Hohlschlitztrommel der Bamileke in Westkamerun

Schlitztrommel, auch Schlitzgong, früher Holztrommel, ist ein Aufschlagidiophon üblicherweise aus Holz oder Bambus von beliebiger Form, dessen Klang durch einen Schlitz bestimmt wird. Bei einer asymmetrischen Anordnung des Schlitzes lassen sich zwei Tonhöhen hervorbringen. Manche Schlitztrommeln haben zwei oder mehrere parallele Schlitze für ein mehrtöniges Spiel. Schlitztrommeln gehören nicht zu den Trommeln (Gruppe der Membranophone); der Name bezieht sich darauf, dass sie mit Stöcken oder seltener mit den Händen geschlagen werden. Zutreffender ist die Bezeichnung „Schlitzgong“, denn der Gong ist wie die Schlitztrommel ein Idiophon mit dem Schwingungsmaximum in der Mitte.

Schlitztrommeln werden in der rituellen und religiösen Musik, als den Rhythmus festlegendes Perkussionsinstrument in Ensembles, als Signalinstrument und in zentralafrikanischen Kulturen mit Tonsprachen zur Übermittlung von Nachrichten verwendet.

Bauform

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Vorläufer von Schlitztrommeln sind Schlagbalken. Schlitztrommeln sind in Afrika, Süd- und Mittelamerika, Südostasien und Ozeanien verbreitet. Sie werden aus ausgehöhlten Baumstämmen, Bambusrohren oder (sehr selten) aus Metall mit einem oder mehreren Schlitzen als Öffnung hergestellt. Man spielt sie mit Hammerkopfschlägeln, Stöcken und teilweise auch mit den Händen. Ihre Größe variiert stark und reicht vom kleinen, ab vier Zentimeter langen Templeblock, der in der buddhistischen Ritualmusik verwendet wird, bis zu den größten Schlitztrommeln der Nagas in Assam.[1] Diese songkong bestehen aus elf Meter langen Stämmen, von denen mehrere zugleich bei drohender Gefahr als Signalinstrument oder zur Bekanntgabe wichtiger Nachrichten geschlagen werden. Ähnlich große Instrumente stellen einige Banda-Volksgruppen in Zentralafrika her. Nach der Beschreibung von Max Schmidt 1905 bauten die brasilianischen Awetí bis zu sechs Meter lange Schlitztrommeln[2]. Eine in den 1960er Jahren auf der zum ozeanischen Inselstaat Vanuatu gehörenden Insel Ambrym vom Metropolitan Museum of Art erworbene Schlitztrommel (atingting kon) ist 4,27 Meter lang. Sie war senkrecht mit anderen Schlitztrommeln auf dem zentralen Tanzplatz (ranhara) des Dorfes aufgestellt, wo sie bei Initiationsriten (maghe) und anderen Ritualen geschlagen wurde[3].

Große Schlitztrommeln aus Baumstämmen liegen meist am Boden, kleine Klanghölzer werden mit einer Schnur um den Hals getragen; als Nachrichtentrommel hängen sie auch senkrecht an Bäumen oder in eigens dafür errichteten Türmen. Schlitztrommeln können rund, dreieckig oder rechteckig sein, einige haben Tier- oder Menschengestalt. Die Bezeichnung als „Trommel“ ist irreführend, da es keine Membran gibt, die in Schwingung versetzt wird. Das Instrument ist eher mit einem metallenen Gong verwandt. Im Englischen hat sich daher die Bezeichnung slit gong eingebürgert. Wird der Schlitz außerhalb der Mitte ausgeschnitten, lassen sich zwei Töne an den verschieden breiten Hälften anschlagen.

Blockschlitztrommel

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Die einfachste Bauart hat einen geraden Schlitz, der in einen massiven Holzblock geschnitten wurde. Hierzu gehört der ostasiatische Holzfisch in der Form eines Fisches oder als Holzkugel. Kleinere runde Holzfische werden in der Hand gehalten, größere werden auf ein ringförmiges Polster gelegt oder aufgehängt. Vom Prinzip entspricht der Holzfisch dem rechteckigen Templeblock mit einem Schlitz, der einen Ton mit einem vollen Klang erzeugt. Eine spezielle Weiterentwicklung eines runden Holzfisches ist der song lang, der in der südvietnamesischen Musik tài tù’ seit Ende des 19. Jahrhunderts als Taktgeber meist vom Spieler eines Saiteninstrumentes zusätzlich bedient wird. Am Holzkörper ist ein U-förmiger elastischer Streifen aus Büffelhaut mit einer Aufschlagkugel am Ende befestigt, der mit dem Fuß niedergedrückt werden kann. Der vietnamesische Holzfisch mō cá fungiert mit seiner gerillten Oberfläche zugleich als Schraper.

Bei den Minangkabau im Westen Sumatras gehört eine mehrere Meter lange Schlitztrommel aus einem an den Enden geschlossenen Baumstamm zur Tradition. Fotos von Jaap Kunst aus dem Jahr 1926 zeigen eine solche Riesenschlitztrommel auf einem Holzgestell etwa zwei Meter über dem Boden mit einem Pavillondach darüber. Sie wurde bei Ritualen an den Schlitzrändern angeschlagen und war kilometerweit zu hören. Kleinere, senkrecht aufgehängte Schlitztrommeln dienten den Minangkabau als Signalinstrumente und waren bootsförmig ausgehöhlt, wie es ansonsten auf einigen polynesischen Inseln üblich war.[4]

Holzblock wird eine Röhrenholztrommel oder in der ostasiatischen Tempelmusik ein Holzkörper genannt, der an zwei Seiten unterschiedlich tiefe Schlitze hat und dadurch verschiedene Tonhöhen mit einem insgesamt helleren und schärferen Klang erzeugt.

Hohlschlitztrommel

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Tongtong, Hohlschlitztrommel im ostjavanischen Bergort Tosari in der Nähe des Gunung Bromo. 1900–1940. Solche Nachrichtentrommeln durften in der Regel nur von ihrem Eigentümer, meist dem Dorfoberhaupt, geschlagen werden

Hohlschlitztrommeln bestehen überwiegend aus Bambus oder aus ausgehöhlten Baumstämmen. Ein Beispiel ist die balinesische Bambusschlitztrommel koprak, die aus zwei langen Bambusrohren besteht, die horizontal auf Gestellen liegen und von mehreren Männern, die an jedem Rohr stehen, gespielt werden. In den einzelnen Bambussegmenten befindet sich jeweils ein gerader Schlitz. Die Bambusschlitztrommel ketuk der Pakpak-Batak auf Sumatra wird von zwei Musikern mit je zwei Schlägeln gespielt.

Zu den Hohlschlitztrommeln gehören auch verschiedene Trogtrommeln in Ozeanien, wie die mittelgroße Lali, die sich von Fidschi aus mit hochseefähigen Auslegerkanus mit Besegelung über Tonga nach Samoa und auf anderen Inseln Polynesiens verbreitet hat. Die ähnliche logo von Samoa hat seit der christlichen Missionierung eine neue Aufgabe als Ersatz für Kirchenglocken gefunden.[5]

Eine seltene kleine Schlitztrommel im Norden von Bangladesch besteht aus einem Bambusinternodium mit einem schmalen Schlitz an einer Seite. Der Spieler schlägt die Röhre, während er sie mit einer Hand im Kreis dreht, mit zwei Schlägeln, die er wie Essstäbchen in der anderen Hand hält und produziert so unterschiedliche Klangfarben. Wird ein Bambusrohr von einer Seite durchgängig gespalten, so entsteht eine gabelförmige Klapper, die in Assam toka heißt und bei hinduistischen Jahresfesten gespielt wird. Bei den Khasi im benachbarten indischen Bundesstaat Meghalaya spielt ein Musiker auf drei vergleichbaren, unterschiedlich gestimmten Bambusschlitztrommeln, die kdor genannt werden. Eine Weiterentwicklung stellen die in derselben Region geschlagenen Bambusröhrenzithern dar wie die chigring der Garo.[6]

Aus mehreren Teilen zusammengesetzte Hohlschlitztrommeln sind Kistentrommeln, englisch box drum,[7] die aus einem aus rechteckig verleimten Platten bestehenden Kasten mit einem Schallloch bestehen. Ursprünglich zur afro-amerikanischen Musik der Karibik gehörend sind sie unter dem spanischen Namen cajón, Plural cajones, bekannt. Bei den Inuit in Alaska heißen ähnliche zeremoniell verwendete Holzkästen kalukhaq.[8]

Zungenschlitztrommel

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Es gibt traditionelle und moderne Varianten der Schlitztrommel mit vier bis acht Klangzungen. Diese entstehen, indem parallele oder keilförmige Schlitze aus einem Massivholz herausgeschnitten werden. Entsprechend der Anzahl an Klangzungen bringt das Instrument verschiedene Töne hervor. Es gehört wie das Xylophon zu den gestimmten Idiophonen, hat jedoch keine festgelegten Tonhöhen. Zungenschlitztrommeln sind überwiegend in Afrika verbreitet, besonders in Kulturen, die Tonsprachen zur Übermittlung von Nachrichten verwenden. So ist die nkumvi bei den Baluba im Kongo, die vier Töne hervorbringt und mit zwei gepolsterten Schlägeln gespielt wird, in einem Radius von 30 Kilometer zu hören. Eine andere große Zungenschlitztrommel im Kongo in der Gestalt eines Büffels oder einer Antilope heißt gugu.[9]

Verwendung

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Schlitztrommeln schlagen in der Unterhaltungsmusik den Takt und koordinieren den Einsatz von Tänzern. Spezifischer ist jedoch ihr Einsatz als Signalinstrument bei drohender Gefahr oder zu einem besonderen Anlass und bei religiösen Ritualen. In westlichen klassischen Kompositionen wurden seit Anfang des 20. Jahrhunderts Schlitztrommeln aus Asien aus ihrem kulturellen Umfeld herausgenommen und als Effektinstrumente dem Schlagzeug beigefügt. Sergei Prokofjew verwendete in zwei Kompositionen Schlitztrommeln: in der 5. Symphonie von 1944 und der 6. Symphonie von 1945–1947. Ein hoher und ein tiefer Templeblock kommen in Music for a Great City von Aaron Copland (1964) vor, ebenso wie in zwei Werken von Benjamin Britten aus den 1960er Jahren. John Cage verwendet in Amores (1943) sieben verschieden große Schlitztrommeln. Gelegentlich wurden im Jazz und Ragtime Holzblöcke gespielt. Sie können auch in der Musikpädagogik angewandt werden.

Einige Schlitztrommeln

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Pate aus Samoa
Schlitztrommel der Yangere, ein Banda-Volk in Zentralafrika. Ende 19. Jahrhundert. Standort Louvre
Aztekische Blumenzeremonie im Codex Florentinus, Mitte 16. Jahrhundert. Die Musiker spielen die Schlitztrommel teponaztli, dahinter die große einfellige Standtrommel huéhuetl und links oben die Kürbisgefäßrassel ayacachtli.

Andere Idiophone aus Holz

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Klangbretter, Schlagbretter oder Schlagbalken sind keine Schlitztrommeln, sondern meist lange, mit einem Hammer oder einem biegsamen Stab angeschlagene Holzbretter, die stationär an Seilen aufgehängt sind oder von einer Person getragen werden. Sie heißen auf Griechisch semantron und dienen in orthodoxen osteuropäischen Klöstern als Gebetsglocken. Christen in arabischen Ländern nannten diese dort heute verschwundenen Klangbretter naqus. Sie entsprechen den in tibetisch-buddhistischen Klöstern geschlagenen gandi.

Der Reisstampftrog lesung in Indonesien und Malaysia wird von mehreren Frauen mit Stampfstöcken innen am Boden oder am Rand angestoßen und produziert unterschiedliche Tonhöhen für eine polyrhythmische Musik.

Ein Reibholz ist unter dem Namen lounuat von der Insel Neuirland bekannt. Der hölzerne Klangkörper besitzt drei Zungen, die mit den Händen gerieben werden und drei klare Töne produzieren.

Literatur

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Commons: Schlitztrommeln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Konyak Naga tribe musical instrument Log drum in North East India. Youtube-Video
  2. Curt Sachs: Geist und Werden der Musikinstrumente. (1928) Frits A.M. Knuf, Hilversum 1965, S. 44
  3. Eric Kjellgren: From Fanla to New York and back: recovering the authorship and iconography of a slit drum from Ambrym Island, Vanuatu. In: Journal of Museum Ethnography, No. 17, Pacific Ethnography, Politics and Museums, 2005, S. 118–129, hier S. 119f
  4. Paul Collaer: Südostasien. (Werner Bachmann (Hrsg.): Musikgeschichte in Bildern. Band 1: Musikethnologie. Lieferung 3) Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1979, S. 92
  5. MGG, Sp. 1106
  6. Roger Blench: Musical instruments of Northeast India. Classification, distribution, history and vernacular names. (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (PDF-Datei; 4,85 MB) Cambridge, Dezember 2011, S. 12f
  7. J. Richard Haefer: Box drum. In: Grove Music Online, 13. Januar 2015
  8. Beverley Diamond, J. Richard Haefer: Kalukhaq. In: Grove Music Online, 25. Mai 2016
  9. MGG, Sp. 1108
  10. Hans Brandeis: Music and Dance of the Bukidnon of Mindanao – A Short Introduction. (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) Filipino Association of Berlin, 1993
  11. Corazon Canave-Dioquino, Ramón P. Santos, José Maceda: The Philippines. In: Terry E. Miller, Sean Williams (Hrsg.): The Garland handbook of Southeast Asian music. Routledge, New York 2008, S. 442
  12. Adrienne Kaeppler, Don Niles: The Music and Dance of New Guinea. In: J. W. Love, Adrienne Kaeppler (Hrsg.): The Garland Encyclopedia of World Music. Australia and the Pacific Islands. Bd. 9. Routledge, New York 1998, S. 475
  13. Igogo. In: Laurence Libin (Hrsg.): The Grove Dictionary of Musical Instruments. Bd. 3, Oxford University Press, Oxford/New York 2014, S. 10
  14. Lucy Durán, David Font-Navarrete: Kabisa. In: Laurence Libin (Hrsg.): The Grove Dictionary of Musical Instruments. Bd. 3, Oxford University Press, Oxford/New York 2014, S. 94
  15. Slit Gong (Kentongan). The Metropolitan Museum of Art (Abbildung einer ostjavanischen Bronzeschlitztrommel aus dem 13. Jahrhundert)
  16. Robert Wessing: A Community of Spirits: People, Ancestors, and Nature Spirits in Java: In: Crossroads: An Interdisciplinary Journal of Southeast Asian Studies, Band 18, Nr. 1, 2006, S. 11–111, hier S. 42
  17. Terry E. Miller, Sean Williams (Hrsg.): The Garland handbook of Southeast Asian music. Routledge, New York 2008, S. 364
  18. Hakan Lundström, Damrong Tayanin: Kammu Gongs and Drums (II). The Long Wooden Drums and Other Drums. In: Asian Folklore Studies, Band 40, Nr. 2, 1981, S. 173–189. hier S. 183
  19. W. A. Hart: Woodcarving of the Limba of Sierra Leone. In: African Arts, Band 23, Nr. 1, November 1989, S. 44–53, hier S. 51
  20. S. K Jain: Wooden Musical Instruments of the Gonds of Central India. In: Ethnomusicology, Band 9, Nr. 1, Januar 1965, S. 39–42, hier S. 39
  21. Raymond F. Kennedy: Music of Oceania. In: Music Educators Journal, Band 59, Nr. 2 (Music in World Cultures) Oktober 1972, S. 59–72, hier S. 61
  22. Richard Moyle: Samoan Musical Instruments. In Ethnomusicology, Band 18, Nr. 1, Januar 1974, S. 57–74, hier S. 59
  23. Terry E. Miller, Sean Williams (Hrsg.): The Garland handbook of Southeast Asian music. Routledge, New York 2008, S. 282, 456
  24. Åke Norborg: Musikinstrumente der Bini in Südwest-Nigeria. In: Erich Stockmann (Hrsg.): Musikkulturen in Afrika. Verlag Neue Musik, Berlin 1987, S. 201
  25. Raymond Ammann: Sounds of Secrets: Field Notes on Ritual Music and Musical Instruments on the Islands of Vanuatu. (Sound Culture Studies) LIT Verlag, Münster 2012, S. 243
  26. Peter Crowe: Vanuatu (Nouvelles-Hébrides / New Hebrides). Singsing-Danis Kastom. Musiques coutumières / Custom Music. AIMP XXXIV (CD-796) 1994, Booklet, S. 20, 22
  27. Paul Collaer: Musikgeschichte in Bildern. Band I: Musikethnologie. Lieferung 2: Amerika. Eskimo und indianische Bevölkerung. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1966, S. 39
  28. Mark Howell: Concerning the Origin and Dissemination of the Mesoamerican Slit-Drum. In: Music in Art, Band 28, Nr. 1/2, Frühjahr–Herbst 2003, S. 45–54, hier S. 46
  29. Patrick O’Reilly: Dancing Tahiti. (Dossier 22) Nouvelles éditions latines, Paris 1977, S. 23
  30. Terry E. Miller, Sean Williams (Hrsg.): The Garland handbook of Southeast Asian music. Routledge, New York 2008, S. 342