„Lenhardsturm“ oder „Sprenger“, Nordwestecke der Stadtmauer
„Lenhardsturm“ oder „Sprenger“, Nordwestecke der Stadtmauer
Johannisturm – mächtigster Turm der Nordmauer
Johannisturm – mächtigster Turm der Nordmauer

Die Stadtbefestigung Pfeddersheim ist die mittelalterlich-frühneuzeitliche Befestigung der Reichsstadt Pfeddersheim.

Topografische Lage

Die ehemalige Reichsstadt Pfeddersheim ist heute ein Stadtteil von Worms, westlich der Innenstadt gelegen. Der Ort liegt am ansteigenden Nordufer der Pfrimm. Die Pfrimm war in den südlichen Abschnitt der Verteidigungsanlage einbezogen. Im Bereich von Pfeddersheim war der Bach in drei Arme unterteilt:

Die Stadtbefestigung bestand aus zwei Anlagen: einer Landwehr, die den größten Teil der Gemarkung umspannte, und der Stadtmauer, die den bebauten Bereich umgab.[3]

Geschichte

Der 1887 veröffentlichte Plan mit der damals erhaltenen Stadtmauer[4]
Nördlicher Stadtgraben

Der älteste erhaltene schriftliche Nachweis für eine Befestigung der Stadt Pfeddersheim stammt von 1276, der älteste Beleg für die Landwehr von 1449. Doch ist auch letztere sicher älter.[5] Die Stadtmauer bestand also schon, bevor Pfeddersheim am Anfang des 14. Jahrhunderts Stadtrecht verliehen bekam.

In den folgenden Jahrhunderten – bis zum Ende des 15. Jahrhunderts – wurde sie ausgebaut, ohne aber noch die für Befestigungen der Renaissance typischen Elemente zu erhalten. Die heute erhaltenen baulichen Reste zeigen überwiegend einen Zustand aus der Zeit um 1500. Die Türme sollen fast alle aus dieser Zeit stammen. Anschließend wurde die Mauer nur noch repariert, etwa nach dem Bauernkrieg 1525. Eine letzte Instandsetzung erfolgte ab 1655, was eine Fehlinvestition war, denn im Pfälzischen Erbfolgekrieg erwies sie sich als nutzlos: Pfeddersheim wurde zerstört.[6] Anschließend wurde die Mauer als Verteidigungsanlage aufgegeben und in den folgenden Jahrhunderten zunehmend abgetragen oder in Neubauten integriert. Diese Zweitverwendung hat sehr dazu beigetragen, dass sich Mauerabschnitte erhalten haben.[7] Durch diese Nachnutzung ist die Stadtmauer – obwohl wahrscheinlich substantiell noch erhalten – an vielen Stellen aber als solche auch nicht mehr zu erkennen. Die drei Tortürme wurden schon im 18. Jahrhundert abgetragen. Ab 1818 durften Häuser an die Mauer gebaut werden. Im Graben wurde private Nutzgärten angelegt.

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurde der erhaltene Bestand erstmals unter dem Aspekt des Denkmalschutzes erfasst und beschrieben[8] und festgestellt: „die Mauer ist fast ganz, wenigstens in einer gewissen Höhe konserviert, wozu namentlich beiträgt, dass auf allen Seiten Häuser darauf aufsitzen“.[9] Aus der Zeit kurz nach 1900 ist eine weitere ausführliche Beschreibung des damaligen baulichen Zustandes der Anlage überliefert.[10] Bei der Aufnahme des Bestandes durch die moderne Denkmalpflege 100 Jahre später erscheint der Bestand dezimiert. Nur vergleichsweise kurze Abschnitte der Mauer wurden erfasst.[11] Wie schon bei der ersten Erfassung von 1887 sind auch heute von den ehemals zehn Volltürmen noch neun erhalten.

Die Landwehr war um 1600 bereits aufgegeben. Oberirdische Spuren finden sich – bis auf einige Flurnamen – davon nicht mehr.[12]

Bauliche Anlage

Burg

Während die Stadtbefestigung komplett in die Zuständigkeit und Verantwortung der Stadt Pfeddersheim fiel, gab es im Osten des ummauerten Bezirks noch eine Burg, die dem Stadtherren gehörte. Baulich ist davon oberirdisch nichts mehr erhalten.[13] Überliefert ist dort noch die Bezeichnung „Burggärten“[14] und der Flurname „Die Burg“ unmittelbar vor der Stadtmauer.[15] Die Lage dieser ehemaligen Burg erklärt wahrscheinlich auch, warum es im Ostabschnitt der Stadtmauer kein Tor gab.

Landwehr

Die Landwehr bestand aus Wall, Graben und einer Hecke. Im südlichen Abschnitt schütze statt der Hecke wohl eine Palisade. Zusätzliche Bauten – etwa Wachtürme – gab es hier nicht. Weitere Einzelheiten sind nicht bekannt.[16]

Stadtmauer

Halbturm, Innenseite, Ringstraße 3
Halbturm, Innenseite, Ringstraße 3
Halbturm, Außenseite, Ringstraße 3
Halbturm, Außenseite, Ringstraße 3

Die Befestigung besteht aus einer etwa 1,20 m dicken Mauer aus Bruch- und Hausteinen. Nur im Bereich der Zinnen der Türme wurde auch Backstein verbaut. Sie umschließt den historischen Ortskern von Pfeddersheim etwa in einem in West-Ost-Richtung gestreckten Rechteck von etwa 800 × 400 m. In der Mauer standen 3 Tortürme (alle abgetragen). 10 weitere Volltürme, teils mit rechteckigem, teils mit rundem Grundriss (von denen noch 9 ganz oder in Resten erhalten sind), und 15 Halbtürme waren darüber hinaus in die Mauer eingefügt. Die Halbtürme dienten dazu, ein Schussfeld auf Angreifer zu erhalten, die die Mauer von außen zu ersteigen suchten. Vor den Tortürmen gab es Zugbrücken, die über den Graben führten. Nach dem Dreißigjährigen Krieg sind zudem Schlagbäume und Schilderhäuschen belegt. Die Mauer besaß einen komplett umlaufenden Wehrgang, der aber nirgends erhalten ist. Er war aus Holz gezimmert und von entsprechenden Streben und Vorlagen gestützt.[17] An einigen Stellen sind diese noch zu erkennen. Schießscharten ermöglichten von dort die Verteidigung. Nach oben schloss die Mauer dann meist glatt ab und es gab keine Zinnen.[18]

Vor der Mauer verlief im Westen, Norden und Osten ein etwa 20 m breiter, 5 m tiefer, trockener Graben. Im Norden diente er auch als „Schießgraben“, also als Schießbahn. Im Süden diente die Pfrimm als entsprechender Schutz – zumindest im Sommer. Wenn sie im Winter zufror, entfiel dieser. Die der Stadt abgewandte Seite des Grabens war mit Gehölz, Hecken und Dorngestrüpp als zusätzliches Annäherungshindernis bepflanzt.[19] Auf der Innenseite der Mauer gab es ursprünglich einen umlaufenden Weg, der die ungestörte und schnelle Bewegung der Verteidiger ermöglichte. Die Mauer stand so völlig frei. Einzige Ausnahme war die Judengasse, in der die Häuser direkt an die Mauer gebaut waren.[20]

Im Folgenden sind die Bestandteile der Stadtmauer aufgelistet, die entweder noch erhalten, zumindest aber bekannt sind[21]:

Nordabschnitt

Von Westen nach Osten

Aulturm mit nach links anschließender östlicher Stadtmauer

Hier sind noch kurze Mauerabschnitte in der St.-Georgen-Straße 45 und im Cästrich 14–16 zu sehen. Der Nordabschnitt war der am stärksten befestigte Abschnitt der Stadtmauer, da hier das vorgelagerte Gelände zur Befestigung hin abfällt[22], diese Stelle also für einen Angriff von außen besonders vorteilhaft war. Hier sind erhalten oder bekannt:

Ostabschnitt

Von Norden nach Süden

Südabschnitt der Stadtmauer (Matthäus Merian: Topographia Hassiae, 1655)

Südabschnitt

Von Osten nach Westen

Südtor (Ausschnittvergrößerung aus dem Stich von Matthäus Merian: Topographia Hassiae, 1655)
Bürgerturm oder Neuer Turm
Bürgerturm oder Neuer Turm
Bürgerturm in den 1880er Jahren noch mit der Quader-Dekoration aus Putz
Bürgerturm in den 1880er Jahren noch mit der Quader-Dekoration aus Putz

Westabschnitt

Von Süden nach Norden

Wehrorganisation

Während in Friedenszeiten eine bezahlte Stadtwache den Wachtdienst leistete, übernahmen das in Kriegszeiten alle Bürger. Sie waren in zehn Gruppen, genannt „Letzen“, organisiert und wurden aus Nachbarschaften gebildet. An der Spitze stand der Letzenmeister als militärischer Befehlshaber. Jede Letze trug Verantwortung für einen bestimmten Mauerabschnitt. Der Letzenmeister war in seinem Abschnitt für den baulichen Unterhalt der Mauer, die Funktionstüchtigkeit der Waffen – etwa der Geschütze – verantwortlich. Dafür standen ihm Stadthandwerker als Fachkräfte zur Verfügung. Der Munitionsvorrat der Stadt lagerte im Pulverturm und lag in der Verantwortung des Letzenmeisters, dem dieser Mauerabschnitt unterstand. Diese „Bürgerwehr“ hielt auch gemeinsam Alarm- und Schießübungen ab, die dann in einem Schützenfest gipfelten.[43]

Literatur

Anmerkungen

  1. In dem der Denkmaltopografie für die Stadt Worms (Abschnitt „Literatur“) beigefügten Plan ist er als Rundturm eingezeichnet. Tatsächlich hat er jedoch einen viereckigen Grundriss.
  2. Vgl. etwa den Aulturm im benachbarten Worms.
  3. Nur Spille nennt die Jahreszahl 1611 – und davon wohl kopiert der entsprechende Eintrag auf dem Hinweisschild am Turm.

Einzelnachweise

  1. Weckerling (1905), S. 60.
  2. Alter: Studien, S. 149.
  3. Alter: Studien, S. 77.
  4. Wörner, S. 122.
  5. Alter: Studien, S. 77.
  6. Spille: Denkmaltopographie, S. 260.
  7. Weckerling (1904), S. 99.
  8. Wörner, S. 121–125.
  9. Wörner, S. 121.
  10. Weckerling.
  11. Spille, nach S. 301, Tafel „Pfeddersheim“.
  12. Alter: Studien, S. 77.
  13. Weckerling (1904), S. 99.
  14. Alter: Studien, S. 148f.
  15. Weckerling (1905), S. 60.
  16. Alter: Studien, S. 77.
  17. Hinweistafel an dem Mauerstück in der Ringstraße 3.
  18. Alter: Studien, S. 78.
  19. Wörner, S. 121.
  20. Alter: Studien, S. 78.
  21. Angaben nach Spille: Denkmaltopographie, soweit nicht anders vermerkt.
  22. Wörner, S. 124.
  23. Hinweistafel am Gebäude.
  24. Alter: Studien, S. 149.
  25. Hinweistafel am benachbarten Haus Leiselheimer Straße 15.
  26. Hinweistafel am Gebäude.
  27. Weckerling (1904), S. 99.
  28. Hinweistafel am Gebäude.
  29. Wörner, S. 123.
  30. Hinweistafel am Gebäude.
  31. Weckerling (1905), S. 60.
  32. Weckerling (1905), S. 61.
  33. Alter: Studien, S. 149.
  34. Alter: Studien, S. 78; Weckerling (1905), S. 60; Wörner, S. 125.
  35. Wörner, S. 125.
  36. Wörner, S. 124.
  37. Hinweistafel am Gebäude.
  38. Weckerling (1905), S. 60.
  39. Alter: Studien, S. 149.
  40. Alter: Studien, S. 149.
  41. Wörner, S. 124.
  42. Hinweistafel am Gebäude.
  43. Alter: Studien, S. 76.