Proposition 8 (engl. „[Volksentscheid zu einem] Gesetzesvorhaben“) war ein Antrag zur Änderung der kalifornischen Verfassung per Referendum mit dem Ziel, nur noch heterosexuelle Ehen staatlich anzuerkennen. In der Abstimmung am 4. November 2008 sprach sich die Mehrheit der Stimmen für den Vorschlag und damit gegen die gleichgeschlechtliche Ehe aus. Die Kampagne um Proposition 8 und die Konsequenzen der erfolgreichen Abstimmung hatten erheblichen Einfluss auf die Politik und Rechtsprechung der Vereinigten Staaten in den darauf folgenden Jahren.
2010 erklärte ein Bundesgericht die Volksabstimmung für verfassungswidrig. Einsprüche gegen dieses Urteil wies der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten im Juni 2013 zurück, so dass die Abstimmung über Proposition 8 ungültig war.
Ausgangspunkt für das Referendum war das Urteil im Fall „In re Marriage Cases“ des Obersten Gerichtshofes Kaliforniens vom 15. Mai 2008. Darin befanden die Richter, dass Gesetze, die Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung unterschiedlich behandeln, strengsten rechtlichen Anforderungen („strict scrutiny“) genügen müssten. Die bestehenden Gesetze, mit denen das Eherecht auf Paare unterschiedlichen Geschlechts beschränkt wird, erfüllten diese Anforderungen jedoch nicht und würden daher gegen die kalifornische Verfassung verstoßen; sie seien nicht mehr anzuwenden. Infolgedessen begannen die kalifornischen Behörden ab Juni 2008, gleichgeschlechtliche Eheschließungen vorzunehmen.
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs konnte nur per Änderung der Verfassung aufgehoben werden, wofür ein Referendum durchgeführt werden muss. Anberaumt werden kann das Referendum entweder von einer Zweidrittelmehrheit der Legislative oder durch Petition von 8 % der kalifornischen Wähler. Um die nötige Unterstützung zu erhalten, starteten die Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe eine Unterschriftenaktion mit dem Ziel, das Referendum zeitgleich mit den allgemeinen Wahlen im November 2008 durchführen zu lassen. Sie sammelten insgesamt 1.120.801 Unterschriften, weit mehr als die 694.354 benötigten. Die Petition wurde am 2. Juni 2008 offiziell bestätigt und das Referendum für den 4. November 2008 terminiert.[1]
Proposition 8 bestand aus zwei Absätzen. Der vollständige Antragstext lautete[2]:
Englisch | Deutsch |
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Nachdem Proposition 8 die Unterschriftenhürde nahm, starteten sowohl Gegner als auch Befürworter umfangreiche Medienkampagnen. Hierfür sammelten beide Seiten insgesamt über 83 Millionen US-Dollar an Spendengeldern ein, womit die Kampagnen um Proposition 8 nach der Präsidentschaftswahl der teuerste politische Kampf im Jahr 2008 wurden. Nach den veröffentlichten Unterlagen der Kampagnenorganisationen erhielten sie Unterstützung von über 64.000 Menschen aus allen amerikanischen Bundesstaaten und aus über 20 Staaten.[3]
Auf Seiten der Befürworter der Verfassungsänderung sprachen sich insbesondere der Präsidentschaftskandidat der Republikaner John McCain[4], der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses Newt Gingrich[5] sowie Vertreter der römisch-katholischen Kirche, der Mormonen und weiterer religiöser Einrichtungen gegen die gleichgeschlechtliche Ehe aus.
Der Präsidentschaftskandidat der Demokraten Barack Obama sprach sich gegen das Referendum als „spaltenden und diskriminierenden Versuch, die kalifornische Verfassung zu ändern“[6], aus. Der Kandidat der Demokraten für das Amt des Vizepräsidenten Joe Biden, der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger, die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi sowie die beiden kalifornischen Senatoren im Kongress lehnten den Vorschlag öffentlich ab. Der Ablehnung schlossen sich auch die sechs Bischöfe der kalifornischen Episkopalkirche sowie Vertreter des American Jewish Committee, des National Council of Jewish Women und der Anti-Defamation League an. Eine Koalition von Unternehmern aus dem Silicon Valley unterstützen gemeinsam mit Google, Apple und weiteren Unternehmen die Kampagnen gegen Proposition 8 mit Spenden im sechsstelligen Bereich. Zu den prominenten Gegnern gehörten auch die Hollywood-Schauspieler Tom Hanks, Brad Pitt sowie der Regisseur Steven Spielberg. In den Medien positionierten sich die zehn auflagenstärksten Tageszeitungen in Leitartikeln gegen Proposition 8.
Im Vorfeld zur Abstimmung wurden eine Vielzahl von Umfragen durchgeführt, mit denen die Meinung der Wähler zur gleichgeschlechtlichen Ehe und der wahrscheinliche Ausgang des Referendums festgestellt werden sollten. In fast allen veröffentlichten Umfragen gab es keine Mehrheit für Proposition 8. Einzige Ausnahme war eine Umfrage, sieben Tage nachdem der Oberste Gerichtshof sein Urteil zugunsten der gleichgeschlechtlichen Ehe gefällt hatte, in der sich 54 % für eine Verfassungsänderung aussprachen.[7]
Bei der Abstimmung am 4. November 2008 sprach sich eine Mehrheit für Proposition 8 aus. Die Verfassungsänderung trat damit sofort in Kraft. Für Proposition 8 sprachen sich 7.001.084 Wähler aus, dagegen 6.401.482. Da nur eine einfache Mehrheit für die Änderung der Verfassung notwendig ist, war der Vorschlag damit erfolgreich.
Proposition 8[8] | ||
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Stimmen | Anteil | |
Dafür | 7.001.084 | 52,24 % |
Dagegen | 6.401.482 | 47,76 % |
Gültige Stimmen | 13.402.566 | 97,52 % |
Ungültige Stimmen/Enthaltungen | 340.611 | 2,48 % |
Summe | 13.743.177 | 100,00 % |
Wahlbeteiligung | 79,42 % |
Nach der Verfassungsänderung wurden von den kalifornischen Behörden keine weiteren gleichgeschlechtlichen Eheschließungen durchgeführt oder anerkannt.
Gegner der Proposition 8 legten in den Wochen nach der erfolgten Abstimmung vor Gerichten Kaliforniens sowie vor Bundesgerichten Rechtsmittel mit dem Ziel ein, das Referendum als ungültig erklären zu lassen.
In Kalifornien wurden diese Fälle gemeinsam unter dem Titel „Strauss v. Horton“ verhandelt. Die Kläger machten unter anderem geltend, dass Proposition 8 die Verfassung nicht nur ändere, sondern sie umfassend überarbeite, wofür eine Zweidrittelmehrheit notwendig wäre. Außerdem würde Proposition 8 gegen die Gewaltenteilung verstoßen, weil der Schutz von Minderheiten mittels der Verfassung eine fundamentale Aufgabe der Rechtsprechung wäre, die weder von der Legislative noch durch ein Referendum überstimmt werden könne. Der Oberste Gerichtshof Kaliforniens wies die Klagen jedoch am 29. Mai 2009 mit der Begründung ab, dass Proposition 8 keine fundamentale Einschränkung der durch die kalifornischen Verfassung garantierten Grundrechte darstelle und durch die Änderung letztlich nur der Begriff der Ehe gleichgeschlechtlichen Paaren vorenthalten werde. Insbesondere sei die Verfassungsänderung nicht so zu verstehen, dass gleichgeschlechtlichen Paaren ehegleiche Institutionen wie die bereits bestehenden Lebensgemeinschaften verwehrt wären. Bezüglich der ca. 18.000 gleichgeschlechtlichen Ehen, die vor dem Referendum geschlossen wurden, entschied der Gerichtshof, dass sie weiterhin gültig und wie alle anderen Ehen zu behandeln wären.[9] Maßstab für die Prüfung durch das Gericht war aufgrund der föderalen Struktur der Vereinigten Staaten allein das Recht des Bundesstaates Kalifornien.
Nach diesem Urteil wurden Klagen vor Bundesgerichten eingereicht, die im Verfahren „Perry v. Schwarzenegger“ mündeten. Darin machten die Kläger geltend, dass die Änderung der kalifornischen Verfassung gegen das Rechtsstaatlichkeitsprinzip und den Gleichheitssatz der übergeordneten Verfassung der Vereinigten Staaten verstoßen würde. Nach mündlicher Verhandlung bestätigte der zuständige Richter Vaughn Walker am 16. Juni 2010 die Position der Kläger und erklärte das Referendum für verfassungswidrig und damit nichtig. Im folgenden Berufungsverfahren setzte der United States Court of Appeals am 16. August 2010 die Wirkung von Walkers Entscheidung aus, bestätigte jedoch am 7. Februar 2012 die Verfassungswidrigkeit des Referendums. Die unterlegene Partei beantragte am 31. Juli 2012 Certiorari beim Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, welcher das Verfahren am 7. Dezember 2012 annahm.
Am 26. Juni 2013 wies das Oberste Bundesgericht die Einsprüche gegen das Urteil des Bundesgerichts von 2010 aus formalen Gründen zurück. Den Initiatoren des Volksentscheids fehle die Klagebefugnis; sie seien nicht berechtigt, im Verfahren 2010 als Parteien aufzutreten und die Proposition 8 zu verteidigen, wenn der Bundesstaat Kalifornien das Gesetz nicht verteidigen wollte.[10] Es bleibt damit bei der Außerkraftsetzung von Proposition 8. Das Bundesberufungsgericht setzte bereits zwei Tage später die Verfügung Walkers von 2010 wieder in Kraft und ließ damit die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wieder zu.[11] Eine Stunde später wurden die ersten Paare getraut. Kalifornien ist damit der 13. der 50 US-Bundesstaaten, in denen gleichgeschlechtliche Paare heiraten können.