Martin Hengel (* 14. Dezember 1926 in Reutlingen; † 2. Juli 2009 in Tübingen[1]) war ein deutscher evangelischer Theologe und Neutestamentler in Tübingen.

Leben

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Hengel promovierte 1959 bei Otto Michel[2] und habilitierte sich 1967 in Tübingen. 1968 wurde er Professor in Erlangen. Von 1972 bis 1992 war er Professor für Neues Testament und Antikes Judentum an der Eberhard Karls Universität Tübingen und Direktor des Instituts für antikes Judentum und hellenistische Religionsgeschichte. Seit 1992 war er emeritiert. Hengel war Ehrendoktor der Universitäten Uppsala und Straßburg, Doctor of Divinity der Universitäten St. Andrews, Durham und Cambridge sowie Litt. D. der Universität Dublin. 1975 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der British Academy gewählt.[3] Seit 1978 war er Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und seit 1999 auswärtiges Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften.[4]

2009 starb Hengel und wurde auf dem Tübinger Bergfriedhof beigesetzt.[5]

Hengel als Neutestamentler

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Hengel war Experte für die Geschichte des frühen Judentums zur Zeit des Neuen Testaments und beschäftigte sich insbesondere mit den Einflüssen des Hellenismus auf das palästinische Judentum. Er zeigte auf, dass Judentum und Hellenismus einander in komplexer Weise beeinflussten, und korrigierte dabei einige Grundannahmen der Religionsgeschichtlichen Schule, insbesondere Thesen von Rudolf Bultmann.

Als Forscher mit breiter Anerkennung erlaubte sich Hengel kritische Urteile über Tendenzen in der neutestamentlichen Wissenschaft. So beurteilte er die Konzentration auf das relativ umfangarme Neue Testament skeptisch:

„Die (Hyper-)Spezialisierung auf eine Schriftensammlung von 680 Seiten ist uns nicht gut bekommen, vielmehr hat man Hypothesenlabyrinthe errichtet, aus denen wir oft nur noch schwer herausfinden.“[6]

Hengel vertrat die Ursprünglichkeit der Evangelien-Überschriften („Evangelium nach Markus“ usw.), denn eine nachträgliche Einführung von Verfassernamen hätte sich kaum in solcher Einheitlichkeit – wie sie im Handschriftenbefund vorliegt – durchgesetzt. Mit dem Bild einer solchen nachträglichen Einführung werde „ein unhistorischer Popanz aufgebaut, der bis heute die Köpfe der Exegeten verwirrt“.[7] Hengel bezweifelte, dass Q existierte, und meinte, „daß die Logienquelle Q selbst zu einem modernen, pseudowissenschaftlichen ‚Mythos‘ geworden ist“. Stattdessen nahm er die Benutzung des Lukasevangeliums durch Matthäus an. Aber „ein rein literarisches Abhängigkeitsmodell“ könne „die ‚Synoptische Frage‘ nicht beantworten“.[8]

Auch weitere Tendenzen wurden von Hengel abgelehnt, so meinte er etwa: „Den immer noch so beliebten ‚unmessianischen Jesus‘ hat es nie gegeben“, oder er sprach vom „heute weithin überschätzten Thomasevangelium“.[9]

Hengel vertrat Spätdatierungen der Evangelien, nämlich (ungefähr): Markus 69/70, Lukas 75/80, Matthäus 90/100, Johannes 100/105.[10]

Schüler

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Zu seinen Schülern gehörten Jörg Frey, Professor an der Universität Zürich, Ulrich Heckel, Professor apl. an der Universität Tübingen und Oberkirchenrat für Theologie, Gemeinde und Weltweite Kirche in Stuttgart, Ulrike Mittmann, Professorin an der Universität Osnabrück, Reinhard Feldmeier, Professor an der Universität Göttingen, Rainer Riesner, Professor an der TU Dortmund, Friedrich Avemarie (1960–2012), zuletzt Professor an der Universität Marburg, und Roland Deines, Professor an der Internationalen Hochschule Liebenzell.

Schriften

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Anmerkungen

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  1. https://theoblog.de/martin-hengel-1926%E2%80%932009/4055/
  2. Martin Hengel: Die Zeloten. Vorwort zur ersten Auflage (Tübingen, 1961).
  3. Deceased Fellows. British Academy, abgerufen am 9. Juni 2020.
  4. Past Members: Martin Hengel. Königlich Niederländische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 8. Mai 2023 (mit Link zur Biografie, niederländisch).
  5. Ulrich Heckel: Die Kraft des Evangeliums (Röm 1,16). Beerdigung von Professor Dr. Martin Hengel am 10. Juli 2009 auf dem Bergfriedhof in Tübingen. In: Theologische Beiträge 40 (2009), S. 306–310.
  6. Hengel: Die vier Evangelien, 2008, S. 11. Angeführt von Franz Graf-Stuhlhofer: Auf der Suche nach dem historischen Jesus. Über die Glaubwürdigkeit der Evangelien und die Zweifel der Skeptiker. Leun 2013, S. 17.
  7. Hengel: Die vier Evangelien, 2008, S. 170, 99, 72; Hengel, Schwemer: Jesus und das Judentum, 2007, S. 217.
  8. Hengel: Die vier Evangelien, 2008, S. 10, S. VIII und Kap. VII. – Angaben übernommen von der Rezension dieses Buches durch Franz Graf-Stuhlhofer in: Jahrbuch für Evangelikale Theologie 23, 2009, S. 277f.
  9. Hengel, Schwemer: Jesus und das Judentum, 2007, Vorwort und S. 197. – Angaben übernommen von der Rezension dieses Buches durch Franz Graf-Stuhlhofer in: European Journal of Theology 18, 2009, S. 92f. (dort auch zahlreiche kritische Hinweise).
  10. Hengel: Die vier Evangelien, 2008, S. 275, 354.
Personendaten
NAME Hengel, Martin
KURZBESCHREIBUNG deutscher evangelischer Theologe und Neutestamentler
GEBURTSDATUM 14. Dezember 1926
GEBURTSORT Reutlingen
STERBEDATUM 2. Juli 2009
STERBEORT Tübingen