Schematisches Beispiel für ein Hub-and-Spoke-System, hier am Flughafen Frankfurt

Unter einem (Luftfahrt-)Drehkreuz, auch englisch Hub (Nabe) genannt, versteht man in der Luftverkehrswirtschaft gemeinhin einen Umsteigeflughafen einer Fluggesellschaft zum Umstieg zwischen Kurz-, Mittel- und Langstreckenflügen. Für Luftfracht-Drehkreuze gelten die nachstehenden Ausführungen sinngemäß.

Begriffsklärung

Definition

Der hier behandelte Fachbegriff Drehkreuz (Hub) bezieht sich im Unterschied zu dem sich auf sämtliche Flugverbindungen an einem Flughafen beziehenden Begriff im Sinne eines Luftverkehrsknotenpunkts auf das Streckennetz einer Fluggesellschaft. Der luftverkehrswirtschaftliche Begriff Drehkreuz ist weder wissenschaftlich eindeutig definiert noch gesetzlich normiert. Die Begriffsbedeutung wird in erster Linie von den agierenden Fluggesellschaften geprägt. Ein Drehkreuz ist das planungstechnische Ergebnis einer Netzplanung einer oder mehrerer miteinander kooperierender Fluggesellschaften. Flughäfen, an denen Fluggesellschaften Drehkreuze eingerichtet haben, werden von den Fluggesellschaften oftmals zugleich als Heimat- und/oder Flottenbasis genutzt, wo deren Fluggerät gewartet wird.

Insgesamt müssen folgende fünf Kriterien erfüllt sein, um bei einem Verkehrsflughafen auch im luftverkehrswirtschaftlichen Sinne von einem „Drehkreuz“ sprechen zu können:

Fehlt es an einer der o.a. Voraussetzungen, so handelt es sich lediglich um einen Knotenpunkt innerhalb des Streckennetzes einer Fluggesellschaft, in dem sich verschiedene Flugverbindungen derselben Fluggesellschaft treffen, ohne systematische Umsteigeverbindungen darzustellen.

Hub-and-Spoke-Verfahren

Bei dem Hub-and-Spoke-Verfahren (Nabe-und-Speiche-Verfahren) im Luftverkehr werden Passagiere sowie Güter zunächst von ihrem Abflugsort zum Drehkreuz geflogen, um von dort mit Passagieren und Gütern aus zahlreichen anderen Richtungen (aber mit dem gleichen Ziel) zu ihrem eigentlichen Bestimmungsort weiterzufliegen. Die Anwendung des Hub-and-Spoke-Verfahrens führt zu einer hohen Auslastung (Spitzenlast) der zentralen Verkehrsknoten und der Flugzeuge. Hubs tragen auch dazu bei, dass auf Langstreckenflügen große Maschinen wirtschaftlich betrieben werden können (je größer das Flugzeug und je länger die Flugstrecke, desto geringer sind die anteiligen Betriebskosten für den Transport eines Passagiers). Gleichzeitig werden auf diese Weise auch kleinere regionale Flughäfen an das weltweite Luftverkehrsnetz angeschlossen. Dementsprechend sind am zentralen Drehkreuz hohe Kapazitätsreserven in Bezug auf vorgehaltene Infrastruktur und angebotene Bodenverkehrsdienstleistungen notwendig. Über den Tag verteilt wechseln „Passagiermassen“ in mehreren Wellen aus kleineren Kurz- oder Mittelstreckenflugzeugen in Mittel- oder Langstreckenflugzeuge und umgekehrt.

Boeing 737-300 Goslar am Flughafen Frankfurt, im Hintergrund eine Boeing 777-200 des Lufthansa-Partners United Airlines

Innerhalb verschiedener Allianzen werden die Drehkreuze genutzt, um einen Transfer der Flugpassagiere zwischen den verschiedenen Fluggesellschaften zu ermöglichen. Dies erhöht die Zahl der angebotenen Zielorte für eine Fluggesellschaft, ohne die von Partnergesellschaften bereits bedienten Strecken mit eigenem Personal und Fluggerät betreiben zu müssen. Von dieser erhöhten Flexibilität können auch kleine Kundengruppen profitieren, deren Transport auf bestimmten, geringer nachgefragten, Strecken sich sonst nicht rentieren würde. So fliegt die Lufthansa mittlerweile den gesamten australischen Kontinent nicht mehr selbst an, sondern teilt sich die Fernstrecken nach und von Australien mit ihren Allianz-Partnern, wobei das Drehkreuz „auf halber Strecke“ liegen kann (z. B. in Singapur oder in Bangkok). Große Luftverkehrsgesellschaften bedienen ein bis drei (teilweise aber auch mehr) solcher Drehkreuze. So setzt die Lufthansa Group die Flughäfen Frankfurt und München (mit der Kernmarke Lufthansa) sowie über ihre Tochtergesellschaften Swiss und Austrian Airlines die Flughäfen Zürich und Wien als Drehkreuze ein. Beispiele für Fracht-Drehkreuze in Deutschland sind der Flughafen Köln/Bonn als Europa-Hub von UPS Airlines und seit 2008 der Flughafen Leipzig/Halle als Europa-Hub von DHL.

Es kommen unterschiedlichen Arten von Hub-and-Spoke-Systemen vor.

Vorteile von Drehkreuzen

Flagcarrier haben üblicherweise mindestens ein Drehkreuz in ihrem Streckennetz. So müssen nicht zwischen allen möglichen Orten Nonstopflüge durchgeführt werden. Dies wäre nicht rentabel, da die Flugzeuge nur selten oder nie so ausgelastet wären, dass sich Beschaffung, Einsatz und Wartung lohnen würden. Die Flugauslastung auf einzelnen Hauptstrecken kann erhöht werden, indem dem Drehkreuz von verschiedenen dezentralen Flughäfen aus Passagiere und Fracht für eine Hauptstrecke „zugeliefert“ werden.

An überdurchschnittlich stark frequentierten internationalen Großflughäfen verschaffen sich manche Fluggesellschaften einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil durch die Nutzung von gesonderten Terminals mit Drehkreuzfunktion, um mit kürzeren Fußwegen die Umsteigezeit für ihre Passagiere zusätzlich zu verringern, zum Beispiel Air France am Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle.

Nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden Zunahme des Linienflugverkehrs und der damit zusammenhängenden Überlastungen mancher Drehkreuze wächst allerdings das Kundenbedürfnis nach Nonstop-Flugverbindungen. Das Konzept mittelgroßer, komfortabler Langstreckenjets (Boeing 787, Airbus A350) sucht diesem Kundenbedürfnis Rechnung zu tragen. Für Langstrecken mit nochmals weniger Nachfrage gibt es die Airbus-A321neo-Variante A321XLR. Billigfluggesellschaften haben selten und Ferienflieger nie Drehkreuze, da sie überwiegend nachfragestarke Kurz- und Mittelstrecken mit Schmalrumpfflugzeugen fliegen und deshalb Direktverbindungen anbieten können. Weniger nachgefragte Verbindungen bieten sie nicht täglich an.

Wirtschaftsgeographische Vorteile

Die Positionierung als wichtiges Drehkreuz hat wegen der besseren Flugverbindungen gravierende übergeordnete Standortvorteile:

Durch einen Hub gewinnt eine Stadt durch ihre bessere Erreichbarkeit an Zentralität im Weltwirtschaftssystem. Dies hat wiederum Auswirkung auf die Standortwahl bei der Ansiedlung neuer Unternehmen, von Konzernzentralen und Dienstleistern[1], und wegen des großen Angebots günstiger Flüge evtl. auch auf die Lenkung des Fremdenverkehrs (z. B. Las Vegas). Die strategische Positionierung der Stadt Dubai im internationalen Wirtschaftssystem setzt ebenfalls auf diese sich gegenseitig verstärkenden Konzentrationseffekte.

In den kommenden Jahren ist insbesondere in Asien die Entwicklung neuer Drehkreuze in Konkurrenz zu etablierten Hubs wie Singapur, Bangkok, Kuala Lumpur oder Tokio zu erwarten.

Vorteile von mehreren Drehkreuzen

Auslastungsbedingte Vorteile

Lufthansa betreibt neben ihrem wichtigsten Standort Frankfurt seit 1996 ein weiteres Drehkreuz in München, ursprünglich weil der Frankfurter Flughafen damals seine Auslastung erreicht hatte und der weitere Ausbau nur mit Verzögerungen realisiert werden konnte. Zwischenzeitlich hat sich München jedoch zu einem eigenständigen Luftfahrt-Drehkreuz entwickelt, das auch ohne die Problematik in Frankfurt Vorteile bietet.

Die aus der Fusion von Air France und KLM entstandene Gesellschaft Air France-KLM nutzt aus o. a. Gründen weiterhin sowohl den Flughafen Amsterdam-Schiphol, als auch den Pariser Flughafen Charles de Gaulle als Drehkreuze. Auch der Flughafen Zürich wird nach der Übernahme der Swiss durch den Lufthansa-Konzern als „Schweizer Drehkreuz“ weitergenutzt.

Geographische Vorteile

Um etwa die gesamte Fläche der USA abzudecken, ist es vorteilhafter, an der Ost- und an der Westküste mindestens je einen Hub zu bedienen, da bei der Alternative eines einzigen zentralen Hubs im Mittelwesten (Chicago, Denver, Dallas oder Minneapolis) ansonsten die Umwege zu groß und damit für viele Passagiere uninteressant werden (z. B. für die Strecke Seattle – Los Angeles).

Nationale und internationale Drehkreuze

Drehkreuze sind insbesondere in Flächenländern mit hohem inländischen Flugaufkommen wie den USA von großer Bedeutung. So macht der internationale Luftverkehr auf den beiden größten Flughäfen der Welt, Atlanta und Chicago O’Hare, nur 10 bis 15 Prozent des gesamten Passagieraufkommens aus. Wesentlich größere internationale Drehkreuze US-amerikanischer Fluggesellschaften sind zum Beispiel auf dem im Vergleich mit Atlanta deutlich kleineren New Yorker John F. Kennedy Airport eingerichtet, auf dem die internationalen Passagiere 48 Prozent ausmachen. Das Drehkreuz in Dubai auf dem Flughafen Dubai International Airport mit der Heimatfluggesellschaft Emirates dürfte aktuell die mustergültigste Drehkreuzumsetzung der Welt sein. Während andere große Drehkreuze auf Flughäfen liegen, die auch regelmäßiges Endziel von Flugreisenden sind, ist Dubai für die meisten Passagiere tatsächlich nur ein Umsteigeflughafen. Dementsprechend hat auch keine andere Fluggesellschaft wie Emirates eine so große Flotte von besonders großen drehkreuztauglichen Großraumflugzeugen, z. B. des Airbus A380.

Drehkreuze an den größten Luftverkehrsknotenpunkten

Rang International National Gesamt
1 London Heathrow Atlanta Hartsfield Jackson Atlanta Hartsfield Jackson
2 Paris Charles de Gaulle Chicago O’Hare Beijing International
3 Flughafen Frankfurt Main Tokio-Haneda London Heathrow
4 Amsterdam Schiphol Los Angeles International Tokio-Haneda
5 Hong Kong International Dallas/Fort Worth Los Angeles International
Bezogen auf das Passagieraufkommen.

Kritik

Literatur

Einzelnachweise

  1. Conventz, S.; Derudder, B.; Thierstein, A.; Witlox, F. (2014): Hub Cities in the Knowledge Economy: Seaports, Airports, Brainports. Taylor & Francis.