Gelifluktion auf Spitzbergen

Solifluktion oder Bodenfließen wird eine Form der Flächenabtragung der Erdoberfläche an Hängen genannt, die als langsame, großflächige Fließbewegungen von lockerem Gesteinsmaterial im Oberboden auftritt und in Zusammenhang mit periglazialen Prozessen (Wechsel von Frost und Auftauen) steht. Als Voraussetzung gilt in den meisten Fällen ein heterogenes Bodengemisch aus Bestandteilen mit unterschiedlicher Körnung und mit einem erheblichen Grobkornanteil. Die fließende Erde bezeichnet man als Fließerde. Sieht dessen Formation einem Gletscher ähnlich (stromartige Form mit breiter Zunge), bezeichnet man sie als Erdgletscher. Bisweilen wird die Gelifluktion differenziert.[1]

Solifluidale Prozesse prägen die Landschaftsformen insbesondere in den subpolaren arktischen Gebirgen Eurasiens und Nordamerikas, in denen Permafrost vorkommt, der bis in die Tundrenzone hineinreicht. In den mittleren und niederen Breiten treten sie als formgebende Abläufe hinter die Wirkung von Niederschlags- und Schneeschmelzwasser zurück,[2] während sie in den höchsten Lagen tropischer Gebirge wieder eine bedeutendere Rolle spielen.[3]

Da Prozesse der Solifluktion außerhalb der subpolaren Gebiete vor allem zwischen der Wald- und Schneegrenze der Hochgebirge auftreten, wurde hierfür der geomorphologische Begriff der Solifluktionsstufe gebildet.[4]

Für die allgemeine geomorphologische Definition des Begriffs des Hochgebirges stellt die Solifluktion mit der Flächenabtragung durch Frostwirkung ein bestimmendes Merkmal dar, neben einer rezenten oder quartären Vergletscherung und dem Vorhandensein eines Glazialformenschatzes sowie der klimatischen Bildung einer oberen Waldgrenze.[5]

Grundlagen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ursache ist das Auftauen von Oberbodenschichten bis etwa einem Meter Tiefe (in Ausnahmen bis zu zwei Meter) bei einer gewissen Neigung des Reliefs. Die Auftauschicht (der active layer: „aktive Schicht“) des Bodens ist meist wassergesättigt, da insbesondere der Permafrost – in wärmeren Klimaten das Gestein oder bestimmte Böden im Untergrund – ein Versickern des Wassers verhindern. Die Wassersättigung setzt die Reibung im Bodensubstrat herab, was die hangabwärtsgerichtete Fließbewegung ermöglicht.

Solifluktion ist der wichtigste Abtragungs- und Transportprozess im Periglazialgebiet. Sie wirkt schon bei sehr flachen Hängen ab ca. 2° Neigung, ist jedoch typisch für Neigungswinkel von 17 bis 27°.[3]

Neben einer Wassersättigung ist die Solifluktion an einen ausreichend hohen Anteil von Feinmaterial (Feinsande, Schluffe, Tone) gebunden. Bewegungsbeträge von 5–10 Zentimeter pro Jahr können erreicht werden. In Solifluktionsböden finden sich hangparallel eingeregelte Steine und oftmals Pressstrukturen.

Im Unterschied zum Bodenkriechen erfolgt bei der Solifluktion die Hangabwärtsbewegung durch tatsächliche Fließvorgänge, die durch den wassergesättigten Boden über gefrorenem Untergrund verursacht werden und charakteristische morphologische Formen an der Oberfläche ausbilden. Beim Bodenkriechen dagegen erfolgt die Bewegung ausschließlich durch Versatz, der aus dem periodischen Wirken von Kontraktion und Expansion verursacht wird.

Morphologische Formen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Solifluktion ist der maßgebliche Prozess, der zur Entstehung von periglaziären Lagen (Deckschichten, Schuttdecken) wie der in Mitteleuropa verbreiteten Hauptlage führt.

In der Reliefformung wird die Glatthangbildung der solifludialen Schuttkorrosion zugeschrieben.[6][7] Glatthänge sind insbesondere in den Trockengebieten verbreitet, wo oft nur die polwärtigen Lagen glazial geformt werden oder wurden. Auf Sonnenhängen (äquatorwärtige Expositionen) finden sich dann mehrere hundert Meter hohe Glatthänge. Eine starke Hang-Asymmetrie mit Karen auf der Schattseite und Glatthängen auf der Sonnseite ist beispielsweise in den Trockengebirgen des Mediterrans bis in den Hindukusch verbreitet.

Während der Eiszeiten kam es zu klimabedingten Talasymmetrien, den asymmetrischen Tälern der europäischen Hügellandschaften, mit einem Flach- und einem Steilhang. Der Steilhang ist immer der stärker zur Sonne exponierte Hang, der im Periglazial durch größere Auftautiefe und stärkere Denudation der Solifluktion eine Versteilung durch die laterale Unterschneidung eines Flusses erfuhr.[8]

Typen und Spezialformen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Girlanden (Form der gebundenen Solifluktion) im Schweizerischen Nationalpark am Ofenpass

Siehe auch

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Hermann Lautensach 1960: Carl Troll - Ein Forscherleben. In: Erdkunde. Band 13, Heft 4, Bonn 1959, S. 245–258; hier S. 250.
  2. Carl Rathjens 1982: Geographie des Hochgebirges: 1. Der Naturraum. Teubner Studienbücher Geographie, Teubner, Stuttgart. ISBN 3-519-03419-0 Hier S. 105
  3. a b c d Julius Büdel: Periodische und episodische Solifluktion im Rahmen der klimatischen Solifluktionstypen, in Erdkunde, Band XIII, 1959, Online-Zugang, S. 297, 299–300, abgerufen am 16. September 2020.
  4. Carl Rathjens 1982: S. 105.
  5. Commission on Mountain Cartography Der Begriff Hochgebirge
  6. Carl Rathjens 1982: S. 105
  7. Spektrum Lexikon der Geographie: Glatthang [1]
  8. Spektrum Lexikon der Geographie: Asymmetrische Täler Asymmetrische Täler