Büste von Kaj Munk in Vedersø

Kaj Munk (eigentlich Kaj Harald Leininger Petersen; * 13. Januar 1898 in Maribo, Lolland; † 4. Januar 1944 in Hørbylunde bei Silkeborg) war ein dänischer Pastor, Schriftsteller, Gegner Hitlers und christlicher Märtyrer.

Leben

Kindheit und Studium

Munks Eltern Carl Emanuel Petersen, ein Gerbermeister mit eigenem Betrieb, und Ane Mathilde Petersen, geborene Christensen, starben, als Kaj noch sehr jung war. Als Waise adoptierten ihn seine kinderlosen Verwandten Peter und Marie Munk, Kleinbauern in Opager bei Maribo, und er erhielt ihren Namen. Seine neuen Eltern bekannten sich zur Erweckungsbewegung der Inneren Mission. Die Gläubigkeit seiner neuen Eltern, besonders der durch ein Beinleiden behinderten Mutter Marie, prägten ihn entscheidend. Sein Lehrer in der Volksschule, Martinus Wested, und ein junger Pastor in der Gemeinde, Oscar Geismar, Volkspädagogen im Sinne Grundtvigs, förderten sein literarisches Talent. Sie vermittelten ihm christliche Werte und weckten in ihm die Freude an Geschichte und Literatur. Seit 1914 an der Kathedralschule in Nykøbing Falster lernte er die Dramen Henrik Ibsens kennen und verfasste selbst erste Gedichtzyklen und Dramen. Nach dem Abitur im Jahr 1917 begann er ein Studium der Evangelischen Theologie in Kopenhagen, schrieb daneben aber weitere Werke, von denen die ersten veröffentlicht wurden. Er erwog, das Studium abzubrechen und Schriftsteller zu werden, sah aber (auch aus Rücksicht auf seine Eltern) davon ab. Studienreisen führten ihn nach Deutschland und in die Tschechoslowakei.

Berufsleben und literarische Erfolge

Nach bestandenem Examen wurde Munk am 25. Mai 1924 ordiniert und am 1. Juni als Pfarrer in Vedersø bei Ulfborg eingeführt. In dem Dorf an der jütischen Westküste wirkte er bis zu seiner Ermordung 1944 als beliebter Seelsorger. 1929 heiratete er die ortsansässige Elise Jørgensen, mit der er fünf Kinder hatte: Yrsa, Helge, Arne, Solveig und Mogens. Auch führte er hier seine literarischen Arbeiten weiter. Im Jahre 1928 spielte das Königliche Theater in Kopenhagen erstmals sein Bühnenstück En Idealist („Ein Idealist“) über Herodes den Großen. Dadurch wurde er als Dramatiker bekannt. Das Schauspiel Cant (1931 ebenfalls am Königlichen Theater uraufgeführt) brachte ihm weite Anerkennung. Seit 1931 schrieb er auch für die Tageszeitung Jyllands-Posten und andere dänische Zeitungen.

Zwei Schauspiele vor allem begründeten seinen Ruhm: Ordet („Das Wort“, 1932) spielt unter den Bauern eines jütischen Dorfes und handelt vom Unfassbaren, vom frühen Sterben, vom Glauben an das Wunder der Auferweckung, von Vernunft und Wahnsinn. Den Anlass zu diesem Schauspiel gab ein Geschehen 1925 in Kaj Munks Gemeinde, das ihn tief erschütterte. Eine junge Bäuerin, Marie Sand, und ihr Kind starben im Kindbett. Ihr Grab befindet sich südwestlich der Vedersøer Kirche. 1955 schuf der dänische Regisseur Carl Theodor Dreyer nach Munks Drama den Film „Ordet“.

Das andere Theaterstück Han sidder ved Smeltediglen („Er sitzt am Schmelztiegel“, 1938) hat die Verfolgung der Juden im Dritten Reich zum Thema und rechnet mit dem vergeblichen Versuch einiger deutscher Gelehrter ab, den Juden Jesus zum Arier zu machen. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs sahen mehr als 160.000 Zuschauer dieses Schauspiel und hörten, was darin ein deutscher Theologe einem nationalsozialistischen Minister vorhält:

„Ein Jude hat meinen deutschen Mund gelehrt, jeden Morgen und jeden Abend zu beten: ‚Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.‘ Geben Sie den Juden Lebensrecht in unserem Volk. Denn die Menschenrechte anderen Menschen wegnehmen heißt, sich selbst zum Verbrecher zu machen.“

Politische Aktivitäten

Munk wurde in den dreißiger Jahren auch zum viel gelesenen Kolumnisten der großen dänischen Tageszeitungen. In elf Jahren veröffentlichte er mehr als 600 Artikel zu allen möglichen Themen aus Kirche, Kultur und Politik. Den Parlamentarismus in seiner Ausprägung nach dem Ersten Weltkrieg sah er als für die Entwicklung eines Volkes ungeeignet an; er gab dieser Überzeugung in Wort und Schrift deutlich Ausdruck. Dagegen sah er in der gestaltenden Kraft von Mussolinis Faschismus in Italien einen geschichtlichen Ordnungsfaktor, den er als Modell für die Entwicklung Skandinaviens für wünschenswert hielt. Auch die sich nach 1933 wirtschaftlich bessernden Verhältnisse in Deutschland unter Hitler schienen ihm in dieselbe Richtung zu deuten. Munk war der Ansicht, dass aufrichtige Führergestalten mit Idealismus und Überzeugungskraft in ihren Völkern positive Entwicklungen in Gang setzen können. Er war deswegen in Dänemark durchaus umstritten.

Im Drama Sejren („Der Sieg“, 1936) schlug sich Munk noch einmal auf die Seite der Diktatur. Inspiriert von Mussolini und dessen Abessinienkrieg wird hier ein friedliebender Diktator von seinem Umfeld in den Krieg getrieben, welchen Munk als Aufopferung, Tapferkeit und Heldentum verbrämt. Der Diktator gewinnt den Krieg, doch wird er wegen seiner Gottlosigkeit von der Ehefrau ermordet. Sie glaubt, den Willen Gottes zu erfüllen, und wird darin von einem Mönch bestärkt. Kaj Munks Weltbild zeigt sich ebenso religiös wie inhuman. Sein Glaube an den politischen Führer ist größer als das Mitleid mit dessen Opfern.[1]

Die Entwicklung im nationalsozialistischen Deutschland kommentierte er dagegen zunehmend kritisch. Hatte er zunächst noch argumentiert, dass die antijüdischen Maßnahmen eine gewisse Berechtigung hätten, empörte ihn die zunehmende Brutalisierung der deutschen Judenpolitik immer mehr. Am 17. November 1938 – eine Woche nach den Novemberpogromen – erschien in Jyllands-Posten sein offener Brief an Mussolini. Darin beschwor ihn Munk, Hitler von den Judenverfolgungen abzubringen. Sie seien eines großen Kulturvolkes unwürdig. Der eigentliche Adressat des Briefes aber war die dänische Öffentlichkeit. Die überwiegende Mehrheit der Dänen reagierte entsetzt auf Rassenideologie und Antisemitismus. Sie fanden im Land nie nennenswerte Resonanz; Munk fügte sich als betont Konservativer nun in dieses Stimmungsbild ein.

Stimme des Widerstands

Nach der Besetzung Dänemarks am 9. April 1940 engagierte sich Munk im Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht. Seine öffentlichen Proteste waren scharf. Die Kollaboration vieler seiner Landleute lehnte er ab. Im Gegenteil sollte sich Dänemark am norwegischen Beispiel orientieren und nicht vor Gewalt zurückschrecken. Dafür warb er in seinem Schauspiel Niels Ebbesen. Der historische Niels Ebbesen ermordete im 14. Jahrhundert Graf Gerhard III. von Holstein; in der Folge konnte der holsteinische Einfluss auf Jütland zurückgedrängt werden. Kaj Munk las an vielen Orten öffentlich sein Manuskript vor. Die dänische Untergrundbewegung verbreitete den Text des Schauspiels in Tausenden von Exemplaren.

Auch in Munks Predigten aus diesen Jahren finden sich unmissverständliche Aufrufe zum Widerstand. Diese Predigten wurden 1941 und 1942 in zwei Bänden veröffentlicht, bis zum Kriegsende erreichten sie fünf Auflagen mit insgesamt 25.000 Exemplaren. Viele dieser Bücher gelangten nach Norwegen und ermutigten auch dort zum Widerstand. Dass er sich durch sein offenes Wort in Lebensgefahr brachte, war Munk wohl bewusst.

„Die Kirche ist der Ort, wo das Unrecht in den Bann getan, die Lüge entlarvt, die giftige Bosheit angeprangert werden muß – der Ort, wo Barmherzigkeit geübt werden soll als Quelle des Lebens, als Herzschlag der Menschheit.“

Gründe für die Ermordung

Kaj Munk (1944)

„Wenn man hier im Lande mit der Verfolgung einer gewissen Gruppe unserer Landsleute anfängt, nur um ihrer Abstammung willen, dann ist es christliche Pflicht der Kirche zu rufen: ‚Das ist gegen das Grundgesetz im Reiche Christi, die Barmherzigkeit, und das ist verabscheuungswürdig für jedes freie nordische Denken.‘ Geschieht das noch einmal, dann wollen wir mit Gottes Hilfe versuchen, das Volk zum Aufruhr zu bringen. Denn ein christliches Volk, das tatenlos zusieht, wenn seine Ideale mit Füßen getreten werden, gibt dem tödlichen Keim der Verwesung Einlass in seinen Sinn, und Gottes Zorn wird es treffen.“

Diese Sätze entstammen der Predigt, die Munk am 5. Dezember 1943 im Kopenhagener Dom hielt. Er war zu dieser Zeit Mitglied der Oppositionspartei Dansk Samling („Dänische Sammlung“), für die bei der Wahl zum Folketing 1943 geworben hatte. Die Partei Dansk Samling war die einzige Partei, die die Zusammenarbeit mit den Deutschen ablehnte. In der dänischen Hauptstadt war er unerwünscht und durfte die Kanzel eigentlich nicht betreten. Er hielt die Predigt auf Wunsch seines Amtsbruders dennoch, und er drohte darin mit Aufruhr wegen der Judenverfolgung durch die Deutschen.

Einen Monat später, am 4. Januar 1944, wurde Munk von einem SS-Kommando im Pfarrhaus in Vedersø verhaftet. Seine Frau Lise blieb mit den fünf Kindern zurück. Im östlich gelegenen Forst Hørbylunde vor Silkeborg wurde er auf Anordnung von Heinrich Himmler erschossen. An der Planung und Vorbereitung des Mordes war der SS-Untersturmführer Wolfgang Söhnlein (1913–1986) maßgeblich beteiligt. Mit diesem Ausgleichsmord sollte der dänische Widerstand gegen die deutsche Besatzung geschwächt werden.[2] Es war die erste Terroraktion der Petergruppe unter Führung von Otto Schwerdt. Am 8. Januar wurde Munk unter großer öffentlicher Anteilnahme in Vedersø beigesetzt.

Die Untersuchung durch die dänische Polizei führte schnell zu den Tätern, die aber nicht vernommen oder festgenommen werden durften. Eine Abschrift des vorläufigen Schlussberichts der Mordkommission wurde von der Widerstandsbewegung 1944 als Flugblatt verbreitet. Munk wurde zum Märtyrer der dänischen Widerstandsbewegung.[3]

Andenken

Granitkreuz am Ort der Ermordung

In der kollektiven Erinnerung Dänemarks ist er bis heute unvergessen, obgleich die Beurteilung seiner literarischen Arbeiten und seiner politischen Überzeugungen über die Jahrzehnte stark schwankte.

An der Chorseite der Vedersøer Sebastianskirche liegen die Gräber von Kaj Munk, seiner Ehefrau Lise, geborene Jørgensen, und ihrem Sohn Helge. An der Hauptstraße vor dem Friedhof befindet sich ein Denkmal mit der Büste Kaj Munks. Im Seitenschiff der Kirche hängt eine Gedenktafel mit seinem Lieblingschoral:

Ich erwarte dich, Herr Jesus, zum Gericht;
jeden Augenblick schaue ich danach aus.
Schnell und unverhofft kannst du kommen
zu jeder Tages- oder Nachtstunde
Lass meines Herzens Lampe bereit sein und brennen
in Glaube, in Hoffnung und in Liebe.
Wenn ich schlafe oder wache, so bin ich dein,
wenn ich lebe oder sterbe, so bist du mein.
Und wenn du kommst, komme zart und mild
und mache mich selig in Ewigkeit.
(Den Danske Salmebog, Nr. 269)

An der Landstraße 195 markiert bei Hørbylunde vier Kilometer vor Silkeborg ein Gedenkkreuz den Ort der Hinrichtung. Einen weiteren Gedenkstein setzten Freunde auf dem Ravnsbjerg südlich von Linde bei Holstebro. Die Inschrift lautet:

Kaj Munk starb am 4. Januar 1944 für sein Vaterland. Einige müssen sich opfern, damit andere leben können.

In der Stadt Kappeln im nördlichen Schleswig-Holstein ist die örtliche dänische Schule nach Kaj Munk benannt[4]. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika erinnert mit einem Gedenktag am 14. August an Kaj Munk.[5]

Werke

In dänischer Sprache

In deutscher Sprache

Literatur

In dänischer Sprache

In deutscher und englischer Sprache

Medienrezeption

Einzelnachweise

  1. Jens Kistrup: Det moderne drama. In: Dansk Litteraturhistorie, Band 4, Politikens Forlag, Kopenhagen 1966, S. 444 f.
  2. Whitney R. Harris: Tyrannen vor Gericht: Das Verfahren gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg in Nürnberg 1945–1946, BWV 2008, ISBN 978-3-8305-1593-7, S. 211.
  3. Matthias Bath: Danebrog gegen Hakenkreuz, Der Widerstand in Dänemark 1940–1945, Wachholtz 2011, ISBN 978-3-529-02817-5, S. 158f.
  4. Dansk Skoleforening for Sydslesvig e.V.: Kaj Munk-Skolen
  5. 14. August im Ökumenischen Heiligenlexikon