Thuriferar in Chorkleidung

Liturgische Gewänder sind Kleidungsstücke, die während eines christlichen Gottesdienstes vom Leiter der Feier, von konzelebrierenden und assistierenden Klerikern und den liturgischen Diensten getragen werden.

Geschichtliche Entwicklung

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Das frühe Christentum kannte keine liturgische Sonderkleidung für die sonntägliche Herrenmahlfeier, erwartete aber von allen Teilnehmern, möglichst festlich gekleidet zu sein. Bischöfe und Priester kleideten sich seit der Legitimierung der christlichen Religion im 4. Jahrhundert im Stil römischer Beamter, ohne dass zunächst zwischen Alltags- und liturgischer Kleidung unterschieden wurde.

Mit dem Anwachsen der Gemeinden, der Öffentlichkeit von Kirchengebäuden und Gottesdiensten und der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion im Römischen Reich im Jahr 380 wurde die Liturgie zunehmend repräsentativer. Dazu gehörte auch die erhöhte Kostbarkeit der Gewänder. Bis zur Völkerwanderungszeit gab es jedoch keine scharfe Trennung der liturgischen Gewänder von der römischen Alltagskleidung (Tunika, Paenula).

Die eindringenden Germanen brachten in den westlichen Mittelmeerraum ihre Kleidung mit: Hose, Hemd und Wams. Diese setzte sich auch bei der romanischen Bevölkerung durch – nicht jedoch in der Liturgie. Seit der Spätantike sind die Paramente dem Grunde nach gleich geblieben, wurden allerdings durch Moden beeinflusst. Sie wurden in der Folgezeit oft aus kostbaren Stoffen (Samt, Brokat oder Damast) und kostbaren Materialien wie Seide gefertigt und der Länge nach gekürzt. Gegenüber dem reichen Faltenwurf der spätantiken Obergewänder machten insbesondere die Dalmatik und die Kasel in der westlichen Liturgie nun einen eher steifen, aber durchweg feierlichen Eindruck.

Die evangelischen Kirchen der Reformation erklärten liturgische Gewänder zu „Adiaphora“, also Angelegenheiten, die in der Kirche unterschiedlich gehandhabt werden können. Martin Luther beispielsweise trug bis zu seinem Tod beim Abendmahlsgottesdienst Albe, Stola und Messgewand. Dies wurde in der lutherischen Tradition in vielen Ländern beibehalten. Die evangelisch-reformierten Kirchen verzichteten in der Regel auf besondere liturgische Kleidung.

In Deutschland kam es durch den preußischen König Friedrich Wilhelm III. zu einer Sonderentwicklung. Er ordnete 1811 für alle lutherischen, reformierten und unierten Pfarrer (sowie ab 1817 für Rabbiner) das Tragen des schwarzen Talars im Gottesdienst verbindlich an. In der Folge setzte sich der Talar auch in anderen evangelischen Landeskirchen durch.

Liturgische Kleidung in den verschiedenen Konfessionen

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Orthodoxe Kirchen und katholische Ostkirchen

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Orthodoxer Bischof mit Stab und Stephanos (Mitra). Sichtbar sind hier unter anderem auch die Epimanikien
Orthodoxer Priester mit rotem Phelonion und dem vorne herabhängenden Epitrachelion
Russisch-orthodoxe Priester und Diakone

Im byzantinischen Ritus der orthodoxen und der mit Rom unierten Kirchen sind folgende liturgischen Gewänder in Gebrauch:

Römisch-katholische Kirche

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Erzbischof Jose Palma mit Mitra, Stab, Pallium, Pontifikalhandschuhen und Ring, sowie den liturgischen Gewändern Albe, Dalmatik und Kasel, auch sichtbar das Amikt (2012)

Infolge der Liturgischen Bewegung in der römisch-katholischen Kirche wurden alte Schnittmuster wiederentdeckt und wieder eingeführt. Die Konstitution über die heilige Liturgie des Zweiten Vatikanischen Konzils besagt:

„124. Bei der Förderung und Pflege wahrhaft sakraler Kunst mögen die Ordinarien mehr auf edle Schönheit bedacht sein als auf bloßen Aufwand. Das gilt auch für die heiligen Gewänder und die Ausstattung der heiligen Orte. […]“

Sacrosanctum Concilium[3]

Im römischen Ritus werden folgende liturgische Gewänder verwendet:

Ministranten

oder

Evangelische Kirchen

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Ordination in der Schwedischen Kirche
Pernille Vigsø Bagge, dänische Pastorin und Politikerin

Aufgrund der Einstufung liturgischer Kleidung als Adiaphora herrscht im weltweiten Protestantismus diesbezüglich kein einheitliches Bild. Während beim skandinavischen Luthertum der traditionelle Ornat oft weiter im Gebrauch ist, haben sich in den aus der Mission des 19. Jahrhunderts hervorgegangenen Kirchen Talar und Zivilkleidung stärker durchgesetzt. In Deutschland wirkt evangelischerseits der preußische Talar-Erlass von 1811 weiterhin stilbildend.

In den protestantischen Kirchen in Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika ist es eher selten, dass bei Gottesdiensten liturgische Gewänder getragen werden. Ausnahmen bilden hier unter anderem fast alle lutherischen Kirchen.

Lutherische, reformierte und unierte Kirchen in Deutschland

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Talar mit Beffchen der Unierten

Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK)

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In der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche tragen Pastoren im Gottesdienst regelmäßig Albe mit Stola, in der lutherischen Messe ist zusätzlich die Kasel möglich. Daneben ist weiterhin der schwarze Talar mit Beffchen im Gebrauch. Er kann mit Stola und Chorhemd kombiniert werden. Über die liturgische Kleiderordnung entscheiden die einzelnen Gemeinden in der Gemeindeversammlung.

Weitere am Gottesdienst aktiv Beteiligte können ebenfalls liturgische Kleidung tragen.[6]

Evangelische Freikirchen

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In kongregationalistisch geprägten Freikirchen ist der Gebrauch liturgischer Gewänder eher selten. Sie legen jedoch in der Regel Wert auf eine Kleidung, die der besonderen Bedeutung des Gottesdienstes angemessen ist. So dominierte in den Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden beim Pastor und bei den Diakonen am Abendmahlstisch bis in die 1980er Jahre der schwarze Anzug als „Amtskleidung“. Heute ist ein einheitlicher Stil nicht mehr auszumachen. Bei Taufhandlungen, bei denen der evangelisch-freikirchliche Pastor mit dem Täufling im Baptisterium bzw. im Taufgewässer steht, wird von vielen Pastoren ein spezieller Tauftalar bevorzugt. Er unterscheidet sich von anderen Gottesdiensttalaren. Ein V-Ausschnitt und eine weiße Krawatte ersetzen das Beffchen der landeskirchlichen Pastoren. In seinem Saum ist ein Bleiband eingefügt, um das Gewand zu beschweren.

Auch bei Trauerfeiern tragen freikirchliche Pastoren häufig einen Talar, um sich von sogenannten Trauerrednern zu unterscheiden.

Religiös-zeremonielle Gewänder außerhalb des Christentums

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Schon im Schamanismus finden bei kultischen Ritualen besondere Gewänder Verwendung, die die besondere Rolle des Schamanen sichtbar machen.

Die Priester am Jerusalemer Tempel hatten detailliert vorgeschriebene Gottesdienstgewänder. Für den heutigen Synagogengottesdienst gibt es unterschiedliche Amtstrachten; er kann auch ohne besondere Gewänder gefeiert werden. Ein rituelles Kleidungsstück ist der Gebetsmantel (Tallit), der von allen Betenden in der Synagoge wie auch beim privaten Morgengebet getragen wird.

Der Vorbeter (Imam) im Islam trägt bei den Moscheegottesdiensten keine besondere Kleidung.

Siehe auch

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Literatur

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Commons: Liturgische Gewänder – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. [1]
  2. orthodoxwiki.org
  3. Sacrosanctum Concilium („Konstitution über die heilige Liturgie“).
  4. AEM, 301.
  5. Paramentenwerkstatt. Abgerufen am 18. Dezember 2019.
  6. Online-Lexikon der SELK, Art. Liturgische Gewänder