Richard Owen (1856)

Sir Richard Owen (* 20. Juli 1804 in Lancaster; † 18. Dezember 1892 im Richmond Park von London) war ein britischer Mediziner, Zoologe, vergleichender Anatom, Physiologe und Paläontologe. Er wird nach Charles Darwin als zweitbedeutendster Naturforscher des Viktorianischen Zeitalters angesehen.[1]

Von 1827 bis 1856 katalogisierte Owen, zunächst als Gehilfe und später als Kurator des Hunterian Museum des Royal College of Surgeons of England, den umfangreichen wissenschaftlichen Nachlass von John Hunter. Er schrieb bedeutende Arbeiten zur vergleichenden Osteologie und Odontologie der Wirbeltiere. Während seiner Untersuchungen an in Großbritannien gefundenen Reptilienfossilien prägte er 1841 den Begriff „Dinosauria“. Im darauf folgenden Jahr revidierte er Georges Cuviers Gruppen der Wiederkäuer (Ruminantia) und der Dickhäuter (Pachydermata) und ersetzte diese durch die noch heute gebräuchlichen Untergruppen der Paarhufer (Artiodactyla) und Unpaarhufer (Perissodactyla). 1843 führte Owen den Begriff der Homologie ein und trennte ihn vom ähnlichen Begriff der Analogie. Unter Anwendung seines Homologie-Prinzips konstruierte Owen einen abstrakten „Archetypus“, anhand dessen er die Entwicklung der Wirbeltiere teleologisch erklärte.

Während seines Wirkens als Superintendent der naturgeschichtlichen Sammlung des Britischen Museums setzte er sich für die Errichtung eines unabhängigen Naturgeschichtsmuseums, des heutigen Natural History Museum, ein, dessen erster Direktor er bis 1883 war.

Leben und Wirken

Herkunft und Ausbildung

Owens Geburtshaus Thurnham Street Ecke Brock Street in Lancaster

Richard Owen war das sechste und jüngste Kind und der zweite Sohn von Richard Owen (1754–1809) und Catherine Longworth (geborene Parrin, † 1838). Sein Vater war Kaufmann im Westindien-Handel, seine Mutter stammte von nach England eingewanderten französischen Hugenotten ab. Als sein Vater starb, zog die Familie in das Gebiet von Castle Hill, wo seine Mutter ein Mädcheninternat gründete. Ab 1810 besuchte er die Lancaster Royal Grammar School, auf der er bis zu seinem 16. Lebensjahr blieb. 1820 ging er vier Jahre bei drei verschiedenen Chirurgen und Apothekern in Lancaster in die Lehre, wobei er auch Leichen aus dem lokalen Gefängnis sezierte. In dieser Zeit entdeckte er seine Vorliebe für die Anatomie. Im Oktober 1824 schrieb sich Owen an der Universität Edinburgh ein. Neben den Kursen, die er für eine formale Zulassung als Mediziner benötigte, besuchte er die Vorlesungen von John Barclay (1758–1826) über vergleichende Anatomie. Von Barclay erhielt Owen eine Empfehlung an John Abernethy, Professor am St Bartholomew’s Hospital in London und Präsident des Royal College of Surgeons. Nach nur einem halben Jahr in Edinburgh erhielt er von Abernethy die Stelle des Prosektors für dessen chirurgische Vorlesungen. Ein Jahr später hatte er mit 22 Jahren das Mindestalter für die Aufnahme in das Royal College of Surgeons erreicht. Er bestand die Aufnahmeprüfung und wurde am 11. August 1826 Mitglied des Royal College of Surgeons. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, eröffnete Owen in Took’s Court in der Nähe von Lincoln’s Inn Fields eine Arztpraxis.

Katalogisierung der Hunter-Sammlung

Der junge Richard Owen (um 1835)
Das Innere des Hunterian Museums 1844. Gezeichnet von Thomas Hosmer Shepherd, gestochen von Edward Radclyffe (1810–1863)

Im Jahr 1800 hatte die britische Regierung die Sammlung des Chirurgen John Hunter erworben und dem Royal College of Surgeons mit dem Auftrag, diese zu katalogisieren, überlassen. Als Kurator des Hunterian Museum wurde William Clift (1775–1849), der Hunters letzter Schüler und Assistent war, beschäftigt, der jedoch dieser Aufgabe nicht nachkam. Das Royal College of Surgeons wurde dafür, unter anderem durch Thomas Wakley im Magazin The Lancet, heftig kritisiert. Das Direktorium des Museums beschloss daher, seine Unterstützung für Clift einzustellen. Auf Empfehlung des Präsidenten des Royal College of Surgeons Abernethy wurde Owen angestellt. Am 7. März 1827 begann Owen seine Tätigkeit am Hunterian Museum bei William Clift.

Owen verstand sich gut mit Clift und dessen fast gleichaltrigem Sohn William Home Clift (1803–1832), der als Clifts Nachfolger am Museum vorgesehen war. Im September 1827 lernte Owen auch die zwei Jahre ältere Tochter Clifts, Caroline Amelia Clift (1801–1873), kennen und verlobte sich bereits in der Weihnachtszeit desselben Jahres mit ihr.

Die wissenschaftliche Arbeit am Museum begeisterte Owen, bot sie ihm doch völlig andere Möglichkeiten als seine Arztpraxis. Ab 1828 gab er Zusatzvorlesungen über vergleichende Anatomie am St Bartholomew’s Hospital. Ein Jahr später wurde Owen fest am Museum angestellt. Sein Einkommen reichte jedoch immer noch nicht aus, um Clifts Tochter zu heiraten. Owen setze daher seine medizinischen Studien fort und bestand Anfang 1830 die Prüfungen der Worshipful Society of Apothecaries. Kurzzeitig spielte er mit dem Gedanken, eine Stelle als Arzt in Birmingham anzunehmen, blieb aber schließlich in London und zog zur Familie Clift um.

Während Owen an den ersten Teilen des Kataloges der Hunter-Sammlung arbeitete, erhielt das Museum Besuch von Georges Cuvier, den Owen aufgrund seiner Französischkenntnisse durch das Museum führen durfte. Cuvier lud Owen darauf hin ein, ihn in Paris zu besuchen.

Am 9. November 1830 fand das erste der zwei Jahre lang vierzehntäglich stattfindenden Treffen des Committees of Science and Correspondence der Zoological Society of London in der Bruton Street statt. Das Komitee hatte sich konstituiert, um Fragen und Experimente zur Tierphysiologie zu fördern. Owen hielt an diesem Tag einen Vortrag über die Anatomie eines kurz zuvor im Londoner Zoo verendeten Orang-Utans, der in den Proceedings des Komitees publiziert wurde und seine erste wissenschaftliche Veröffentlichung war. Durch seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft konnte er die Kadaver der Tiere des Londoner Zoos untersuchen. In der kurzen Zeit des Bestehens der Proceedings war Owen mit 28 Artikeln über die Anatomie verschiedener Säugetiere der produktivste Beitragende.

Im Frühjahr 1831 waren die ersten sechs Bereiche der Hunter-Sammlung katalogisiert. Das Aufsichtsgremium des Museums war mit Owens Arbeit zufrieden und beauftragte ihn, sich als Nächstes mit den „Physiological Series“ von Hunters Sammlung zu beschäftigen, für deren Bearbeitung das Gremium drei Jahre veranschlagte. Im Sommer folgte Owen Cuviers Einladung nach Paris und verbrachte dort einen Monat. Am Jardin des Plantes lernte er Cuviers Förderer Étienne Geoffroy Saint-Hilaire kennen. Seine Pariser Gastgeber empfahlen ihm Jean-Baptiste de Lamarcks Werk Philosophie Zoologique, das Owen interessiert studierte.

Owens wissenschaftlicher Ruf wuchs. George Bennett schickte ein bisher sehr seltenes Exemplar der Gattung Nautilus nach London. Owen wurde mit der Analyse diese Exemplars betraut. Nach fünf Monaten des Sezierens hatte er genug Material für sein erstes eigenes Buch zusammengetragen. 1832 erschien Memoir on the Pearly Nautilus mit zahlreichen, detailgenauen Zeichnungen, die er selbst angefertigt hatte. Seine 1832 durchgeführten anatomischen Untersuchungen des „seltsamen“ Schnabeltiers Ornithorhynchus paradoxus bewiesen, dass es sich um ein Säugetier handelte.

Am 11. September 1832 verunglückte der Sohn Clifts bei einem Unfall mit einer Droschke schwer und starb sechs Tage später an den Folgen seiner Verletzungen. Owen wurde dadurch zum designierten Nachfolger Clifts als Kurator des Museums. 1833 erschien der erste Band der „Physiological Series“, die ihn noch bis zum Frühjahr 1841 beschäftigte. Als von 1834 bis 1835 das Museum umgebaut und erweitert wurde, leitete Owen die erforderlichen Maßnahmen. Er wurde Assistenzkurator. Sein Einkommen war nun ausreichend, um am 20. Juli 1835 in der St. Pancras Church in London Clifts Tochter Caroline Amelia zu heiraten.

1839 wurde das „Board of Curators“ des Museums in das „Museum Committee“ umgewandelt und neu besetzt. Um etwa 1840 wurde das Komitee immer unzufriedener damit, wie Owen seine Zeit verbrachte. Beispielsweise beschäftigte Owen sich, ohne die Erlaubnis des Komitees eingeholt zu haben, intensiv mit den von Charles Darwin mitgebrachten Fossilien. Am 25. Januar 1842 kam es zu einem Treffen mit dem Museumskomitee. Es verlangte von Owen, zukünftig nichts ohne seine Zustimmung zu veröffentlichen und bot ihm im Gegenzug dafür die Stelle des Konservators an. Owen willigte unter der Bedingung ein, dass er keine Besucher im Museum herumführen müsse. Diese Aufgabe übernahm Clift, der zum Senior-Konservator ernannt wurde. Die Stelle des Konservators des Hunterian Museums übte Owen vierzehn Jahre lang (bis 1856) aus. Sein Nachfolger wurde John Thomas Quekett, der seit 1843 Owens Assistent war. Mit seiner Ernennung zum Kurator konnte sich Owen vollständig der wissenschaftlichen Arbeit zuwenden.

Anerkennung als Wissenschaftler

Bereits am 18. Dezember 1834 wurde Owen in die Royal Society aufgenommen. Im gleichen Jahr veröffentlichte er die formale Beschreibung des von James Paget entdeckten Fadenwurms Trichinella spiralis,[2] Ursache der Trichinellose, und wurde auf den Lehrstuhl für vergleichende Anatomie am St Bartholomew’s Hospital berufen. 1836 wurde Owen Nachfolger von Charles Bell als „Hunterian Professor“[3] für vergleichende Anatomie und Physiologie am Royal College of Surgeons. Im April desselben Jahres übertrug ihm das Direktorium des Hunter-Museums die neue Stelle des Hunter-Professors für vergleichende Anatomie und Physiologie. Beide Lehrstühle hatte er bis 1855 inne. Von 1837 an hielt Owen jährlich 24 sogenannte „Hunter-Vorlesungen“.

Die Geological Society ehrte Owen 1838 für seine Arbeit an den Beagle-Fossilien mit der Wollaston-Medaille. Er unterstützte die Gründung der Microscopical Society of London und fungierte ab 1840 als deren erster Präsident. Für seine vergleichende anatomische Studie über Zähne, deren erster Band unter dem Titel Odontography erschien, hatte Owen auch mikroskopiert. Nach seiner Monografie über die Gattung Nautilus wurde Owen ein anerkannter Experte der Kopffüßer (Cephalopoda). Sein besonderes Interesse galt zu dieser Zeit auch den Beutelsäugern (Marsupialia) und Kloakentieren (Monotremata), über die er für Robert Todds Cyclopedia of Anatomy and Physiology (1841) die entsprechenden Artikel verfasste.[4] Bis 1840 hatte Owen 157 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht[5], die er meist vor der Zoological Society, der Royal Society, der Geological Society, der Linnean Society und der British Association for the Advancement of Science präsentierte.

Owens Mitgliedschaften im renommierten Athenaeum Club (1840) und im Literaturklub The Club (20. Mai 1845) festigten seinen Ruf in der Londoner Gesellschaft. 1847 wurde er zum Ehrenmitglied der Medical and Chirurgical Society of London ernannt.[6] Die Royal Society verlieh ihm für seine wissenschaftlichen Arbeiten 1846 die Royal Medal und 1851 für sein Gesamtwerk die Copley-Medaille. Für seine Verdienste gewährte ihm Königin Victoria 1852 lebenslanges Wohnrecht im Haus Sheen Lodge im Richmond Park. Während dieser Jahre verlagerte sich der Schwerpunkt von Owens Interessen immer mehr von der vergleichenden Anatomie auf das Gebiet der Paläontologie.

„Old Bones“ und die Dinosaurier

„Old Bones“ – Karikatur von Carlo Pellegrini in der Zeitschrift Vanity Fair vom 1. März 1873
Richard Owen neben dem Skelett des Moas Dinornis novaezealandiae. In der rechten Hand hält er einen der ursprünglich von John Rule nach London gebrachten Knochen (1878)
Das Neujahrsdinner von 1854. Abbildung in The Illustrated London News vom 7. Januar 1854.[7]
Karikatur von Frederick Waddy, die Richard Owen zeigt, wie er auf einem Skelett des Riesenfaultieres Megatherium reitet (1873)

Der von seinen Bewunderern „Englischer Cuvier“ genannte und vom Magazin Vanity Fair 1873 als „Old Bones“ verspottete Owen kam zum ersten Mal mit „alten Knochen“ in engeren Kontakt, als er im Sommer 1832 William Clift nach Oxford begleitete. Am Abend des 23. Juni sprach dort William Buckland im Rahmen des ersten Treffens der neu gegründeten British Association for the Advancement of Science über die fossilen Überreste des Megatherium.[8]

Am 29. Oktober 1836 lernten sich Owen und Charles Darwin bei Charles Lyell kennen.[9] Darwin war Anfang des Monats von seiner fast fünfjährigen Reise mit der H.M.S. Beagle zurückgekehrt, während der er in Südamerika auch zahlreiche Fossilien gefunden hatte. Darwin überredete Owen, sich die Funde anzusehen. Das erste durch Owen untersuchte Fossil war ein Schädel, den Darwin 120 Meilen nordwestlich von Montevideo entdeckt hatte. Er gehörte zu einem flusspferdartigen Lebewesen, das Owen später Toxodon platensis nannte.[10] Owen übernahm schließlich für das von Darwin herausgegebene Werk The Zoology of the Voyage of H.M.S. Beagle die Bearbeitung der „Fossilen Säugetiere“, deren Teile von Februar 1838 bis April 1840 in vier Lieferungen erschienen.

1837 forderte die British Association for the Advancement of Science eine systematische Untersuchung der in Großbritannien gefundenen Reptilienfossilien. Der dreiköpfige Beirat der Gesellschaft, zu der auch Owens Schwiegervater gehörte, gewährte eine großzügige finanzielle Unterstützung von 200 Pfund und beauftragte Owen, die notwendigen Forschungen durchzuführen. Auf dem Treffen der Gesellschaft im August 1839 in Birmingham legte Owen den ersten Teil des Report on British Fossil Reptiles vor, der ausschließlich maritime britische Reptilienfossilien (Enaliosauria) behandelte. Er beschrieb darin 16 Arten der Gattung Plesiosaurus und 10 Arten der Gattung Ichthyosaurus, verschwieg dabei jedoch viele Funde von Gideon Mantell.[11] Zwei Jahre später folgte am 2. August 1841 in Plymouth die Fortsetzung seines Berichtes, in dem das Wort „Dinosauria“ geprägt wurde. Owen klassifizierte die fossilien Reptilien unter den Ordnungen Crocodilia, Dinosauria, Lacertilia, Pterosauria, Chelonia, Ophidia und Batrachia.[12] Von elf zu dieser Zeit bekannten Dinosauriergattungen schloss er nur drei Gattungen in seine Ordnung Dinosauria ein, klassifizierte sechs falsch und übersah die beiden Gattungen Macrodontophion (heute als Nomen dubium angesehen) und Plateosaurus ganz. Dennoch wurde seine Arbeit als Fortschritt gegenüber denen von Georges Cuvier und Hermann von Meyer gesehen.[13]

Mantell und Owen waren seit den 1840er Jahren in bittere Rivalitäten verwickelt[14] zunächst über die Einordnung verschiedener Fossilien wie Pterosaurier und Moas. Beide versuchten zu verhindern, dass der andere mit der Royal Medal ausgezeichnet wurde und Mantell war erbittert über die Vereinnahmung der Dinosaurier, dem Gebiet auf dem Mantell berühmt wurde, durch Owens Benennung.

Bereits 1839 hatte Owen drei aus Neuseeland stammende Knochenfragmente untersucht und aus ihnen auf einen möglicherweise ausgestorbenen straußenähnlichen Vogel geschlossen: „...I am willing to risk the reputation for it on the statement that there has existed, if there does not now exist, in New Zealand, a Struthious bird, nearly, if not quite, equal in size to the Ostrich.“[15] Seine Annahme bestätigte sich, als er 1843 von Buckland zwei Kisten mit Knochen aus Neuseeland erhielt. Im Laufe seines Lebens sollte Owen über 30 Artikel über die Moas verfassen.[16]

Über das erste nahezu vollständig erhaltene Skelett von Glossotherium, das 1841 bei Buenos Aires gefunden wurde, verfasste er 1842 eine umfangreiche Monografie. Untersuchungen an fossilen Überresten zweier Arten der Gattung Hyopotamus führten Owen 1848 zur Revidierung von Cuviers Systematik der Huftiere. Dabei ersetzte er Cuviers Gruppen der Wiederkäuer (Ruminantia) und der Dickhäuter (Pachydermata) durch die Untergruppen der Paarhufer (Artiodactyla) und Unpaarhufer (Perissodactyla).

Nach dem Ende der Ersten Weltausstellung im Oktober 1851 beschloss das britische Parlament den Crystal Palace auf einem größeren Gelände wiederzuerrichten und die Ausstellung zu erweitern. Bestandteil des Freigeländes sollten lebensgroße, aus Beton gefertigte, Plastiken von Dinosauriern sein, die beim Bildhauer Benjamin Waterhouse Hawkins in Auftrag gegeben wurden. Nachdem Mantell es abgelehnt hatte, dem Projekt beratend zur Seite zu stehen, wurde Owen 1853 gebeten, die Beratung bei der anatomischen Rekonstruktion zu übernehmen. Hawkins hielt sich jedoch in vielen Detailfragen nicht an Owens Vorgaben. So tragen beispielsweise die beiden Iguanodon-Modelle ein Horn auf dem Kopf. Alle Dinosaurier wurden als Vierbeiner dargestellt. Erst durch spätere Funde von Joseph Leidy im Jahr 1866 wurde diese verallgemeinernde Darstellung widerlegt. Zu Neujahr 1854 veranstaltete die Crystal Palace Company zu Ehren von Owen im Inneren einer Iguanodon-Gussform eine Dinnerparty für 22 Gäste. Die am 10. Juni 1854 eröffnete Ausstellung im Dinosaur Court machte die Dinosaurier einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.[17][18] 1855 wurde Owen in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. Im Jahr 1857 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt, 1865 der National Academy of Sciences.

Mit der Erstbeschreibung der ausgestorbenen Gattung Thylacoleo begann 1857 eine langjährige Beschäftigung mit den fossilen Säugetieren Australiens, die er 1877 in einem zweibändigen Werk zusammenfassend darstellte. 1862 setzte er sich in seiner Eigenschaft als Leiter der naturhistorischen Sammlung des Britischen Museums für den Ankauf des im Vorjahr bei Solnhofen entdeckten Archaeopteryx ein. In seiner 1863 erschienenen Monografie über das Exemplar erkannte er jedoch nicht, dass es sich bei dem Fossil um eine Übergangsform zwischen den Reptilien und den Vögeln handelte.

Beiträge zur Gründung des Natural History Museum

1856 gab Owen sein Amt als Kurator des Hunter-Museums wegen fortdauernder Unstimmigkeiten mit dessen Council auf. Er wurde erster Superintendant der naturgeschichtlichen Sammlung des Britischen Museums und im gleichen Jahr Fuller-Professor für Anatomie und Physiologie an der Royal Institution of Great Britain. Von 1857 bis 1861 hielt er Vorlesungen über Paläontologie an der Royal School of Mines, die als Palaeontology. Or: A Systematic Summary of Extinct Animals and Their Geological Relations veröffentlicht wurden. 1858 wurde Owen Präsident der British Association for the Advancement of Science und trat im September 1858 zum ersten Mal öffentlich für eine Auslagerung der naturhistorischen Sammlung des Britischen Museums in ein eigenständiges Museum ein. Im Februar 1859 legte er einen ersten detaillierten Plan dafür vor. Diesen Plänen trat im November insbesondere Thomas Henry Huxley entgegen. Von 1860 bis 1863 kam es zu einer anhaltenden Parlamentsdebatte über dieses Thema. 1861 hielt Owen vor der Royal Institution den Vortrag On a New Natural History Museum und veröffentlichte in der Zeitschrift Athenaeum drei Artikel. Die Trustees des Britischen Museums sprachen sich schließlich für eine Trennung aus. Allein in der Zeit von 1856 bis 1863 publizierte Owen über einhundert Veröffentlichungen.[19] 1872 bewilligte das Parlament schließlich die für den Neubau notwendigen Mittel. Als das neu errichtete Natural History Museum im April 1881 eröffnet wurde, war Owen dessen erster Direktor.

Owen und die Evolutionstheorie

Owen selbst glaubte zwar anfangs an die Unveränderlichkeit der Arten und folgte darin Georges Cuvier, revidierte das aber insbesondere aufgrund seiner eigenen Studien in vergleichender Anatomie, die zur Herausbildung seines Konzepts des Archetypus führten, eines göttlich bestimmten Urplans, von dem sich die Baupläne aller Tiere ableiteten. Abweichungen wurden nach Owen verursacht durch eine Reihe von ihm selbst nicht genau spezifizierter sekundärer Einflüsse, die man als Gesetze einer göttlich gelenkten Evolution auffassen kann. In seiner Theorie des Archetypus war er von deutscher Naturphilosophie beeinflusst, insbesondere von Lorenz Oken, den er bewunderte.[20]

Später wurde Owen vielfach als Gegner der Theorie der Evolution von Charles Darwin gesehen. Owen selbst lehnte das Konzept der Veränderung der Arten durch Evolution nicht vollständig ab, lehnte aber Darwins Theorie der natürlichen Auslese als treibender Kraft ab, sondern sah vielmehr das Walten eines Schöpfers. In Publikationen war er in dieser Hinsicht zurückhaltend, er griff Darwins Origin of species auch nur anonym in einer Rezension im Edinburgh Review im April 1860 an, seine Autorschaft war Darwin und seinem Umkreis aber von Anfang an klar.

Bekannt wurde die Kontroverse von Owen mit Darwins Parteigänger Thomas Henry Huxley, zu dem er seit längerem in Rivalität stand. Die Kontroverse war eine der heftigsten und aufsehenerregendsten zwischen Wissenschaftlern im 19. Jahrhundert[21] und betraf die Stellung der Menschenaffen zum Menschen. Die Kontroverse fand in den Jahren nach der Veröffentlichung von Darwins Ursprung der Arten statt und erreichte ihren Höhepunkt auf der Versammlung der British Association for the Advancement of Science in Cambridge 1862. Owen sah trotz weitgehender anatomischer Ähnlichkeit einen entscheidenden Unterschied von Menschenaffen (wie Gorillas) und Menschen im Gehirn. Owen behauptete, dass bestimmte Teile des Gehirns wie der Hippocampus minor (und zwei andere) nur im Gehirn des Menschen vorkämen, worin ihn aber Huxley (unterstützt vom Anatomen William Henry Flower) widerlegte. Die Debatte fand große Aufmerksamkeit in den zeitgenössischen Medien und man war allgemein der Ansicht, dass Huxley daraus als Sieger hervorging.

Letzte Jahre und Ehrungen

Richard Owen auf einer Woodburytypie von Herbert Rose Barraud (1845–1896), die in seinen letzten Lebensjahren aufgenommen wurde

Nach seinem Rückzug in den Ruhestand 1883 wurde Owen am 5. Januar 1884 zum Knight Commander des Order of the Bath (KCB) und damit zum „Sir“ ernannt. Bereits 1873 war er als Companion of the Order of the Bath (CB) ausgezeichnet worden. 1888 wurde Owen gemeinsam mit Joseph Dalton Hooker mit der Linné-Medaille der Linnean Society of London ausgezeichnet. In Deutschland ehrte man ihn 1852 auf Anregung Alexander von Humboldts mit dem Pour le mérite für Wissenschaften und Künste. Die australische Royal Society of New South Wales ehrte ihn 1878 mit der erstmaligen Vergabe der Clarke-Medaille.

Der Selbstmord seines einzigen Sohns im Jahr 1886 verbitterte ihn. Der ertaubte und an Stomatitis erkrankte[22] Owen verstarb am 18. Dezember 1892 und wurde am 23. Dezember neben seiner Frau auf dem Ham Churchyard nahe Richmond, Surrey (heute zu Greater London gehörend) bestattet.

Ihm zu Ehren ist die Pflanzengattung Owenia F.Muell. aus der Familie der Mahagonigewächse (Meliaceae) benannt worden.[23]

Schriften (Auswahl)

Eine vollständige Bibliografie befindet sich in The Life of Richard Owen by His Grandson the Rev. Richard Owen, M.A. With the Scientific Portions Revised by C. Davies Sherborn. Also an Essay on Owen’s Position in Anatomical Science by the Right Hon. T.H. Huxley, F.R.S. D. Appleton, New York 1894.

Bücher

Kataloge über die Hunter-Sammlung

Zeitschriftenbeiträge

Säugetiere
Wirbellose
Fossilien
Sonstige

Nachweise

Literatur

Einzelnachweise

  1. Rupke S. 245.
  2. vgl. The Discovery of Trichina Spiralis. In: American Journal of Public Health. Band 21, 1931, S. 181 (PDF).
  3. Reinhard Hildebrand: Rudolf Albert Koelliker und seine wissenschaftlichen Kontakte zum Ausland. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 2, 1984, S. 101–115; hier: S. 105 f.
  4. James Johnson, Henry James Johnson (Hrsg.): The Medico-Chirurgical Review and Journal of Practical Medicine. Band 36, London, New York 1842, S. 140 ff.; online.
  5. Keith S. 893.
  6. Medico-chirurgical Transactions. Band 40, London 1857, S. XLIX; online.
  7. Dinner in the Iguanodon Model, at The Crystal Palace, Sydenham and Skeleton of the Dinornis in the Museum in the Royal College of Surgeons. In: The Illustrated London News. 7. Januar 1854, S. 22.
  8. William Buckland: On the Fossil Remains of the Megatherium, Recently Imported into England from South America. In: Report of First and Second Meetings of the British Association for the Advancement of Science. J. Murray, London 1833, S. 104–110; online.
  9. Charles Darwin an John Stevens Henslow, 30. September–1. Oktober 1836, Brief 354 (Memento des Originals vom 14. Juli 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.darwinproject.ac.uk in The Darwin Correspondence Project (abgerufen am 12. September 2008).
  10. Richard Owen: A description of the Cranium of the Toxodon Platensis, a gigantic extinct mammiferous species, referrible by its dentition to the Rodentia, but with affinities to the Pachydermata and the Herbivorous Cetacea. In: Proceedings of the Geological Society of London. Band 2, S. 541–542, London 1837 (gelesen am 19. April 1837); online.
  11. James O. Farlow, M. K. Brett-Surman, Robert F. Walters: The Complete Dinosaur. Indiana University Press, 1999, ISBN 0-253-21313-4, S. 178 f.
  12. Dennis R. Dean: Gideon Mantell and the Discovery of Dinosaurs. Cambridge University Press, 1999, ISBN 0-521-42048-2, S. 183.
  13. Dennis R. Dean: Gideon Mantell and the Discovery of Dinosaurs. Cambridge University Press, 1999, ISBN 0-521-42048-2, S. 190.
  14. Nicolaas Rupke: Richard Owen: Biology without Darwin. Chicago University Press 2009, S. 6.
  15. On the Bone of an Unknown Struthious Bird of Large Size from New Zealand. In: Annals and Magazine of Natural History. Band 5, 1840, S. 168.
  16. T. H. Worthy, Richard N. Holdaway, Rod Morris: The Lost World of the Moa: Prehistoric Life of New Zealand. Indiana University Press, 2002, ISBN 0-253-34034-9, S. 48.
  17. Edwin Harris Colbert: The Crystal Palace Dinosaurs. In: The Great Dinosaur Hunters and Their Discoveries. Courier Dover Publications, 1984, ISBN 0-486-24701-5, S. 34–37.
  18. James A. Secord: Monsters at the Crystal Palace. In: Soraya de Chadarevian, Nick Hopwood: Models: The Third Dimension of Science. Stanford University Press, 2004, ISBN 0-8047-3972-2, S. 138–159.
  19. Kenneth Carpenter: The Armored Dinosaurs. S. 18 ff.
  20. Wesley Williams, Artikel Owen in Dictionary of Scientific Biography.
  21. Nicolaas Rupke, Richard Owen, S. 192.
  22. Rupke S. 246.
  23. Lotte Burkhardt: Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen – Erweiterte Edition. Teil I und II. Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin, Berlin 2018, ISBN 978-3-946292-26-5 doi:10.3372/epolist2018.

Weiterführende Literatur