook sind heute als Ausgangspunkt einer Jazzinterpretation beliebter als die Originale.

Funktion

Standards bilden einen Grundstock des Repertoires von Jazzmusikern. Sie dienen als Grundlagen für Improvisationen. Auf spontanen Jazzmusikertreffen, den Jamsessions, spielen Standards eine zentrale und unverzichtbare Rolle, weil sie die musikalische Schnittmenge zwischen fremden Musikern bilden. Tatsächlich mag die Jam Session der Grund gewesen sein, warum sich ein festes Korpus an Stücken herausbildete. Die Vortragsform dieser Stücke (Tunes) ist nicht festgelegt. Art, Melodie, Harmonie und Rhythmus werden von den Ausführenden, je nach Qualifikation, beliebig verändert.

Formen

32-taktige Formen

Die meisten Standards besitzen eine 32-taktige Liedform (4 × 8 Takte), wenn man vom Vers generell absieht.

12-taktige Form

Diese Gruppe bezieht sich auf das Bluesschema. Jazzstandards, die sich eng an das Bluesschema halten, sind zum Beispiel Straight No Chaser und Blue Monk von Thelonious Monk. Viele Standards erweitern das Harmonieschema und gehören zur Gattung des Jazzblues. Es gibt viele unterschiedliche Harmonisierungen eines Blues, allerdings bleibt immer die 12-taktige Form bestehen. Typisch sind auch die Harmonisierungen von Charlie-Parker-Themen wie Blues for Alice und Au Privave: Dabei sind nur noch die Harmoniestufen der Takte 1, 5 und 9 mit dem Originalblues identisch. Die Zwischentakte sind mit Quintfallsequenzen ausgefüllt, die nach dem II-V-I-Schema nahezu grenzenlos eingefügt werden können, wie z. B. bei dem Titel Bluesette von Toots Thielemanns.

Neuere Formen

Seit den 1950er Jahren haben sich die Standardformen vor allem durch die Aufnahme von anderen Rhythmen,[2] insbesondere lateinamerikanischen und afrikanischen,[3] und Themen wie auch durch die Erweiterung der Harmonik und Melodik stark vermehrt. In den 1960er und frühen 1970er Jahren führte die Experimentierfreude der Jazzmusiker im Free Jazz zur Ersetzung oder Auflösung aller formalen Konventionen, die durch Standards vorgegeben waren. Seit den 1970er Jahren war eine teilweise Rückwendung zu traditionellem Improvisieren über Standardthemen und -formen zu beobachten. Dabei wurde jedoch die inzwischen gewonnene Erfahrung mit dem freien Spiel von vielen Combos integriert. Standardformen sind heute ebenso variabel und vielfältig wie die Jazzmusik insgesamt.

Sammlungen

Jazzmusiker verwenden verschiedene Sammlungen von Standards. Besonders beliebt ist das sogenannte Real Book, das in mehreren Ausgaben existiert.

Beliebt unter Jazzmusikern sind daneben auch

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Schaal: Jazz-Standards. 2001, S. 8.
  2. vgl. Jazzwalzer
  3. Den Beginn der bewussten Auseinandersetzung mit afrikanischen Rhythmen sowie Polyrhythmen kennzeichnet Mongo Santamarías Afro Blue. Im vorausgegangenen Jazz sind keine so ausgesprochenen Bezugnahmen auf Polyrhythmen vorhanden.
  4. (iReal Pro|)