V. l. n. r.: Jet-, Integral- und Klapphelm

Ein Motorradhelm, amtlich Schutzhelm, umgangssprachlich Sturzhelm genannt, ist ein Teil der Schutzkleidung für Motorradfahrer und schützt dessen Kopf bei einem Verkehrsunfall vor lebensbedrohlichen Verletzungen. Das Tragen eines Schutzhelmes ist für Motorradfahrer in den meisten Ländern im öffentlichen Verkehrsraum gesetzlich vorgeschrieben.

Hintergrund

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Ein Motorradfahrer ist gegenüber Autofahrern erhöhten Gefahren ausgesetzt, weil

Aus diesen Gründen werden von motorisierten Zweiradfahrern üblicherweise Schutzhelme getragen. Sie verringern nach einer Studie bei Verkehrsunfällen die Rate an Schädel-Hirn-Traumata der Motorradfahrer um etwa 70 % und die Sterblichkeit um etwa 40 %.[1]

Vorschriften

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Motorradhelm aus den 1960er Jahren

Das Tragen eines Schutzhelmes ist für Motorradfahrer in den meisten Ländern gesetzlich vorgeschrieben. In den meisten europäischen Ländern gilt dies auch für Fahrer von Mopeds und Mofas und zum Teil auch Quads und Trikes.

Konkret gilt für Deutschland gemäß § 21a Abs. 2 StVO, dass Führer und Mitfahrer von Krafträdern oder offenen drei- oder mehrrädrigen Kraftfahrzeugen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h während der Fahrt einen geeigneten Schutzhelm tragen müssen. Dies gilt nicht, wenn vorgeschriebene Sicherheitsgurte angelegt sind. Ausnahmeregelungen, wie z. B. für den Motorroller BMW C1, ergeben sich aus der 8. Ausnahmeverordnung zur StVO.[2]

Helmpflicht für Kraftradfahrer besteht in der Bundesrepublik Deutschland seit 1976 (nach DIN 4848), in der ehemaligen DDR ebenfalls seit 1976 (nach StVO). 1980 wurde ein Verwarnungsgeld bei Fahrten ohne Schutzhelm (für Fahrer und Sozius) eingeführt. Zum 1. Januar 1990 wurde die bisherige DIN 4848 durch die ECE-22 Norm ersetzt. Durch zwei Ausnahmeverordnungen wurde diese Vorschrift so gestaltet, dass auch Helme, die nicht nach ECE geprüft wurden, in der Bundesrepublik zulässig sind, solange sie aufgrund ihrer Bauart als Schutzhelme geeignet sind.[3]

Aufbau

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Bauarten

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Motorradfahrer mit Lederhelm in Estland, 1970er
Integralhelm
Klapphelm
Halbschalenhelm
Scorpion EXOTech Modularhelm in drei Stellung: Links zu, Mitte Halbstellung, Rechts Offen

Verwendete Werkstoffe

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Grob unterteilt werden die Helmschalen aus zwei verschiedenen Werkstoffgruppen (Kunststoffen) gefertigt:

Das energieabsorbierende Material im Inneren des Helmes besteht in der Regel aus geschäumtem Polystyrol.

Visiere

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Die Visiere von Motorradhelmen bestehen üblicherweise aus Polycarbonat. Dieser durchsichtige Kunststoff ist schlagfest und splittert nicht. Außerdem ist er unempfindlich gegen die UV-Strahlung der Sonne. Anders als etwa Plexiglas versprödet Polycarbonat nicht durch Austrocknung. Viele Visiere heutzutage sind kratzfest, d. h., sie sind mit einer widerstandsfähigen Klarlackschicht überzogen. Diese verträgt jedoch keine Politur oder aggressive Reinigungsmittel.

Integralhelm-Visiere neigen (besonders bei Regen) zum Beschlagen, daher gibt es häufig eine Rasterstellung, bei der einerseits das Visier fast geschlossen ist und kaum Wasser eindringen kann, andererseits aber Frischluft das Beschlagen verhindert. Eine andere Möglichkeit sind ab Werk aufgebrachte, spezielle Antibeschlagbeschichtungen, welche allerdings empfindlich sind. Andere Hersteller bieten gegen das Beschlagen zusätzliche Innenvisiere an. Weiterhin finden auch handelsübliche Antibeschlagmittel Anwendung, welche nachträglich aufgetragen werden können. Andere Zubehörteile, wie Atemabweiser, welche die Ausatemluft nach unten leiten, können das Beschlagen ebenfalls vermindern.

Es gibt verschiedene Visierarten:

Funktion und Handhabung

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Motorradhelm mit Sturzspuren

Moderne Helme sind so konzipiert, dass sie bei einer Krafteinwirkung, z. B. einem Schlag, diese in Verformungsenergie umwandeln. Entscheidend ist dabei weniger das Material der Außenschale, sondern mehr die Beschaffenheit der Innenpolsterung (normalerweise Styropor-Schaum), die zwischen Außenschale und Innenfutter sitzt. Diese Schicht ist der einzige komprimierbare Teil des Helmes, sie übernimmt beim Aufprall die eigentliche Dämpfung. Die Helmschale verteilt bei einem Aufschlag die auftretenden Kräfte auf eine möglichst große Fläche und wird dabei elastisch verformt; danach kehrt sie wieder in die ursprüngliche Form zurück. Dagegen erleidet die Styroporschicht eine plastische, also bleibende Verformung.

Durch diese dauerhafte Verformung kann der Helm den Kopf durch Dämpfung nicht mehr schützen. Deshalb wird empfohlen, einen Helm nach einem Unfall nicht mehr zu benutzen oder dem Hersteller zur Prüfung einzusenden, auch wenn optisch nur leichte oder keine Beschädigungen erkennbar sind.

Helme werden durch Kinnriemen am Kopf fixiert; heute sind dies Ratschenverschlüsse. Ohne geschlossenen Kinnriemen hat der Helm keine ausreichende Schutzwirkung, da er sich bei einem Unfall vom Kopf lösen kann. Dies ist auch in rechtlicher Hinsicht erforderlich, das Nichtschließen kann in Deutschland als „Nichttragen“ geahndet werden (Regelsatz bei fahrlässiger Begehungsweise 15 €). Auch ein beschädigter Helm (Beulen, Risse oder Löcher in der Außenschale, nach starken Druck- oder Zugkräften, nach Stürzen auch aus geringer Höhe) bietet eventuell eine verminderte Schutzwirkung. Klapphelme dürfen in der Regel nur in geschlossenem Zustand verwendet werden, das Fahren mit hochgeklapptem Kinnteil ist nur bei Helmen zulässig, die zusätzlich eine Prüfung als Jethelm haben (sog. P/J-Zulassung).

Helmabnahme nach einem Unfall

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Die weit verbreitete Annahme, dass Ersthelfer beim bewusstlosen und/oder verunfallten Motorradfahrer grundsätzlich den Helm nicht abnehmen dürfen oder sollten, ist falsch.[5] Die Atmung kann nur ordentlich kontrolliert werden und lebensrettende Sofortmaßnahmen können nur angewendet werden, wenn der Helm entfernt wurde. Allerdings sollte auf die Stabilisierung der Halswirbelsäule geachtet werden.[5][6][7] Auch bei nicht bewusstlosen Patienten ist, sofern sie dies nicht schon selbst getan haben, das Abnehmen des Helms ratsam, da nur dann umgehend auf einen sich ändernden Bewusstseinszustand oder weitere Komplikationen (Atemnot, Erbrechen etc.) reagiert werden kann.

Die Helme haben rote Kennzeichnungen, an denen Ersthelfer erkennen können, wo der Helm geöffnet werden kann. Moderne Integralhelme haben am Helmeinstieg häufig zwei rote Laschen, mit denen das Helminnenfutter durch den Ersthelfer teilweise entfernt werden kann, um das Abnehmen des Helmes zu vereinfachen.

Sicherheitsnormen

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ECE-Aufnäher im Motorradhelm

Die aktuelle ECE-Norm 22/05 für Helme legt folgende Sicherheitskriterien bei der Prüfung fest:

Bei der Prüfung nach ECE 22/06 gelten zusätzlich noch:

International sind diverse weitere Normen und Prüfinstitutionen im Einsatz, z. B.:

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Commons: Motorradhelm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Motorradhelm – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. B. C. Liu, R. Ivers, R. Norton, S. Boufous, S. Blows, S. K. Lo: Helmets for preventing injury in motorcycle riders. In: Cochrane Database Syst Rev. (1), 23. Jan 2008, S. CD004333. Review. PMID 18254047
  2. ifz – Statement zum Thema „Helmtragepflicht von motorisierten Zweiradfahrern“ (Memento vom 26. Oktober 2016 im Internet Archive), abgerufen am 26.10.16
  3. ECE-Pflicht für Motorrad-Helme in Deutschland? abgerufen am 19. Juni 2013.
  4. Motorrad Online: Multihelme im Test. abgerufen am 10. Oktober 2013.
  5. a b Rotkreuz-Tipps: erste Hilfe bei Motorrad-Unfällen – Bei Bewusstlosigkeit muss der Helm abgenommen werden. 10. April 2009, auf der Webseite des Österreichischen Roten Kreuzes. (letzter Zugriff am 27. April 2010)
  6. Malteser Hilfsdienst: Erste-Hilfe-Handbuch. Dorling Kindersley, München 2007, ISBN 978-3-8310-1008-0, S. 39.
  7. DRK online - Helm abnehmen abgerufen am 30. Dez. 2023
  8. standards.org.au@1@2Vorlage:Toter Link/www.standards.org.au (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  9. crash.org.au
  10. Associação Brasileira de Normas Técnicas (ABNT)
  11. Thailand Automotive Institute (abgerufen am 30. Oktober 2015, in Englisch)
  12. quatest3.com.vn (Memento des Originals vom 25. November 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.quatest3.com.vn