Sebastian Hartmann (* 7. Juli 1977 in Oberhausen) ist ein deutscher Politiker (SPD). Seit 2013 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages und vertritt dort den Wahlkreis Rhein-Sieg-Kreis I in Nordrhein-Westfalen. Vom 23. Juni 2018 bis zum 6. März 2021 war er Vorsitzender der SPD Nordrhein-Westfalen. Im Bundestag ist er Mitglied im Innenausschuss und der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Seit April 2021 ist er zudem Mitglied im Parlamentarischen Begleitgremium Covid-19-Pandemie.
Hartmann wuchs in Bornheim-Sechtem auf. Das Abitur erwarb er 1996 auf dem Clara-Schumann-Gymnasium in Bonn. Während der Schulzeit nahm Hartmann in der Funktion des ersten Generalsekretärs am Schüler-Planspiel United Nations teil, dessen Geschäftsführer er danach wurde.[1][2] Seinen Zivildienst absolvierte er in einer Bildungseinrichtung. Ab dem Wintersemester 1997/98 studierte er Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln mit dem Schwerpunkt internationales und europäisches Recht. Für dieses Studium erhielt er ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die für die Staatsexamensprüfung notwendige Schwerpunktprüfung legte Hartmann im Völker- und Europarecht erfolgreich ab. Das Studium brach er jedoch ohne die Staatsexamensprüfung ab, um freiberuflich als Organisationsberater und Personaltrainer tätig zu werden.[3] Diese selbständige berufliche Tätigkeit übte er bis zu seiner Wahl in den Bundestag 2013 aus.
Sebastian Hartmann ist verheiratet und hat zwei Kinder.[4]
Hartmann trat 1993 der SPD bei. Zunächst hatte er mehrere Funktionen bei der Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten in der SPD (Jusos) inne, unter anderem als deren Vorsitzender im Kreisverband Rhein-Sieg. Von 2004 bis 2010 war er Vorsitzender der SPD in Bornheim, 2005 übernahm er den Vorsitz im SPD-Kreisverband Rhein-Sieg. Zuletzt wurde er im Oktober 2021 erneut als Vorsitzender wiedergewählt.[5] Von 1999 bis 2020 gehörte er dem Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises an: zunächst als finanzpolitischer Sprecher, ordentliches Mitglied des Kreisausschusses, des Personalausschusses und Gründungsmitglied des Arbeitskreises Europa. Von 2007 bis 2014 setzte sich Hartmann als Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion für die regionale Weiterentwicklung ein. Von 2014 bis 2018 war er 2. stellvertretender Landrat des Rhein-Sieg-Kreises.[6]
2000 kandidierte er im Wahlkreis Rhein-Sieg-Kreis III für den nordrhein-westfälischen Landtag und 2009 für das Europäische Parlament.
Einige Jahre arbeitete Hartmann als persönlicher Referent und Büroleiter der Bundestagsabgeordneten Ulrike Merten. Von 2011 bis 2013 war er Mitarbeiter des Europaabgeordneten und Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz. Am 8. April 2018 wurde er von der Personalkommission der NRW-SPD einstimmig als Landesvorsitzender vorgeschlagen und am 23. Juni 2018 mit 80,3 % der Stimmen beim Parteitag in Bochum gewählt.[7] Nachdem der SPD-Fraktionsvorsitzende im nordrhein-westfälischen Landtag, Thomas Kutschaty, im Oktober 2020 für den nächsten Parteitag eine eigene Kandidatur für den Landesvorsitz angekündigt hatte[8], verzichtete Hartmann im Januar 2021 auf den Vorsitz.[9]
Bei der Bundestagswahl 2013 trat Hartmann als Direktkandidat im Wahlkreis Rhein-Sieg-Kreis I an. Mit 29,5 % der Erststimmen im Wahlkreis konnte er zwar nicht das Direktmandat erzielen, zog aber über die Landesliste in den Deutschen Bundestag ein.
Sebastian Hartmann wurde 2013 ordentliches Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur und stellvertretendes Mitglied im Finanzausschuss. Für die SPD-Bundestagsfraktion war er zuständiger Berichterstatter für Verkehrsinfrastrukturfinanzierung (Öffentlich-private Partnerschaften und Nutzerfinanzierung (Lkw- und PKW-Maut)) und die Infrastrukturgesellschaft sowie das Personenbeförderungsgesetz, den Öffentlichen Personennahverkehr, Schienenpersonennahverkehr und die Gemeindeverkehrsfinanzierung.
Nachdem Christina Kampmann im Oktober 2015 die Leitung des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen übernommen hatte, wurde er zusätzlich Mitglied des Bundestags-Innenausschusses. Dort war er bis 2017 für das Thema Migration und Integration zuständig.
Zur Bundestagswahl 2017 kandidierte er erneut im Bundestagswahlkreis Rhein-Sieg I (Wahlkreis 97), erzielte ein deutlich besseres Erststimmenergebnis als die SPD mit Zweitstimmen und behielt sein Mandat über die Landesliste. 2018 wurde Hartmann im Innenausschuss Berichterstatter für IT-Sicherheit und Zivil- und Katastrophenschutz. Außerdem wurde er 2020 Berichterstatter für Datenschutz. Darüber hinaus gehört Hartmann als stellvertretendes Mitglied dem Finanzausschuss, dem Wahlprüfungsausschuss, dem Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, sowie dem Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung an.[10]
Seit 2019 ist Hartmann Mitglied der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung.
Bei der Bundestagswahl 2021 erhielt er 28,5 Prozent der Erststimmen in seinem Wahlkreis 97 und zog erneut über die Landesliste in den Bundestag ein.[11] Als Direktkandidat hat er 53.213 Erststimmen erhalten, 3.225 mehr als 2017. Der Vorsprung der CDU-Kandidatin verringerte sich bei dieser Wahl von 29.999 auf 7.562 Stimmen. Im Bundestag wurde er im Dezember 2021 zum innenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion gewählt.[12][13] Am 24. März 2022 wurde er zudem zum Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes gewählt.
Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie forderte Hartmann in einem Konzeptpapier von April 2020[14], den Bund beim Bevölkerungsschutz zu stärken. Hartmann sprach sich dafür aus, die Kompetenzen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auszubauen. Föderale Strukturen müssen jedoch beibehalten werden, so Hartmann. „Wir müssen wegkommen vom föderalen Kooperationsverbot hin zu einem Kooperationsgebot“, erklärte Hartmann in der Rheinischen Post.[15] Auf dieser Grundlage beschloss die SPD-Bundestagsfraktion im März 2021 einstimmig das Positionspapier Zukunft des Bevölkerungsschutzes – Update statt Systemwechsel.[16][17]
In Folge der Hochwasserkatastrophe von Juli 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bestärkte der SPD-Politiker seine Forderung nach einem modernen, föderalen Bevölkerungsschutz. Am 24. August 2021 stellte er dazu einen 10-Punkte-Plan vor, um den Katastrophenschutz zu reformieren.[18] Darin forderte Hartmann unter anderem ein Multikanal-Warnsystem, das im Notfall alle Menschen zuverlässig erreicht, und eine stärkere Sensibilisierung der Bevölkerung. Auch müsse die staatliche Vorsorge optimiert werden durch eine bessere Risiko-Analyse und gegen Fake News angegangen werden. Daher brauche es eine klare, verständliche und einheitliche Kommunikation und die Einrichtung eines Kriseninterventionsteams im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Das Ehrenamt müsse gestärkt und attraktiver gemacht werden, erklärte Hartmann in einem Interview mit der Zürcher Zeitung.[19]
Für Hartmann sind Datenschutz und Datensicherheit eng miteinander verknüpft. In einem Beitrag[20] für den Blog „Politische Ökonomie“ betonte er die Bedeutung starker rechtlicher Rahmenbedingungen wie der Europäischen Datenschutzgrundverordnung und dem Cybersecurity Act sowie der Entwicklung „modernster Verschlüsselungstechnologie“. Unternehmen und Bürger müssten „darauf vertrauen können, dass ihre Daten nicht gestohlen oder missbraucht werden.“ Staat und Wirtschaft seien hier als „Innovatoren“ gefragt.
Die Digitalisierung sieht Hartmann als Chance für die Gesellschaft, wenn die „digitale Transformation“ aktiv gestaltet werde. Im Rahmen dieser Transformation sozialen Wohlstand zu schaffen, sei „eine Gemeinschaftsaufgabe von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften“. Von der EU fordert Hartmann „Mut“, sich zwischen China und USA aktiv zu positionieren und schlägt die Entwicklung einer „Digital-Union“ und einer „digitalen Grundrechtscharta“ vor. Hartmann tritt für eine offene Nutzung von nicht-personenbezogenen Daten ein, dies sei ein „wertvoller Beitrag für ein entwicklerfreundliches Umfeld“.
Im Bereich der Cyberkriminalität spricht sich Hartmann klar für eine strikt defensive Cybersicherheitspolitik aus und kritisiert die Forderungen nach sogenannten Hackbacks1, da diese „eine Eskalationsspirale in Gang setzen, deren Folgen nicht abzuschätzen wären und dadurch langfristig nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu mehr Unsicherheit führen“.[21] Stattdessen möchte Hartmann Verschlüsselungswerkzeuge und den Verbraucherschutz stärken.
In einem Gastbeitrag für die Rheinische Post beschrieb Hartmann die extreme Ungleichheit der Vermögensverteilung innerhalb von Gesellschaften und sieht in dieser – verbunden mit einem Rückzug des Staates – den „Sprengstoff unserer Zeit“.[22] Als negative Folgen dieser Entwicklung sieht Hartmann die Zerschlagung traditioneller Unternehmen, einen sozialen Rückschritt und Umweltzerstörung und die Spekulation mit Gütern der Daseinsvorsorge, etwa im Bereich Wohnen.
Um diese Entwicklung zu bekämpfen, propagiert Hartmann einen starken Sozialstaat. Damit Kommunen in diesem Sinne ihre Aufgaben der Daseinsvorsorge ausführen können, fordert Hartmann die Übernahme kommunaler Altschuldlasten durch die Bundesebene. Als weitere Maßnahmen schlägt Hartmann unter anderem die Erhöhung der Bildungsausgaben um sieben Milliarden Euro, eine stärkere gesetzliche Rente, höhere Mindestlöhne und einen lebenslangen Anspruch auf Weiterqualifizierung vor. In diesem Zusammenhang spricht Hartmann auch von einem "New Deal" für soziale Investitionen und Innovationen.[23]
Sebastian Hartmann spricht sich für mehr Zusammenarbeit auf europäischer Ebene aus, unter anderem fordert Hartmann die Einführung eines Investitionsbudgets auf EU-Ebene um in Bildung, Forschung, Klimaschutz und Infrastruktur investieren zu können. Auch den Aufbau einer gemeinsamen europäischen Verteidigung unter parlamentarischer Kontrolle befürwortet er. Dabei spricht sich Hartmann für eine Sozialunion aus, "in der soziale Grundrechte Vorrang haben vor radikalen Marktprinzipien."[24] Das bedeutet zum Beispiel ein soziales Investitionsbudget, um Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Neben der SPD ist Sebastian Hartmann Mitglied in verschiedenen Vereinen, Verbänden und Initiativen. Darunter fallen seine Mitgliedschaften in der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, der Arbeiterwohlfahrt, dem Deutschen Mieterbund Bonn/Rhein-Sieg/Ahr e.V., der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V., dem Landschaftsschutzverein Vorgebirge e.V., dem Kuratorium der Bürger für Beethoven und dem Beirat der Stiftung Datenschutz e.V.
Personendaten | |
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NAME | Hartmann, Sebastian |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (SPD), MdL |
GEBURTSDATUM | 7. Juli 1977 |
GEBURTSORT | Oberhausen |