Ludger Heidbrink (2019)

Ludger Heidbrink (* 13. Juni 1961 in Bochum) ist ein deutscher Philosoph. Er ist Professor für Praktische Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Forschungsfelder umfassen neben der Philosophie der Moderne die historischen und systematischen Grundlagen der Ethik, Verantwortungstheorien, politische Philosophie, Sozialphilosophie, Unternehmens- und Konsumentenethik sowie die Disziplin der Wirtschaftsphilosophie.

Werdegang

Heidbrink wurde in Bochum geboren und wuchs am Möhnesee auf. Nach dem Abitur in Soest studierte er Philosophie, Publizistik, Germanistik und Kunstgeschichte in Münster und Hamburg. 1992 promovierte er an der Universität Hamburg im Fach Philosophie bei Herbert Schnädelbach. Er arbeitete als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter an den Universitäten Hamburg, Rostock, Lüneburg und Kiel, wo er sich 2003 im Fach Philosophie bei Wolfgang Kersting habilitierte.

Ab 2004 leitete er am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen die Forschungsgruppe „Kulturen der Verantwortung“. 2007 wurde er am selbigen Institut zum Direktor des Center for Responsibility Research ernannt. Zwei Jahre später berief ihn die Universität Witten-Herdecke zum außerplanmäßigen Professor für Corporate Responsibility und Corporate Citizenship. Seit Oktober 2012 ist Heidbrink Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Von 2013 bis 2015 war er Gastprofessor für Corporate Responsibility & Citizenship am Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung und Corporate Governance an der Universität Witten-Herdecke.

Ludger Heidbrink ist Direktor des Kiel Center for Philosophy, Politics and Economics (KCPPE)[1], Co-Direktor des Gustav Radbruch Netzwerks für Ethik und Philosophie der Umwelt der CAU[2], Vorstandsmitglied der Wertekommission e. V.[3] für wertebewusste Führung sowie Leiter der AG Wirtschaftsphilosophie und Ethik der Deutschen Gesellschaft für Philosophie.[4] Er ist als wissenschaftlicher Beirat des Berliner Forums für Ethik in Wirtschaft und Politik tätig und Mitglied im Ausschuss Wirtschaftswissenschaften und Ethik des Vereins für Socialpolitik.[5] Im Oktober 2018 wurde er in das wissenschaftliche Koordinierungsgremium des Netzwerks Verbraucherforschung im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherforschung (BMJV)[6] berufen.

Seit dem Wintersemester 2015/2016 bietet Heidbrink an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gemeinsam mit Konrad Ott (Professor für Philosophie und Ethik der Umwelt) den interdisziplinären Master-Studiengang „Praktische Philosophie der Wirtschaft und Umwelt“[7] an. Der Studiengang orientiert sich am Oxforder PPE-Modell und ist mit seiner Kombination aus Wirtschaftsphilosophie und Umweltethik in Deutschland einmalig.

Er war von 2014 bis 2020 Direktor für Unternehmensethik und Konsumentenethik am Zentrum für Wirtschaftsethik des Deutschen Netzwerks für Wirtschaftsethik (DNWE)[8].

Forschung

In seinen frühen Forschungen beschäftigte sich Heidbrink mit dem ambivalenten Charakter des Fortschritts und der geschichts- und gesellschaftsphilosophischen Kritik der Moderne. Seine Promotionsschrift „Melancholie und Moderne. Kritik der historischen Verzweiflung“ wurde 1994 im Wilhelm Fink Verlag publiziert.[9]

In der darauf folgenden Zeit befasste er sich vor allem mit der Frage, inwieweit sich das Verantwortungsprinzip auf komplexe soziale Prozesse übertragen lässt und wo die Grenzen der Zuschreibung von Verantwortung in funktional differenzierten Gesellschaften liegen. Seine Habilitationsschrift „Kritik der Verantwortung. Zu den Grenzen verantwortlichen Handelns in komplexen Kontexten“ wurde 2003 im Velbrück Verlag veröffentlicht.[10]

Die Schwerpunkte seiner heutigen Forschung liegen in zwei Bereichen. Zum einen setzt sich Heidbrink mit der aktuellen Entwicklung des Liberalismus auseinander, die von der Krise des demokratischen Systems bis zur Erosion normativer Grundlagen reicht. Heidbrink sieht in dieser Entwicklung einen sukzessiven Übergang vom Liberalismus zum Postliberalismus.[11]

Zum anderen stehen in seinen Arbeiten die Wirtschaftsethik und Wirtschaftsphilosophie im Vordergrund. Heidbrink vertritt die Position, dass wirtschaftliche Akteure die Verantwortung für die „Aufrechterhaltung der Funktionsbedingungen des Gesellschaftssystems“ tragen, „das ihnen ihre operativen Tätigkeiten ermöglicht“.[12]

Wirken

Heidbrink hat den Begriff der Verantwortung entscheidend geprägt.[13] Er unterteilt ihn in vier Bereiche: „Verantwortung als Zurechnungsfähigkeit und Zuständigkeit, als folgenbasierte Legitimation, als kontextualistisches Reflexionsprinzip sowie als Struktur- und Steuerungselement“.[14]

Heidbrink plädiert dafür, die Grenzen der Unternehmens- und Konsumentenverantwortung genauer in den Blick zu nehmen. Warum besteht in unserer Wirtschaft eine große Kluft zwischen behaupteter und tatsächlicher Verantwortungsübernahme? Welche Anreize können gesetzt werden, um Unternehmen zu einer verantwortungsvolleren Wirtschaft zu motivieren? „Worin bestehen die Chancen, aber auch die Grenzen der Mitverantwortung des Konsumenten für eine sozial- und umweltverträgliche Entwicklung der Gesellschaft“?[15] Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf die Marktwirtschaft? Heidbrink fordert unter anderem ein verändertes Anreiz- und Bonussystem, das sich nicht nur am bloßen Gewinn orientiert, sondern auch autonomes und verantwortungsvolles Handeln in Unternehmen einbezieht und honoriert.[16] Er argumentiert außerdem dafür, dass Konsumenten ähnlich wie Unternehmen eine „Consumer Social Responsibility“ besitzen, die sie zu einem nachhaltigen Alltagskonsum verpflichtet.[17] Mit seinen Arbeiten liefert Ludger Heidbrink einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Verbraucherverhaltens und zur Zukunftsfähigkeit der Konsumgesellschaft. Insgesamt vertritt Heidbrink eine dezidiert wirtschaftsphilosophische Position. Weil die Wirtschaftsethik zumeist nur den begrenzten Teil des moralischen Handelns im Auge hat, ist für Heidbrink die Wirtschaftsphilosophie die wichtigere Disziplin, da sie Fragen der Wirtschaftsethik, Wirtschaftsgeschichte, Wirtschaftsontologie, Wirtschaftssoziologie und Wirtschaftskultur miteinander verbindet. Sie fungiert als eine Art Brücke zwischen diesen Disziplinen und vermittelt zwischen ökonomischen und philosophischen Ansätzen.[18]

Publikationen (Auswahl)

Monographien und Herausgeberschaften

Aufsätze und Beiträge

Einzelnachweise

  1. Kiel Center for Philosophy, Politics and Economics (KCPPE). In: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Abgerufen am 24. Januar 2019.
  2. Gustav-Radbruch-Netzwerk für Philosophie und Ethik der Umwelt. In: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Abgerufen am 24. Januar 2019.
  3. Wertekommission – Initiative Werte Bewusste Führung e. V. Abgerufen am 24. Januar 2019.
  4. Arbeitsgruppe für Wirtschaftsphilosophie und Ethik. Abgerufen am 24. Januar 2019.
  5. Ausschüsse des Vereins für Socialpolitik. Abgerufen am 24. Januar 2019.
  6. Netzwerk Verbraucherforschung vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherforschung (BMJV). Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Januar 2019; abgerufen am 24. Januar 2019.
  7. Praktische Philosophie der Wirtschaft und Umwelt (Ein-Fach-Masterstudiengang) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Abgerufen am 24. Januar 2019.
  8. Deutsches Netzwerk für Wirtschaftsethik (DNWE). Abgerufen am 24. Januar 2019.
  9. Ludger Heidbrink: Melancholie und Moderne. Zur Kritik der historischen Verzweiflung. Wilhelm Fink Verlag, München 1994, ISBN 3-7705-2926-X.
  10. Ludger Heidbrink: Kritik der Verantwortung. Zu den Grenzen verantwortlichen Handelns in komplexen Kontexten. Velbrück Verlag, Weilerswist 2003, ISBN 3-934730-69-8.
  11. Ludger Heidbrink: Postliberalismus. Zum Wandel liberaler Gesellschaften und demokratischer Politik. In: Renate Martinsen (Hrsg.): Ordnungsbildung und Entgrenzung: Demokratie im Wandel. VS Verlag, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-02718-6, S. 87–103.
  12. Ludger Heidbrink: Unternehmen als politische Akteure. Eine Ortsbestimmung zwischen Ordnungsverantwortung und Systemverantwortung. In: ORDO. Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft. Band 63. Stuttgart 2012, S. 204.
  13. Martin Hartmann: Fragen der Zuständigkeit Überall sollen wir Verantwortung übernehmen. Können wir das? In: Frankfurter Rundschau. 5. Juli 2007, abgerufen am 16. Februar 2019.
  14. Ludger Heidbrink: Definitionen und Voraussetzungen der Verantwortung. In: Ludger Heidbrink, Claus Langbehn, Janina Loh (Hrsg.): Handbuch Verantwortung. Springer Verlag, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-06109-8, S. 3.
  15. Ludger Heidbrink: Die Verantwortung des Konsumenten. Über das Verhältnis von Markt, Moral und Konsum. Hrsg.: Ludger Heidbrink, Imke Schmidt, Björn Ahaus. Campus Verlag, Frankfurt / New York 2011, ISBN 978-3-593-39537-1, S. 7.
  16. Ludger Heidbrink, Alexander Lorch: Boni für Manager? Erst die Moral – dann die Ethik. In: FAZ. 26. Februar 2018, S. 13, abgerufen am 4. Januar 2019.
  17. Ludger Heidbrink: Consumer Social Responsibility. Zur gesellschaftlichen Verantwortung der Konsumenten. In: Ethik & Unterricht. Nr. 1, 2017, S. 7–10.
  18. Ludger Heidbrink, Verena Rauen: Warum Wirtschaftsphilosophie? Eine kontroverse Auseinandersetzung. In: Wolf Dieter Enkelmann, Birger P. Priddat (Hrsg.): Was ist?: Wirtschaftsphilosophische Erkundungen. Metropolis, Marburg 2016, ISBN 978-3-7316-1081-6, S. 183–207.