Die Strecke soll in der in Westeuropa üblichen Regelspur von 1435 mm und nicht – wie dort bisher üblich – in russischer Breitspur von 1520 mm ausgeführt werden. Die Gesamtlänge wird 870 km betragen, die von der EU angestrebte Geschwindigkeit beträgt 240 km/h, auf Ausbauabschnitten 160 km/h.[5] Die geplante Fahrzeit zwischen Tallinn und Riga soll nach Fertigstellung knapp unter zwei Stunden liegen, zwischen Riga und Vilnius bei zwei Stunden.[5]
Frühere Studien gingen von 3,68 Milliarden Euro aus.[6] Die Kosten wurden 2017[7] auf 5,79 Milliarden Euro geschätzt, wovon die Europäische Union 4,634 Milliarden tragen sollte.
2024 wurde allein für die erste Stufe mit Kosten in Höhe von 15,3 Milliarden Euro gerechnet.[7]
Pläne für die Rail Baltica gibt es bereits seit 1994. Beschlossen wurde der Bau der Verbindung 2001 in Wismar, die Fertigstellung war damals für 2015 geplant. Nachdem 2004 Litauen, Lettland und Estland EU-Mitglieder geworden waren, wurde die Eisenbahnstrecke Rail Baltica von der Europäischen Union als „vorrangiges Projekt Nr. 27“ gelistet.[8] Mehrere Faktoren verhinderten einen schnellen Fortschritt: Da der geplante Trassenverlauf keinen Umweg über die litauische Hauptstadt Vilnius enthielt, stand die litauische Regierung dem Projekt zunächst zögerlich gegenüber. Die Weltfinanzkrise 2007–2008 und damit verbundene Haushaltsprobleme erschwerten zudem die Finanzplanung.[9] 2012 wurde ein Baubeginn für 2018 und die Fertigstellung für 2023 angestrebt.[10]
Im Juni 2014 unterzeichneten die drei baltischen Staaten ein Abkommen zum Bau der Strecke. Im gleichen Jahr gründeten die drei baltischen Länder das Gemeinschaftsunternehmen RB Rail, das die Projektdurchführung koordiniert. Das Abkommen über die Beschaffungsrichtlinien konnte im November 2016 unterzeichnet werden.[11]
Am 31. Januar 2017 unterzeichneten die Regierungschefs Estlands, Lettlands und Litauens eine Vereinbarung über die Umsetzung, die von den Parlamenten der drei Staaten ratifiziert werden musste.[12] Darin wurden die Fristen, der Verlauf der Trasse und die technischen Standards festgelegt.[13] Vorgesehen war, 2018 oder 2019 mit den Bauarbeiten zu beginnen. Die Fertigstellung des Abschnitts Tallinn–Riga–Kaunas wurde für 2025 angekündigt, die Verbindung nach Warschau für 2030.[12]Donald Tusk als Ratspräsident der EU sagte bei dieser Gelegenheit Unterstützung zu.[14] Am 19. Juni 2017 ratifizierte der estnische Riigikogu, am 22. Juni die lettische Saeima und am 10. Oktober des gleichen Jahres der litauische Seimas die Vereinbarung.[15]
Die Modernisierungsarbeiten für den 66 km langen Abschnitt von Warschau nach Sadowne wurden 2014 durchgeführt. Der weitere Streckenverlauf von 107 km Länge nach Białystok wurde bis Czyżew bereits ausgebaut, der restliche Teilabschnitt ist im Bau. Weiterhin sind Modernisierungsarbeiten auf dem 100 km langen Abschnitt von Białystok nach Ełk und den 94 km von Ełk zum Grenzübergang bei Trakiszki geplant. Auf polnischer Seite sollen Personenzüge mit einer Geschwindigkeit von 160 km/h und Güterzüge mit 120 km/h fahren.[16] Die Gesamtkosten für den polnischen Streckenabschnitt betragen rund 1,8 Mrd. Euro und werden etwa zur Hälfte von der EU finanziert.[9]
Polnisch-litauische Grenze zur litauisch-lettischen Grenze
Die Kosten für den Ausbau der Strecke wurden 2007 auf 270 Millionen Euro berechnet. Die Fertigstellung war damals für Ende 2013 geplant. Im Juli 2011 wurde der gemischtspurige Vierschienengleisausbau des 15 km langen Teilstückes zwischen Mockava und Šeštokai als erster Abschnitt der Rail Baltica fertiggestellt.[17] Im Juli 2013 unterzeichnete die staatliche litauische Eisenbahngesellschaft einen Vertrag über den Umbau des Abschnitts von Šestokai nach Marijampolė auf Normalspur. Der Umbau des 28 km langen Abschnittes sollte 19 Monate dauern und 217 Millionen Euro kosten.[18]
Der erste Abschnitt von der polnischen Grenze bis Kaunas wurde am 16. Oktober 2015 eingeweiht, teilweise als Vierschienengleis.[19] Dieser Abschnitt ist allerdings nur für eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h ausgelegt. Seit Juni 2016 gibt es am Wochenende direkte Zugverbindungen von Polen nach Litauen (Białystok–Kaunas), bis Mockava auf Regelspur, weiter in Richtung Kaunas auf Breitspur. Anfänglich durchgehende polnische Züge enden heute wegen fehlender litauischer Zulassungen für die Fahrzeuge in Mockava.
Nach der Entscheidung über die Trassenführung zwischen Kaunas und Vilnius durch die litauische Regierung sollte die Planung im zweiten Quartal 2022 öffentlich ausgelegt werden. Für den Streckenabschnitt ist eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h vorgesehen.[20] Nordöstlich von Kaunas und westlich von Jonava quert die Strecke die Neris. Hier entsteht mit der 1510 m langen Nerisbrücke die längste Eisenbahnbrücke im Baltikum.[21]
Litauisch-lettische Grenze nach Jelgava und Riga – Valka
Ein von 2014 bis 2016 erarbeiteter erster Entwurf zur Streckenführung blieb folgenlos. 2020 wurden die Aufträge für die Entwurfsarbeiten für die lettischen Streckenabschnitte erneut vergeben. Die Entwürfe sollten bis Ende 2022 vorliegen.[22]
Im Zuge des Baus der Rail Baltica wird der Hauptbahnhof Riga(Rīgas dzelzceļa stacija) von Grund auf umgebaut. Die Arbeiten begannen 2022.[23] Ein zweiter Fernbahnhof soll am Flughafen Riga entstehen. Darüber hinaus sind in Lettland 16 Stationen für den Regionalverkehr vorgesehen.[24][25] Am 24. März 2024 erklärte der lettische Verkehrsminister Kaspars Briškens, dass der Abschnitt zwischen Kilometer 321,7 (Saurieši) und Kilometer 338,06 (Hauptbahnhof Riga) bis 2030 nicht fertiggestellt wird. Aus diesem Grund wird der Zug von beiden Richtungen am südlichen Abzweig über den Flughafen zum Hauptbahnhof und dann wieder zurück fahren. Des Weiteren fehlen rund 3 Milliarden Euro.[26]
Für den Güterverkehr soll im Bereich von Salaspils, südöstlich von Riga, ein Güterbahnhof entstehen. Der Planungsauftrag dafür wurde am 16. Juni 2022 an eine Projektgruppe aus mehreren Firmen (Joint venture) vergeben. Die Planung soll 2024 vorliegen. Der Güterbahnhof wird eine Schnittstelle im Güterverkehr zwischen der Normalspur und der Breitspur sein.[27][28]
Auf dem Abschnitt Valga–Tartu wurden die Gleise erneuert; der Bahnhof Valga wurde umgebaut und die Zahl seiner Gleise erhöht. Der Abschnitt wurde im Dezember 2010 fertiggestellt. Die Kosten betrugen rund 40 Millionen Euro. Die Arbeiten an einem weiteren Streckenabschnitt begannen im November 2019.[29]
Der nordöstlich von Tallinn gelegene Hafen Muuga bei Maardu soll zu einem Ladungsumschlagplatz zwischen See-, Straßen- und Schienentransport mit Eisenbahnanschluss beider Spurweiten umgebaut werden.[30]
Im Januar 2024 wurden die Arbeiten für den Abschnitt Soodevahe (östlich von Tallinn)–Kärpla ausgeschrieben. Sie umfassen eine Strecke von 52,6 km und ein Volumen von 400 Mio. Euro.[31]
Tunnel unter dem Finnischen Meerbusen zwischen Tallinn und Helsinki
Ein Tunnel unter dem Finnischen Meerbusen zwischen Tallinn und Helsinki würde zusätzlich 13 Milliarden Euro kosten.[32] Die maximale Weite des Finnischen Meerbusens beträgt 130 Kilometer. Die durchschnittliche Tiefe beträgt 38 und die maximale Tiefe 115 Meter. Die Länge des Tunnels würde von der Trasse abhängen. Bei der kürzesten Entfernung würde er eine Länge von etwa 50 km haben und wäre damit der längste Unterwassertunnel der Welt. Eine Fertigstellung wäre frühestens 2030 möglich.
Am 7. März 2019 wurde bekannt, dass die chinesische Beteiligungsgesellschaft Touchstone Capital Partners und die Tunnelbaugesellschaft FinEst Bay Area Development unter der Leitung von Peter Vesterbacka bereit sind, im Rahmen der Belt-and-Road-Infrastrukturinitiative (Neue Seidenstraße) rund 15 Milliarden Euro in das Bauprojekt zu investieren. Derzeit finden noch geologische Vorplanungen statt.[33]
Obwohl als ziviles Verkehrsprojekt konzipiert, steht seit der russischen Annexion der Krim 2014 auch die militärische Bedeutung von Rail Baltica vermehrt im Fokus. Im Falle einer militärischen Bedrohung der baltischen Staaten durch Russland stünde der NATO als einzige Landverbindung für Truppentransporte die rund 65 Kilometer (Luftlinie) breite sogenannte Suwałki-Lücke zur Verfügung. Die Strecke der Rail Baltica verläuft durch diesen Korridor zwischen Kaliningrad und Belarus. Vorteilhaft ist dabei vor allem die Angleichung der Spurweite und somit der Wegfall von Umlade- oder Umspurvorgängen. Im Fall einer militärischen Auseinandersetzung kann diese Strecke nicht von russischen Breitspurzügen benutzt werden.
So hob der NATO-General Jörg Vollmer im Juni 2020 hervor, dass die Reaktionsfähigkeit der NATO in der Region von dem Bahnprojekt profitiere. Der litauische Verteidigungsminister Raimundas Karoblis hatte zuvor geäußert, dass die Strecke so gebaut werden sollte, dass die Standards für militärische Eisenbahntransporte eingehalten werden.[34] Andererseits stellte eine Website der East StratCom Task Force der EU im November 2020 klar, dass es sich bei Rail Baltica nach wie vor um ein ziviles Verkehrsprojekt handelt, und reagierte damit auf eine Meldung des russischen Nachrichtenportals Sputnik, in der behauptet wurde, dass Rail Baltica in erster Linie im Interesse der NATO errichtet wird.[35]
Teile von Rail Baltica werden von der EU explizit aus einem Topf zur Verbesserung militärischer Mobilität gefördert. Die Vorschläge für diesen Topf konnten bis Januar 2022 eingereicht werden. Im April 2022 wurden die Berücksichtigung militärischer Anforderungen auf dem lettischen Teilstück von Rail Baltica und der Bau eines auch militärisch nutzbaren Umschlagterminals in Kaunas als zwei Projekte ausgewählt, die jeweils zu 50 % aus besagtem Topf finanziert werden sollen.[36][37]
Marta Jakubiec: The Rail Baltica and its impacts on the regions regarding the European Union. Diplomarbeit, Universität Dortmund 2007.
Beate Schütz: Welchen Beitrag können die INTERREG-Verkehrsprojekte „COINCO“, „Rail Baltica“ und „SIC!“ zur Beseitigung des Fehlens von Nord-Süd-Korridoren leisten? Masterarbeit, Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin 2007.
Jürgen Murach, Jürgen Roß: Rail Baltica Growth Corridor. Zwischen Vision und wirtschaftlicher Realität. In: Informationen zur Raumentwicklung, ISSN0303-2493, Jg. 17 (2012), Heft 7/8: Europäische Verkehrskorridore und Raumentwicklung, S. 415–426.
Milla Laisi, Juha Saranen: Integrating the Baltic States and Europe: Rail Baltica. In: International journal of business excellence, ISSN1756-0047, Jg. 6 (2013), S. 251–269.
↑Reinhard Wolff: Der Bau der Rail Baltica hat begonnen: Schnelle Bahn ins Baltikum. In: Die Tageszeitung: taz. 5. März 2020, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 6. März 2020]).
↑Beatrice Bösiger: Rail Baltica bringt Europa zusammen. DVZ, 28. November 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Dezember 2016; abgerufen am 2. August 2019.
↑Baltische Staaten wollen Eisenbahnprojekt umsetzen. In: Neue Zürcher Zeitung, 1. Februar 2017, S. 2
↑Peter Kleinort: „Rail Baltica“ vereinbart. Regierungschefs unterzeichnen Projektvertrag. EU finanziert mit. In: Täglicher Hafenbericht, 2. Februar 2017, S. 2.
↑Rail Baltica agreement ratified by all three parliaments. Railway Gazette, 12. Oktober 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Februar 2018; abgerufen am 12. Februar 2018.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.railwaygazette.com
↑First section of Rail Baltica inaugurated. (Memento des Originals vom 17. Oktober 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.railwaygazette.com In: Railway Gazette, 16. Oktober 2015, abgerufen am 28. Februar 2017.
↑The route for the Lithuanian part of the Rail Baltica railway line has been determined. In: OSJD Bulletin 1–2/2022, S. 57.
↑NN: Baltic countries to built their largest bridge. In: OSJD Bulletin 5/2022, S. 71f.
↑Rail Baltica Estonia: Rail Baltics brings major changes to Muuga cargo port. In: railbaltica.org. 8. Mai 2020, abgerufen am 21. Mai 2020: „Muuga freight terminal is one of the most important objects of the project in terms of Rail Baltica freight transport, the development of which will increase the value and competitiveness of both the railway and Muuga Harbour. Muuga Harbour will have a rather unique infrastructure combination that enables to operatively reload goods from sea transport and road transport to railway transport of different widths and vice versa.“
↑pd: Arbeiten für Rail Balticain Estland ausgeschrieben. In: Eisenbahn-Revue International 2/2024, S. 82.