Landschaft mit Pilger, Gemälde von Karl Friedrich Schinkel

Ein Pilger oder Wallfahrer (Plural auch Wallleute) ist eine Person, die eine Wallfahrt unternimmt. Das Wort Pilger, veraltet auch Pilgrim („Fremdling“), stammt von lateinisch peregrinus (oder peregrinari, „in der Fremde sein“) ab. Ein einzelner Pilger wurde früher als Pilgersmann oder Pilgersfrau bezeichnet. Im Kirchenlatein bezeichnet Pelegrinus eine Person, die aus Glaubensgründen in die Fremde zieht, zumeist eine Wallfahrt zu einem Wallfahrtsort unternimmt, zu Fuß oder auch unter Verwendung eines Transportmittels.

Der Anlass einer Pilgerfahrt kann eine auferlegte Buße sein, das Bemühen, einen Ablass zu gewinnen, die Erfüllung eines Gelübdes, ein bestimmtes Anliegen, geistliche Vertiefung oder die Abstattung von Dank. Ziel ist ein als heilig betrachteter Ort, etwa eine Wallfahrtskirche, ein Tempel, ein Baumheiligtum usw.; das Pilgerwesen war und ist eng verbunden mit der Reliquienverehrung. In säkularisierten Gesellschaften wird Pilgern auch als eine Form des Wanderns betrieben[1] oder das Wort Pilgern wird im übertragenen Sinn gebraucht, z. B. „Kunstliebhaber pilgern zur documenta“.[2]

Näheres zur Etymologie

Wortwörtlich ist der Pilger einer, der lateinisch „per agrum“, also von „über Land“, von jenseits des Ager Romanus kommt, wobei mit ager kein bebautes Feld gemeint ist, sondern das im Besitz befindliche, zur Civitas gehörige Land. Insofern ist „Fremdling“ eine angemessene Übersetzung des Begriffes.

Vom Begriff „Pilger“ abgeleitet ist die in der österreichischen Umgangssprache abwertende Bezeichnung „Pülcher“, was „Gauner“, „Strolch“ oder „Betrüger“ bedeutet. Als etymologische Erklärung wird angegeben, dass manche Vagabunden, Zechpreller, Betrüger sich in Raststätten fälschlicherweise als Pilger ausgegeben hatten, und ohne die Zeche oder das Nächtigungsgeld zu bezahlen weiterzogen.[3]

Wallfahrtsorte der Antike

In früher Zeit galten unter anderem bestimmte Höhlen als heilige Orte, einer der berühmtesten Wallfahrtsorte der griechischen Welt war der Tempel der Artemis in Ephesos, aber auch das Apollon-Orakel von Delphi wurde häufig besucht.

Einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte der Welt ist seit dem Bau des ersten Israelitischen Tempels bis heute Jerusalem. Heute, unter israelischer Verwaltung, ist die Stadt wieder allen Weltreligionen offen. Die Stadt ist für drei monotheistische Weltreligionen heilig: den Juden ebenso wie den Christen wegen Tod und Auferstehung Jesu Christi, die Muslime besuchen – außer ihrer Haddsch genannten Wallfahrt nach Mekka und Medina – bevorzugt den Felsendom in Jerusalem.

Pilgerwesen in Indien

Jain-Tempel von Palitana

Eine wichtige Rolle spielt das Pilgerwesen auch im Buddhismus (vgl. Kanischka-Reliquiar und Bimaran-Reliquiar) – so ist bereits für das 3. Jahrhundert v. Chr. ein Reliquienkult überliefert, der sowohl Reliquien Buddhas als auch die herausragender Mönche (arhats) umfasste. Später brachten chinesische Pilger wie Faxian (um 400), Songyun (um 520) und Xuanzang (um 630) von ihren Reisen durch den Norden Indiens den Buddhismus nach China. Ob Padmasambhava, der halbmythische Begründer des Buddhismus in Tibet, eine gleichgeartete Pilgerreise unternahm, ist unklar. Auch heute noch pilgern viele Gläubige (meist in organisierten Gruppenreisen) zu den vier heiligen Stätten Lumbini, Bodhgaya, Sarnath und Kushinagara in Nepal und Nordindien.

Auch der Hinduismus kennt zahlreiche heilige Stätten; die sieben heiligsten Orte sind Ayodhya (Geburtsort des Gottes Rama), Dvaraka (Hauptstadt des Gottes Krishna), Haridwar (Quellplateau des Ganges), Kanchipuram (Großer Tempel von Shiva), Mathura (Geburtsort Krishnas) sowie Ujjain und Varanasi. In Ujjain, Haridwar, Nashik und vor allem am Zusammenfluss von Ganges und Yamuna bei Prayagraj findet auch das Pilgerfest der Kumbh Mela statt.

Obwohl die Religion des Jainismus keinen Reliquienkult kennt, pilgern auch die Jainas nackt (Digambaras) oder in weißen Gewändern (Shvetambaras) in großer Zahl zu ihren vorwiegend auf Bergen gelegenen Heiligtümern (z. B. Mount Abu, Ranakpur, Palitana, Girnar, Shravanabelagola, Parasnath u. a.).

Pilgerwesen im Christentum

Spätantike und Mittelalter

Pilgerstempel des Isidoros von Chios aus dem 6. Jahrhundert

Die Ausbreitung des Christentums und der Bau von Kirchen in Jerusalem, Bethlehem und anderen Orten im Heiligen Land unter Kaiser Konstantin boten christlichen Reisenden neue, der Glaubensstärkung dienende Ziele. Die frühesten erhaltenen Zeugnisse dafür sind das Itinerarium Burdigalenes, ein 333 aufgezeichnetes lateinisches Stationenverzeichnis einer oder eines Reisenden aus Bordeaux und der etwa 50 Jahre später entstandene Bericht über eine Reise der aus Nordspanien oder Südfrankreich stammenden Aetheria oder Egeria ins Heilige Land. Vor Ort waren Ziele der Reisenden die im Alten und Neuen Testament, aber auch in außerkanonischer Literatur genannten Stätten sowie als vorbildliche Christen wahrgenommene Mönche und Würdenträger, später auch das einer Legende zufolge von Konstantins Mutter Helena identifizierte Kreuz Christi.

Bald siedelten sich auch Frauen wie die vornehme römische Witwe Paula mit ihrer Tochter Eustochium, die zum Kreis um den Hieronymus gehörten, sowie Melania die Ältere und ihre Enkelin Melania die Jüngere im Heiligen Land an. Eine ähnlich große Bedeutung erlangte dann auch Rom als Grabstätte der Apostel Petrus und Paulus. Ab dem 9. Jahrhundert trat Santiago de Compostela hinzu, das vor allem wegen der ausgezeichneten Infrastruktur mit einem von Klöstern betreuten weitgespannten Herbergennetz im Mittelalter führend wurde. Auch viele Teilnehmer der Kreuzzüge ins Heilige Land verstanden sich selbst als (bewaffnete) Pilger.

Reformation

Zusammen mit anderen Reformatoren wie Zwingli und Calvin wandte sich auch Martin Luther gegen das überhandnehmende, mit Aberglauben und Ablasshandel verbundene Pilgerwesen seiner Zeit.[4] Schon Thomas von Kempen hatte in seiner Nachfolge Christi kritisch vermerkt: Wer viel pilgert, wird selten heilig. Nachdem Norwegen den Protestantismus annahm, wurde dort das Pilgern 1537 sogar unter Todesstrafe gestellt.[5]

Neuzeit

Die römisch-katholische Kirche hielt gerade in Abgrenzung zu den Protestanten am Brauch der Wallfahrten zu Heiligtümern fest und förderte sie. Ignatius von Loyola schildert beispielsweise in seinem Pilgerbericht seine Wallfahrt nach Jerusalem und Rom. Das Zweite Vatikanische Konzil bezeichnete die ganze Kirche als pilgerndes Volk Gottes und bezog sich dabei auf den Kirchenlehrer Augustinus:

„Die Kirche ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung. Die Kirche "schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg dahin" und verkündet das Kreuz und den Tod des Herrn, bis er wiederkommt (vgl. 1 Kor 11,26 EU).“

Lumen gentium Nr. 8.[6]

Die Pilgerväter waren eine Gruppe puritanischer Dissidenten aus England, die nach Amerika segelten, um eine Kolonie zu errichten, in der sie ihren Glauben frei leben konnten.

In den letzten beiden Jahrhunderten kamen zu den alten Pilgerzielen Marienwallfahrtsorte wie Lourdes und Fátima hinzu. In zunehmendem Maße wird in den letzten Jahrzehnten der Jakobsweg wiederentdeckt. Neben diesen gibt es unzählige weitere Pilgerorte. Gelegentlich werden auch religiös motivierte Besucher von Orten, die wie Marpingen, Heroldsbach oder Međugorje nicht als Wallfahrtsorte anerkannt sind, als Pilger bezeichnet.

Das heutige Pilgerwesen ist auch Gegenstand empirischer Forschung.[7]

Pilgerwesen im Islam

Der Haddsch, die große islamische Pilgerreise nach Mekka in Saudi-Arabien, ist für jeden Muslim, der die Reise antreten kann, mindestens einmal eine Pflicht. Andere islamische Andachtspilgerfahrten, insbesondere zu den Gräbern schiitischer Imame oder Sufi-Heiliger, sind in der islamischen Welt ebenfalls beliebt.

Siehe auch

Allgemein

Buddhismus

Christentum

Islam

Judentum

Filme

Literatur

Einzelnachweise

  1. Arnd Krüger: Historie des Wanderns. In: A. Dreyer, A. Menzel, M. Enderß (Hrsg.): Wandertourismus. Oldenbourg, München 2010, S. 15–21.
  2. dpa, AZ: Kunstliebhaber pilgern nach Kassel. In: Augsburger Allgemeine. 9. Juni 2012.
  3. Pülcher. In: Duden.
  4. „Auch vom Pilgern hielt Luther nicht viel. Er war sich sicher, dass man Gott in Rom, Jerusalem oder Santiago de Compostela nicht besser dienen könne als zu Hause.“ (Fasten, Pilgern, Beten? Fromm sein nach Luther – Für den Reformator war das Gebet das Wichtigste (Memento des Originals vom 21. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.luther2017.de)
  5. Daniel Schneider: Pilgern. In: Planet Wissen. 22. Februar 2017, abgerufen am 25. Februar 2017 (Während der Reformationszeit nahm das Pilgern stark ab. Martin Luther verglich das Pilgern im 16. Jahrhundert mit dem Ablasshandel, bei dem sich Menschen durch den Kauf von sogenannten Ablassbriefen weniger Zeit im Fegefeuer erhofften. Er bezeichnete das Pilgern als „Narrenwerk“ und spottete über den Jakobsweg nach Santiago de Compostela: „Lauf nicht dahin, man weiß nicht, ob Sankt Jakob oder ein toter Hund daliegt.“ In Norwegen wurde das Pilgern ab 1537 sogar unter Todesstrafe verboten und von den damals herrschenden Protestanten als Irrlehre angeprangert. Doch auch die Pilgerbewegung wurde reformiert: Die Beweggründe des Pilgers wurden in der breiten Masse nicht länger vom Zwang und festen Regeln geprägt, sondern galten als freiwillig und individuell. Die Strecke musste beispielsweise nicht mehr in einer bestimmten Anzahl von Tagen zurückgelegt werden.).
  6. Augustinus: Civ. Dei, XVIII, 51, 2: PL 41, 614.
  7. Detlef Lienau: Religion auf Reisen. Eine empirische Studie zur religiösen Erfahrung von Pilgern. Herder, Freiburg 2015, insbes. S. 300 ff.