Wappen Gregors XI.

Salvator humani generis (lateinisch für „Erlöser des Menschengeschlechts“) ist eine päpstliche Bulle aus dem Jahr 1374. Die von Papst Gregor XI. ausgegebene Bulle wendet sich gegen mehrere Artikel des Sachsenspiegels, die nach Auffassung des Papstes im Widerspruch zum kirchlichen und göttlichen Recht standen.[1] Diese Artikel wurden später als Articuli Reprobati bekannt.

Erlass

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Papst Gregor XI. setzte eine Gruppe von Kardinälen und Rechtsgelehrten des römischen und des kanonischen Rechtes ein, welche ein Dokument erließ, welches die Verdammung von 14 Artikeln des Sachsenspiegels vorschlug. Diese 14 tauchen auch in den 21 Artikeln auf, die der Augustinermönch Johannes Klenkok in seinem aktualisierten Dekadikon aufführt,[2] das er seinem ehemaligen Schüler Pierre de Vergne, inzwischen Kurienkardinal am päpstlichen Hof in Avignon, zugeleitet hatte. In diesem Buch hat Klenkok aufgeführt, warum diese 21 Artikel des Sachsenspiegels dem göttlichen, kanonischen und weltlichen Recht widersprechen würden.

Am 8. April 1374 wurde Salvator Humani Generis erlassen und verurteilte die 14 Artikel des Sachsenspiegels.[3] In der Bulle wird der Augustinermönch Johannes Klenkok nie erwähnt, von Wissenschaftlern wird Klenkok jedoch als Grund für das Handeln Gregor XI. genannt.[4]

Die Kirche sah bei verschiedenen Artikeln einen Verstoß gegen die Regeln des kanonischen Rechts, so unter anderem die Regeln zum Zweikampf und Erbrecht.[5][6]

In älterer Literatur werden auch andere Daten für die Verdammung angegeben, wie das Jahr 1373[7] oder 1372.[8]

Inhalt

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der Verwerfung der Artikel erklärte die Bulle jedwede Urteile und Schiedssprüche, die auf den Artikeln beruhten, für nichtig.[9]

Konkret werden mit der Bulle folgende Passagen des Sachsenspiegels verworfen:[10]

Diese 14 Artikel sind in der Forschung als so genannte Articuli Reprobati bekannt.

Der lateinische Text der Artikel des Sachsenspiegels in der Bulle ist, nach der Analyse J. A. Tomascheks, der Lesart im Commune privilegium entsprechend, einer in Krakau 1506 gedruckten polnischen Gesetzessammlung.[11]

Verbreitung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Papst Gregor XI. sandte die Bulle an sechs Erzbischöfe, die von Köln, Mainz, Riga, Bremen, Magdeburg und Prag, wobei der Erzbischof von Riga im Schreiben an die Bischöfe explizit hervorgehoben wurde.[12] Der Papst erwähnte dort auch ein Schreiben an den Kaiser Karl IV., in welchem er den Kaiser des Alten Reiches aufforderte, für die Befolgung der Bulle zu sorgen.[12]

Die Bulle wurde 1376 an den Ermländer Bischof Heinrich Soerboom gesendet vom Erzbischof von Riga Johannes IV. von Sinten.[13]

Wirkung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einigen Handschriften fehlen die von der Bulle angegriffenen Artikel,[14][15] so beispielsweise in einem Nachfolger des Sachsenspiegels in Osteuropa und Preußen, dem Rechtsbuch Alter Kulm.[16]

Einige Handschriften haben die Bulle an den Text des Sachsenspiegels angehängt.[17][18][19] Alleine dieser Umstand wird als Erfolg der Bulle betrachtet.[20]

In der sächsischen Oberhofgerichtsordnung von 1495 waren die Artikel, die die Bulle verboten hatte, explizit von dem anwendbaren Recht ausgenommen.[21]

In der frühen germanistischen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts wird die Wirkung der Bulle als relativ gering gesehen.[22] Dies liegt zum Teil daran, dass diese Ansichten zumeist nur auf die generelle Autorität des Sachsenspiegels abstellen.[23]

Eine noch frühere andere Ansicht war aber, dass diese Verdammung dazu führte, dass der Sachsenspiegel nicht formal zu einem Gesetz erhoben wurde, sondern nur durch Anwendung den Status von Gewohnheitsrecht erlangte.[24]

Rezeption in der Wissenschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verurteilung wurde teilweise als Anfeindung der Kirche gegen den gesamten Sachsenspiegel gesehen.[25]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Lars Rentmeister: Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche im späten Mittelalter am Beispiel der Diskussion um den Sachsenspiegel. Freie Universität Berlin, Berlin 2016, DNB 1099952247 (Dissertation FU Berlin 2016, 473 Seiten, Volltext online).
  2. Christopher Ocker: Johannes Klenkok: A Friar’s Life, C. 1310–1374: Transactions, APS. American Philosophical Society, 2008, ISBN 978-1-4223-7404-7, S. 88 (google.com [abgerufen am 1. Juni 2022]).
  3. Peter Burkhart: Die lateinischen und deutschen Handschriften der Universitäts-Bibliothek Leipzig. Otto Harrassowitz Verlag, 1995, ISBN 978-3-447-03813-3, S. 215.
  4. Stephan Meder: Rechtsgeschichte: Eine Einführung. UTB, 2014, ISBN 978-3-8252-4269-5, S. 175.
  5. Wolfgang Sellert: Recht und Gerechtigkeit in der Kunst. Wallstein Verlag, 1993, ISBN 978-3-89244-030-7, S. 17 (google.com [abgerufen am 1. Juni 2022]).
  6. Eberhard F. Bruck: Kirchenväter und Soziales Erbrecht: Wanderungen religiöser Ideen durch die Rechte der östlichen und westlichen welt. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-87167-2, S. 260 (google.com [abgerufen am 3. Juni 2022]).
  7. Achilles Renaud: Lehrbuch des gemeinen deutschen Privatrechts. Flammer und Hoffmann, 1848, S. 53.
  8. Geschichte der Wissenschaften in Deutschland: Neuere Zeit. 1880, S. 9–10.
  9. Otto Stobbe: Johann Klenkok. In: Allgemeine Deutsche Biographie. 1882 (deutsche-biographie.de).
  10. Deutsche Übersetzung gemäß Der Sachsenspiegel (Hg. Clausdieter Schott). Manesse Verlag Zürich, 1984.
  11. Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. In Kommission bei C. Gerold’s Sohn, 1884, S. 250 (google.com [abgerufen am 1. Juni 2022]).
  12. a b Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. In Kommission bei C. Gerold’s Sohn, 1884, S. 249 (google.com [abgerufen am 1. Juni 2022]).
  13. Peter Burkhart: Die lateinischen und deutschen Handschriften der Universitäts-Bibliothek Leipzig. Otto Harrassowitz Verlag, 1995, ISBN 978-3-447-03813-3, S. 215.
  14. Rolf Lieberwirth: Die Wirkungsgeschichte des Sachsenspiegels. In: Ruth Schmidt-Wiegand (Hrsg.): Sachsenspiegel: Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift. Kommentarband. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2015, ISBN 978-3-05-006909-8, S. 76.
  15. Stephan Meder: Rechtsgeschichte: Eine Einführung. UTB, 2014, ISBN 978-3-8252-4269-5, S. 175.
  16. Articuli Reprobati. In: Zeitschrift der Savigny Stiftung für Rechtsgeschichte. Band 3-4. H. Böhlau, 1864, S. 202 (google.com [abgerufen am 3. Juni 2022]).
  17. Germany: Eykens von Repgow Sachsen-Spiegel, oder das Sächsische Landt-Recht, in dreyen Büchern ... mit denen ältesten Codd. MSS. zusammen gehalten ... Nebst zweyen noch nie gedruckten Texten der alten Ober-Sächsischen ursprünglichen Sprache dieses Rechts, auch dessen Lateinischer Version und einer neuen Ubersetzung ... Ferner die vollständige Teutsche Glosse des Land-Rechts, ebenfalls aus Manuscripten restituiret ... mit nöthigen Register und einem Vorbericht vom Autore, Alter, Codicibus, und Editionen dieses Rechts ... von D. C. W. Gärtnern. 1732 (google.com [abgerufen am 1. Juni 2022]).
  18. Germany: Sachsenspiegel. Auffs newe ubersehen, mit Summariis und newen Additionen ... vielfeltig gebessert ... Durch ... C. Zobel ... zugericht, etc. [With a preface by G. Menius.] 1561 (google.com [abgerufen am 3. Juni 2022]).
  19. Germany: Sachsenspiegel, mit Summariis und newen Additionen ... vielfeltig gebessert. Durch ... C. Zobel ... zugericht, etc. Leipsic, 1614 (google.com [abgerufen am 3. Juni 2022]).
  20. Richard Schröder, Schröder: Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte. Veit & Comp., 1894, S. 640.
  21. Heinrich Siegel: Deutsche Rechtsgeschichte: ein Lehrbuch. Franz Vahlen, 1889, S. 94.
  22. Geschichte der Wissenschaften in Deutschland: Neuere Zeit. 1880, S. 9–10.
  23. Eduard Heilfron: Geschichte des Gemeinen Privatrechts und Civilprozesses: Abt. Deutsche Rechtsgeschichte. Speyer & Peters, 1896, S. 234.
  24. Gottfried Christian Voigt: Geschichte des Stifts Quedlinburg. Schwickert, 1786, S. 389 (google.com [abgerufen am 3. Juni 2022]).
  25. Susanne Hähnchen: Rechtsgeschichte: Von der Römischen Antike bis zur Neuzeit. C.F. Müller GmbH, 2016, ISBN 978-3-8114-5442-2, S. 152–153.