Osmanischer Lloyd
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Beschreibung | deutschsprachige Tageszeitung |
Hauptsitz | Konstantinopel/Istanbul |
Erstausgabe | 18. November 1908 |
Einstellung | 1918 |
Erscheinungsweise | täglich |
Herausgeber | Auswärtiges Amt und Deutsche Botschaft in Konstantinopel |
ZDB | 1060005-X |
Der Osmanische Lloyd (franz. Lloyd Ottoman) war eine Tageszeitung, die von 1908 bis 1918 in Konstantinopel (seit 1930 Istanbul) im Osmanischen Reich in deutscher und französischer Sprache erschienen ist. Als halbamtliches Blatt, das vom Auswärtigen Amt und der Deutschen Botschaft Konstantinopel, als auch von den Investoren der Bagdadbahn finanziert wurde, setzte sie sich für die Interessen der deutschen Nahostpolitik ein.
Nach Einstellung der kurzlebigen Osmanischen Post (1890–1895) und des Konstantinopler Handelsblatts (1896–1905) wurde der Osmanische Lloyd zur ersten überregionalen deutschsprachigen Zeitung im Osmanischen Reich. Ursprünglich war geplant, das Blatt in deutscher und osmanischer Sprache herauszugeben. Weil das osmanische Türkisch jedoch bis 1928 mit arabischen Schriftzeichen geschrieben wurde, erschien der Osmanische Lloyd aus Kostengründen in Deutsch und Französisch, in der Hoffnung, dass er auch attraktiv für das frankophone Bürgertum in der Levante würde.
Ziel seiner Geldgeber war eine Vertiefung der osmanisch-deutschen Beziehungen, die sich vor allem auf militärisch-strategischem und wirtschaftlichem Gebiet entwickelten.[1] An der Finanzierung waren neben dem Auswärtigen Amt unter anderem die Deutsche Bank, das Bankhaus S. Bleichröder, die Deutsche Orientbank, Daimler, Siemens und die Friedrich Krupp AG beteiligt. Im Ersten Weltkrieg wurde die Zeitung stark von der Nachrichtenstelle für den Orient beeinflusst, einer Propagandaabteilung des deutschen Generalstabs. Bis zum Kriegsende verbreitete der Osmanische Lloyd im Interesse des Erhalts des osmanisch-deutschen Bündnisses propagandistische Nachrichten über die Mittelmächte und den Kriegsverlauf.[1]
Die Zeitung weist während ihres Erscheinungsverlaufs auffällig viele Wechsel in der Schriftleitung auf, die zumeist auf verschiedene Auseinandersetzungen zwischen den Redakteuren und dem Auswärtigen Amt zurückgehen. Erster Chefredakteur war von 1908 bis 1914 E. M. Grunwald, der frühere stellvertretende Chefredakteur der Vossischen Zeitung. Eine wesentliche Rolle bei der Gründung der Zeitung spielte der seit 1891 in Konstantinopel lebende und hervorragend vernetzte sozialdemokratische Orientalist, Kunsthistoriker und Journalist Friedrich Schrader.[2][3]
Die letzte Ausgabe des Osmanischen Lloyds erschien am 7. Oktober 1918. Als direktes Nachfolgeblatt wird von türkischen Historikern die Türkische Post angesehen, welche von 1926 bis 1944 erschien und ebenfalls von Anbeginn unter der Kontrolle des Auswärtigen Amtes stand.[4]
„In ihrer Einstellung gegenüber ausländischen Journalisten empfand ich die Türken als ausnahmslos freundlich. Die jüdisch-deutschen Herausgeber von Zeitungen wie dem Osmanischen Lloyd oder dem Jeune Turc waren weniger höflich....... Als ‚Mr Greafs‘ or ‚Grafs‘ empfing ich selbst einige der Pfeile der nichttürkischen Mietlinge der Jungtürken, die die britischen Kritiker der Intrige, Reaktion – ein so allumfassendes Wort, wie es Bolschewismus und Faschismus geworden sind – Türkophobie und der Bestechlichkeit bezichtigten, und hartherzig deren eigene Namen eindeutschten.[7]“
„Dr Schrader ist ein merkwürdiger Mensch, der uns vielleicht nützlich sein kann. Ich war gestern abend privatim bei ihm und will Ihnen einiges aus der Unterhaltung mit ihm mitteilen, weil er für unsere politischen Beziehungen von Wert ist. Dr. Schrader lebt seit 20 Jahren in Konstantinopel und war seit der Begründung des Osmanischen Lloyd der Leitartikler des Blattes. Er behauptet, dass die hiesige Botschaft und ebenso das deutsche Auswärtige Amt ziemlich antisemitisch seien und kein Verständnis für die Bedeutung der Juden im Orient für das Deutschtum hätten. Der frühere Botschafter Marschall von Bieberstein habe dieses Verständnis gehabt, der jetzige Botschafter von Wangenheim sei ein unbedeutender Mensch, mit dem auch die deutschen Kaufleute nicht zufrieden seien, weil er für ihre Interessen kein Verständnis habe. Die Botschaft habe schon mehrfach die judenfreundliche Haltung des „Osmanischen Lloyd“ kritisiert und er habe Unannehmlichkeiten gehabt, als er einmal eine lobende Besprechung über eine hier aufgetretene jiddische Theatertruppe gebracht habe. Dr. Schrader erklärt, weder hier noch in Berlin sei etwas von freundlicher Haltung für die Juden oder die Kolonisation in Palästina zu bemerken. Der Pressedezernent in Berlin, Geheimrat Hammann, und die hiesigen Botschaftsräte Graf Kanitz und Herr v. Mutius seien eher antisemitisch. Dr Schrader drückte sich mit grosser Schärfe aus, und wenn er auch vielleicht aus irgendwelchen persönlichen Gründen übertreibt (er ist nämlich sehr demokratisch und judenfreundlich, seine Frau ist eine als kleines Kind getaufte Spaniolin) so ist seine Meinungsäusserung doch sehr beachtenswert, da er gerade diese Frage bei seiner Stellung und seiner Erfahrung gut kennen muss. Ich werde mit ihm in Fühlung bleiben […]“