Jenaplanschule auf der Tatzendpromenade in Jena

Der Jenaplan ist ein Schulentwicklungskonzept, das von dem Pädagogen Peter Petersen 1927 erdacht und begründet wurde. Der Begriff wurde von den Mitgliedern des Londoner Komitees zur Vorbereitung der IV. Tagung der New Education Fellowship 1927 in Locarno geprägt. Petersens Konzept entstand an der Universität Jena (daher auch die Bezeichnung), an der er einen Lehrstuhl für Erziehungswissenschaft übernommen hatte.

Kennzeichen

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Kerngedanken sind selbsttätiges Arbeiten, gemeinschaftliches Zusammenarbeiten und -leben und Mitverantwortung der Schüler- und Elternschaft.

Formen:

Umgestaltung des Schulalltags:

Inhalte

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Petersen legte den Entwurf für diese Schule 1927 vor mit dem Anspruch: „Der Jena-Plan ist eine Ausgangsform für neues Schulleben.“

Die grundlegende Einheit sind nicht „Klassen“ von Jahrgängen, sondern „Stammgruppen“, die jahrgangsstufenübergreifend zusammengefasst werden. Das erlaubt vielfältigere pädagogische Wirkungsmöglichkeiten, zum Beispiel wird das Helfersystem unter den Schülern und die Differenzierung der Unterrichtsarbeit gestärkt. Die Einteilung in mehrjährige Stammgruppen entlastet die Schularbeit vom Jahreswechsel und damit auch von den jährlichen „Versetzungen“. Die Schüler werden beurteilt, aber nicht mehr gegeneinander aussortiert. Durch die Wochenplanarbeit entfällt die starre Einteilung in Fachstunden. Die selbsttätige Gruppenarbeit ist die häufigste Arbeitsweise. Eltern werden als wichtiger Teil der Schulgemeinde angesehen.

Petersen nennt die regelmäßigen Schulfeiern ein „alle Teilnehmer läuterndes Ereignis“.[1] Die Feiern in Jenaplan-Schulen geschehen nach Jaap Meijer in einem Bewusstsein universeller humaner Werte.[2]

Die Basisprinzipien des Jenaplan

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Im Utrechter Seminar für Jenaplan-Pädagogik entstanden in den 1980er Jahren durch Hochschullehrer und Lehrer aus der Unterrichtspraxis die allgemein anerkannten 20 Basisprinzipien des Jenaplan-Konzepts. Die Theorie dazu entstand als ein nicht personengebundenes Gemeinschaftswerk unter Beachtung der gesellschaftlichen Realitäten der „veränderten Kindheit“.

Kees Vreugdenhil und Kees Both, zwei der prominentesten Vertreter des Jenaplan-Konzepts, weisen ausdrücklich darauf hin, dass die 20 Prinzipien nicht dogmatisiert werden dürfen, sondern aufgrund der derzeitigen soziokratischen Zustimmung solange anerkannt bleiben, wie sie sich als gültig erklären und erkennen lassen. Damit soll die Jenaplan-Schule von heute in ihrem Selbstverständnis eine „Schule auf dem Weg“ sein, die sich selbst nicht überbewerten will. Die Basisprinzipien gehen auf das Menschenbild, das Zusammenleben und die Schule ein und dürfen als Ansatz einer neuen Erziehungsphilosophie gelten, die wesentliche Impulse für das Nachdenken über die Orientierung von Erziehung und Unterricht in jeder Schule setzt. Diese Basisprinzipien sind Kern und Ausgangspunkt für das ausgearbeitete, gegenüber dem traditionellen Jenaplan rundum erneuerte Gesamtkonzept Jenaplan 21.[3] Der Jenaplan macht die Kinderrechte in Grundaussagen und praktischer Gestaltung von Schule und Unterricht zum zentralen Bezugspunkt.[4][5] Für Peter Fauser kann schon die erste Jenaplan-Schule (ab Schj. 1924/25) geradezu als exemplarische und richtungsweisende Realisierung gegenwärtigen demokratiepädagogischen und an den Menschenrechten ausgerichteten Denkens gelten.[6]

Wie jede nach dem Jenaplan-Konzept arbeitende Schule die Basisprinzipien strukturell und didaktisch ausbuchstabiert, bleibt ihr überlassen.

Über den Menschen (Basisprinzipien 1–5)

Über die Gesellschaft (Basisprinzipien 6–10)

Schule (Basisprinzipien 11–20)

Kritik

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Jürgen Oelkers zufolge, der Petersens Rolle zur Zeit des Nationalsozialismus kritisiert, stehen nicht Selbständigkeit oder Erleben im Mittelpunkt des frühen Jenaplans, auch nicht demokratische Mitbestimmung oder auch nur eine Form von Gesamtunterricht, sondern die Gemeinschaft, wegen der Erziehung stattfinden soll. Petersen gehe es nicht um die Beförderung der Emanzipation, sondern um Volksbildung, mit der die Bedeutung der Schule aufgewertet wird.[7]

Demgegenüber äußert Wolfgang Keim über das Jenaplan-Konzept: „Fragen des Schullebens, der musischen Erziehung oder des praktischen Lernens; wo neue Unterrichtsformen diskutiert werden, gehen sie tendenziell in Richtung auf Erleben, weniger auf Einsicht, Verständnis oder diskursive Fähigkeiten“. Betont werde die „Atmosphäre in der Klasse als Schulwohnstube, das Schulleben mit Spiel und Feier oder die am Vorbild der patriarchalischen Familie orientierte Schulordnung“.[8] In bewusstem Unterschied dazu unterstützt das Konzept Jenaplan 21 von Kees Both mit seinem umfassenden Qualitätsmerkmal „Kritisches Bewusstsein“ – in sorgfältig ausbalancierter Verbindung mit den anderen Kriterien einer humanen Schule – einen Unterricht, der den emanzipatorischen Forderungen der Moderne voll gerecht wird.[9]

Es wird kritisiert, dass die nationalsozialistische Grundhaltung Peter Petersens sein Werk in vielerlei Hinsicht bestimmt hätte und darin zum Ausdruck komme. Häufig stimmen seine Aussagen mit Adolf Hitlers Ansichten zu Fragen der Bildung und Erziehung weitgehend überein. „Es ist eine große politische Erziehung, ausgerichtet nach demselben Ziele: der Volksgemeinschaft. Denn alles soll, nach den richtungweisenden Worten des Führers, der Erneuerung, der Erhaltung und der Leistungssteigerung des Volkes dienstbar gemacht werden. Damit ist wieder ein oberstes Bildungs- und Erziehungsziel gesetzt, das aus der völkischen Zerrissenheit zur Volkseinheit, aus einer auslösenden, volkzersetzenden Zeit in eine gemeinschaftsbildende Epoche hinweist. Aus diesem Erleben und dem Mitschaffen an diesem Werke werden der deutschen Pädagogik die nächsten, heute schon erkennbaren Antriebskräfte kommen. In der Mitte stehen die Fragen der Zucht und Ordnung, der Verantwortung und Führung.“[10]

Schulen mit Jenaplan-Pädagogik

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Jenaplanschule Markersbach, Haus I

Die Gesellschaft für Jenaplanpädagogik in Deutschland listet auf ihrer Website 68 Jenaplan-Schulen auf,[11] darunter die Jenaplanschule Jena und die Jenaplanschule Rostock, die beide staatliche Schulen sind und 2006 bzw. 2015 als Preisträger des Deutschen Schulpreises ausgezeichnet wurden. Private Schulen, die sich am Jenaplan orientieren, sind unter anderem die Freie Comenius Schule Darmstadt, die Laborschule Dresden, die Jenaplan-Schule Nürnberg oder das Jenaplan-Gymnasium Nürnberg. Die meisten Jenaplan-Schulen gibt es in den Niederlanden, die erste stand 1962 in Utrecht. Die meisten der 230 niederländischen Jenaplan-Schulen sind „Basisschulen“ (von 4–12 Jahren), es gibt aber auch eine steigende Anzahl Sekundarschulen.[12] In Österreich gibt es acht Jenaplan-Schulen.[13]

Quellen

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Literatur

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Commons: Jenaplanschulen – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Margarete Götz, Professorin für Schulpädagogik (Karlsruhe), zu den von Petersen gepriesenen Wirkungsmöglichkeiten der damaligen Schulfeiern: „In ihrem emotionalen Gehalt wie in ihrer sozialisierenden Wirkung besitzt die Schulfeier Bestimmungsfaktoren, die ein attraktives Einfallstor für das Eindringen der nationalsozialistischen Weltanschauung in den schulischen Raum geben“ (in: Die Grundschule in der Zeit des Nationalsozialismus. Bad Heilbrunn 1997, S. 169)
  2. Jaap Meijer: Die Feier als Basisaktivität – Voraussetzungen, Organisation, Praxis. 15. Mai 2012, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 21. September 2016.@1@2Vorlage:Toter Link/www.jenaplan-heute.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  3. Kees Both: Jenaplan 21. Schulentwicklung als pädagogisch orientierte Konzeptentwicklung. Hrsg.: Oskar Seitz. 3. Auflage. Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2015, ISBN 978-3-89676-336-5, S. 22.
  4. Hartmut Draeger: Der Jenaplan und die Rechte des Kindes. In: Gesellschaft für Jenaplan-Pädagogik in Deutschland e. V. (Hrsg.): KINDERLEBEN. Zeitschrift für Jenaplan-Pädagogik. H. 36, Mai 2013, S. 4–26.
  5. Hartmut Draeger: Der Jenaplan und die Rechte des Kindes. 2013, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 21. September 2016.@1@2Vorlage:Toter Link/jenaplan-heute.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  6. Peter Fauser: Eine demokratische Schule?...Die Universitätsschule Jena in ihrer Gründungszeit... Hrsg.: Peter Fauser e.a., Peter Petersen und die Jenaplan-Pädagogik. 1. Auflage. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-515-10208-7, S. 161–226.
  7. Jürgen Oelkers: Reformpädagogik – eine kritische Dogmengeschichte. Juventa Verlag, Weinheim und München 2005.
  8. Wolfgang Keim: Erziehung unter der Nazi-Diktatur, Bd. 1. Darmstadt 1995.
  9. Kees Both: Jenaplan 21. Hrsg.: Oskar Seitz. 3. Auflage. Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2015, ISBN 978-3-89676-336-5, S. 72–76, besonders S. 83–85.
  10. Peter Petersen: Pädagogik der Gegenwart. Ein Handbuch der neuen Erziehungswissenschaft und Pädagogik. Berlin 1937
  11. Liste der Jenaplan-Schulen in Deutschland auf der Website der Gesellschaft für Jenaplanpädagogik in Deutschland e. V.; abgerufen am 17. März 2020.
  12. Kees Both: Jenaplan 21. Schulentwicklung als pädagogisch orientierte Konzeptentwicklung, Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2015, ISBN 978-3-8340-1444-3.
  13. Liste der Schulen auf der Website der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Graz (Memento vom 19. Dezember 2014 im Internet Archive); abgerufen am 22. August 2017