Johannes Aventinus

Johannes Aventin oder Johannes Aventinus (* 4. Juli 1477 in Abensberg, Niederbayern; † 9. Januar 1534 in Regensburg) war ein deutscher Historiker und Hofhistoriograph. Er hieß eigentlich Johann Georg Turmair, benannte sich aber mit einer latinisierten Form seines Heimatortes Aventinus (‚der Abensberger‘).[1] Er gilt als ein Wegbereiter der klassischen Philologie in Deutschland und als der „Vater der bayerischen Geschichtsschreibung“.

Leben

Aventinus-Denkmal in Abensberg

Sein Vater war der wohlhabende Weinwirt Peter Turmair, der ein Lokal am Stadtplatz in Abensberg hatte; seine Mutter trug ursprünglich den Nachnamen Küsser.[2][3] Seine Schulbildung begann er im Karmeliterkloster in Abensberg, wo sich eine Lateinschule befand. Aventinus studierte ab 1495 an den Hochschulen von Ingolstadt, Wien (1497–1500), Krakau (1501–1502) und in Paris (1503–1504). Er bevorzugte dabei humanistische Studienfächer. In Ingolstadt und Wien schloss sich Aventinus besonders Conrad Celtis an, der sein Interesse auch auf die deutsche Geschichte lenkte. Aus Paris kehrte er mit der Würde eines Magisters heim und hielt von 1507 an in Ingolstadt Privatvorlesungen.

Herzog Wilhelm IV. von Bayern beauftragte Aventinus 1509 mit der Erziehung seiner beiden jüngeren Brüder Ludwig und Ernst, die zunächst vom 15. Januar bis 29. November 1509 auf der Burg zu Burghausen stattfand.[4] Ein streng regulierter Tagesablauf, der in der Burghauser Hofordnung von 1509 dokumentiert ist, und ein betont „einfaches“ Leben sollten zur „Charakterbildung“ der Zöglinge beitragen. Zum Geschichtsunterricht gehörten Ausflüge in die Umgebung bis nach Altötting und in die Klöster Mondsee und Neumarkt-St. Veit. 1510 bereiste Aventinus die Region abermals, um wissenschaftliche Studien zu betreiben und sämtliche antiken Inschriften zu notieren, die ihm in Orten wie Laufen (Salzach) und Sankt Georgen bei Salzburg auffielen.

Mit Martin Luther und Philipp Melanchthon[5] stand Aventinus in einem regen Gedankenaustausch, schloss sich aber der Reformation nicht an. Er polemisierte jedoch gegen die veraltete Kirche, die Neuerungen ablehnte, und wurde 1528 wegen einer angeblichen Übertretung der kirchlichen Fastengebote vorübergehend „ob evangelium“ aus konfessionellen Gründen[6] inhaftiert. 1529 heiratete er seine bedienstete Haushälterin Barbara Fröschmann, die aus Niederrieden stammte.[7][8] Seine Frau kam damals nach Regensburg, der zum Luthertum tendierenden Reichsstadt, zu Verwandten,[7] wo Aventinus sich sicherheitshalber nach seiner Inhaftierung in einem bescheidenen Haus aufhielt und in Verbitterung wegen der politischen und persönlichen Umstände seine letzten Jahre verbrachte.[6]

Begraben wurde Aventin auf dem Friedhof der oberen Stadt beim Kloster Sankt Emmeram in Regensburg.[9]

Leistungen

Zum Gebrauch seiner hochadeligen Schüler verfasste Aventinus 1512 eine lateinische Grammatik, die sehr gut ankam und weit verbreitet wurde (Rudimenta grammaticae latinae). Als Ernst 1516 an der Universität Ingolstadt studieren sollte, schrieb er für ihn eine systematische Darstellung der Wissenschaften, die er Encyclopedia nannte und erstmals 1517 als Anhang zu seiner Grammatik veröffentlichte. Es ist die erste bekannte gedruckte Enzyklopädie.

1517 wurde Aventinus zum bayerischen Hofhistoriographen ernannt und entfaltete in dieser Funktion rege Aktivitäten. Er schrieb über Gebiete im sogenannten ‚altbayerischen Raum‘, zu dem alle Orte, die Bestandteil des Herzogtum Bayern seit dem 6. Jahrhundert waren, gehörten.

Als sein Hauptwerk gelten die zwischen 1517 und 1522 entstandenen Annales ducum Boiariae, in denen er die bayerische Geschichte bis zum Jahre 1460 behandelte. Die Bairische Chronik (geschaffen 1526–1533), eine bis zu den Primärquellen vorstoßende[10] deutsche Bearbeitung seiner Annalen, ist volkstümlicher geschrieben und besticht durch eine freie und unabhängige Denkweise in nationalen und kirchlichen Fragen. Johann Wolfgang von Goethe äußerte sich später lobend über dieses Werk.[11]

Im Jahr 1523 gab Aventinus die erste Karte von Bayern heraus.[12] Daher bekam er außerdem den Beinamen „Vater der bayerischen Topographie“.[13] Er verfasste auch ein Lehrbuch für den Bereich Musik. Im Bereich der Mathematik verfasste er eine Arbeit über das römische Rechenwesen. Aventins Lateinische Grammatik wurde zum Lehrbuch an der Landesuniversität von Ingolstadt.

Nach dem Vorbild der Italia Illustrata[14] von Flavio Biondo verfasste er, den Plan Celtis’ fortsetzend,[15] ab 1531 die Germania Illustrata, was als historisch-topografische Beschreibung Deutschlands angedacht war.[16] Er schrieb immerhin ein Kapitel hierzu, das die deutsche Urgeschichte beinhaltete, worin eine Genealogie der deutschen Urkönige enthalten war.[16][17]

Schriften

BSB München No.4 Bavar. 145
Die Bayrisch Cronick (ca. 1519), Titelblatt

Ehrungen

Nach ihm benannt wurden:

Aventinus wird auch in der Theaterfassung des Brandner Kaspar dargestellt.

Literatur

Lexika, Nachschlagewerke
Biografische Werke
Spezialisierte Studien

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Aventinus – der selbstgewählte Gelehrtenname. In: Christine Riedl-Valder: Aventinus: Pionier der Geschichtsforschung. ISBN 978-3-7917-2654-0, S. 30.
  2. Christine Riedl-Valder: Aventinus: Pionier der Geschichtsforschung. ISBN 978-3-7917-2654-0, S. 10–12.
  3. Alois Schmid: Johannes Aventinus: Werdegang – Werke – Wirkung. ISBN 978-3-7954-3463-2, S. 39–40.
  4. Christine Riedl-Valder: Aventinus: Pionier der Geschichtsforschung. ISBN 978-3-7917-2654-0, S. 42–43.
  5. Melanchthons Briefwechsel, Bd. 11. Bearbeitet von Heinz Scheible, Stuttgart–Bad Cannstatt, 2003, S. 101
  6. a b c Alois Schmid: Johannes Aventinus. In: Katharina Weigand (Hrsg.): Große Gestalten der bayerischen Geschichte. München 2012, ISBN 978-3-8316-0949-9, S. 169.
  7. a b Christine Riedl-Valder: Aventinus: Pionier der Geschichtsforschung. ISBN 978-3-7917-2654-0, S. 108.
  8. Alois Schmid: Johannes Aventinus: Werdegang – Werke – Wirkung. ISBN 978-3-7954-3463-2, S. 74.
  9. Alois Schmid: Johannes Aventinus: Werdegang – Werke – Wirkung. ISBN 978-3-7954-3463-2, S. 76.
  10. Friedrich Lenhardt: Coelum Ingolstadiense. Himmelsbilder in Ingolstadt um 1550. In: Rudolf Schmitz, Gundolf Keil (Hrsg.): Humanismus und Medizin (=Deutsche Forschungsgemeinschaft: Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung. Band 11). Acta humaniora, Weinheim an der Bergstraße 1984, S. 87–98, hier: S. 97.
  11. Goethe erwähnte Aventinus’ Bayerische Geschichte in seinem Werk Geschichte der Farbenlehre, wie es in Alois Schmid: Johannes Aventinus: Werdegang – Werke – Wirkung, ISBN 978-3-7954-3463-2, S. 234, dokumentiert ist.
  12. Bernhard de Rudder: Über die „Abkunterfeiung“ Baierns von 1531 und ihren Kartographen Aventinus. Abhandlungen der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse, Jahrgang 1960, Nr. 1. Verlag der Akademie der Wissenschaften und Literatur in Mainz.
  13. Fritz Angrüner: Johannes Turmair, genannt Avenius. In: Dieter Vogel (Hrsg.): Die Hallertau. Kiebitz Buch, Vilsbiburg 1998, ISBN 3-9804048-4-6, S. 41.
  14. »Italia illustrata« von Blondus, Flavius. Abgerufen am 29. August 2021.
  15. Friedrich Lenhardt: Coelum Ingolstadiense. Himmelsbilder in Ingolstadt um 1550. In: Rudolf Schmitz, Gundolf Keil (Hrsg.): Humanismus und Medizin (= Deutsche Forschungsgemeinschaft: Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung. Band 11). Acta humaniora, Weinheim an der Bergstraße 1984, S. 87–98, hier: S. 97.
  16. a b Germania Illustrata. In: Christine Riedl-Valder: Aventinus: Pionier der Geschichtsforschung. ISBN 978-3-7917-2654-0, S. 105–107.
  17. Germania Illustrata. In: Alois Schmid: Johannes Aventinus: Werdegang – Werke – Wirkung. ISBN 978-3-7954-3463-2, S. 105–107.
  18. Aventinus-Medaille des Verbands. In: verband-bayerischer-geschichtsvereine.de. Abgerufen am 26. April 2019.