Unter Strahlenschutz versteht man den Schutz von Mensch und Umwelt vor den schädigenden Wirkungen von ionisierender und nicht ionisierender Strahlung aus natürlichen und künstlichen Strahlenquellen.[1] Der Begriff wird überwiegend – und auch in diesem Artikel – nur auf ionisierende Strahlung angewendet,[2] spielt aber auch beispielsweise in der Lasertechnik eine Rolle.[3]
Der Strahlenschutz ist insbesondere wichtig für das Personal kerntechnischer Anlagen wie zum Beispiel Kernkraftwerken und im Bereich der Medizin, insbesondere in der Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie.
Die Geschichte des Strahlenschutzes beginnt mit dem Erkennen der schädigenden Wirkung von ionisierender und nicht ionisierender Strahlung und der darauf gerichteten Präventivmaßnahmen. Die Gefahren von Radioaktivität und Strahlung wurden lange Zeit nicht erkannt. Etwa seit den 1920er Jahren ist das Bewusstsein über die Gefahren sukzessive gewachsen, bis es zum Erlass entsprechender Strahlenschutzbestimmungen kam.
Rechtliche Basis des Strahlenschutzes in Deutschland ist seit 2017 das Strahlenschutzgesetz[4].
Um die Ziele des Strahlenschutzes zu erreichen, hat die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) zehn Fundamental Safety Principles zusammengefasst und 2006 vorgestellt.[5] Dieses Dokument wurde von der EURATOM mit der Richtlinie 2009/71/Euratom[6] für sämtliche EU-Staaten als verbindlich eingestuft.
Dabei gliedert sich der Strahlenschutz in drei grundsätzliche Schutzmaßnahmen:
Der EURATOM-Vertrag regelt auch den Umgang mit radioaktiven Stoffen und ist in den Mitgliedsstaaten von EURATOM die Grundlage für nationale gesetzliche Regelungen. Auf seiner Grundlage erarbeitet die Europäische Kommission strahlenschutzspezifische Richtlinien, die nach Anhörung durch das Europäische Parlament und Festlegung durch den Ministerrat für alle Mitgliedsstaaten bindend sind und in nationales Recht umgesetzt werden müssen. In diese Richtlinien gehen vor allem die Empfehlungen und Erkenntnisse internationaler Organisationen (s. u.) ein.
Das Atomgesetz bildete in Deutschland bis 2017 die nationale rechtliche Grundlage für den Umgang mit radioaktiven Stoffen (insbesondere Kernbrennstoffe). Es trat in seiner ursprünglichen Fassung am 1. Januar 1960 in Kraft. Auf ihm bauten die Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) und die Röntgenverordnung (RöV) auf. Seit Oktober 2017 und in vollständigem Umfang seit 31. Dezember 2018 ist das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) die gesetzliche Grundlage für den Strahlenschutz in Deutschland.
Das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) bildet in Deutschland die eigenständige, umfassende nationale gesetzliche Grundlage für den Strahlenschutz bei ionisierender Strahlung. Es enthält zahlreiche Verordnungsermächtigungen, die zu einem großen Teil mit der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) umgesetzt wurden. Mit der am 31. Dezember 2018 in Kraft getretenen StrlSchV regelt das StrlSchG den Strahlenschutz bei geplanten Expositionssituationen (z. B. Genehmigungen) aber auch bei bestehenden Expositionssituationen wie radioaktiven Altlasten, Radon in Aufenthaltsräumen von Wohngebäuden sowie an Arbeitsplätzen in Innenräumen und die Radioaktivität von Bauprodukten. Neben dem Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung und den Umgang mit radioaktiven Stoffen zur Nutzung der ionisierenden Strahlung werden auch Tätigkeiten, bei denen natürlich vorkommenden Radionuklide die Exposition erhöhen können, als geplante Expositionssituationen behandelt. Bereits seit dem 1. Oktober 2017 ist das StrlSchG die Rechtsgrundlage für das Notfallmanagement im Strahlenschutz. Insbesondere ist es Grundlage für die Einrichtung eines Radiologischen Lagezentrums des Bundes, legt die Zuständigkeiten der Bundes- und Landesbehörden und Fachstellen bei Notfallexpositionssituationen fest, bestimmt Referenz-, Dosis- und Kontaminationswerte, schreibt Notfallpläne für Bund und Bundesländer sowie Notfallübungen vor. Das StrlSchG ist Grundlage für die Überwachung der Strahlenexposition der Menschen und der radioaktiven Kontamination der Umwelt und regelt die Entstehung eines entsprechenden Lagebilds. Die Aufgaben des Bundes erstrecken sich hauptsächlich auf die Überwachung der Radioaktivität in der Luft, in Niederschlägen, auf der Bodenoberfläche (siehe das Gamma-Ortsdosisleistungs-Messnetz), in Bundeswasserstraßen sowie in der Nord- und Ostsee. Die Länder überwachen insbesondere Lebensmittel, Arzneimittel, Futtermittel, Trinkwasser, Grundwasser, Abwässer, Abfälle, Boden und Pflanzen.
Die Strahlenschutzverordnung, deren ursprüngliche Fassung aus dem Jahre 1960 stammt, regelt in Deutschland die Grundsätze und Anforderungen für Vorsorge- und Schutzmaßnahmen bei der Anwendung und Nutzung radioaktiver Stoffe, die Strahlenbelastung zivilisatorischen und natürlichen Ursprungs und den Betrieb von Beschleunigern. Darunter fällt auch die medizinische Anwendung radioaktiver Stoffe (Nuklearmedizin, Brachytherapie) sowie die Strahlentherapie. Der Umgang mit radioaktiven Stoffen jenseits festgelegter Freigrenzen und die Errichtung und der Betrieb bestimmter Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen bedarf grundsätzlich einer Genehmigung. Wer eine solche Genehmigung benötigt, ist Strahlenschutzverantwortlicher. Er muss, wenn es die Sicherheit erfordert, Strahlenschutzbeauftragte (SSB) bestellen, die über einen geeigneten Fachkundenachweis verfügen müssen. Die Fachkunde muss alle fünf Jahre aktualisiert werden. In einer Strahlenschutzanweisung müssen die im Betrieb zu beachtenden Regelungen zum Strahlenschutz festgeschrieben werden. Alle beteiligten Mitarbeiter sind mindestens einmal jährlich über die möglichen Gefahren, über Schutzmaßnahmen und über die wesentlichen Inhalte der Strahlenschutzverordnung, der Genehmigung und der Strahlenschutzanweisung zu unterweisen. Darüber hinaus legt die Strahlenschutzverordnung Grenzwerte fest, deren Überschreitung eine ärztliche Untersuchung erfordern. Diese Grenzwerte unterscheiden zwischen beruflich strahlenexponierten Personen sowie Einzelpersonen in der Bevölkerung.
Die Röntgenverordnung wurde erstmals im Jahre 1941 erlassen und galt ursprünglich für nichtmedizinische Betriebe. Sie war damit die älteste gesetzliche Regelung auf diesem Rechtsgebiet und wurde am 31. Dezember 2018 durch die novellierte Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) und das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) abgelöst. Die Regelungen der RöV blieben aber weitgehend erhalten. Geregelt wird in Deutschland der Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen beim Einsatz von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern, in denen Röntgenstrahlung mit einer Grenzenergie zwischen fünf Kiloelektronvolt und einem Megaelektronvolt durch beschleunigte Elektronen erzeugt werden kann. Dies sind im Allgemeinen Röntgengeräte für die medizinische Diagnostik. In der Heilkunde oder Zahnheilkunde dürfen nur approbierte Ärzte (oder Personen, denen die Ausübung des ärztlichen Berufs erlaubt ist) mit der entsprechenden Fachkunde Röntgenstrahlung am Menschen (Patienten) anwenden. Die erworbene Fachkunde muss alle fünf Jahre aktualisiert werden.
Das Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG) wurde nach der Katastrophe von Tschernobyl im April 1986 verfasst und am 11. Dezember 1986 vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Es ist am 1. Oktober 2017 außer Kraft getreten. Seine Regelungen sind in Teil 3 des Strahlenschutzgesetzes aufgegangen.
In Österreich gilt seit 2015 ein novelliertes Strahlenschutzgesetz (StrSchG).[7]
Die Hauptbestandteile des Gesetzes sind:
Auf dem StrSchG basieren die
Keine Gültigkeit hat die Strahlenschutzverordnung dort, wo spezielle Vorschriften den Transport radioaktiver Stoffe regeln wie nach dem ADR, RID oder IATA.
In der Schweiz ist der Schutz vor ionisierender Strahlung ein Auftrag mit Verfassungsrang (Art. 118 BV). Umgesetzt wurde dieser Auftrag im Strahlenschutzgesetz (StSg) mit dazugehörigen Verordnungen (StSV). Diese wurden per 1. Januar 2018 einer Totalrevision unterzogen.[8]
Der Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung (z. B. Mobilfunk) ist einer speziellen Gesetzgebung ohne Verfassungsrang vorbehalten, nämlich dem Umweltschutzgesetz und der darauf fußenden Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV). Am 17. April 2019 wurde vom Bundesrat die NISV, im Zuge der Einführung von 5G, im Sinne der Telekomindustrie angepasst.[9]
Die EURATOM-Richtlinien gehen auch auf die Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) zurück. Diese weltweit anerkannte Organisation stützt ihre Erkenntnisse vor allem auf Untersuchungen von Überlebenden der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki.
Daneben gibt es eine Reihe weiterer Organisationen:
Die von einer Strahlenquelle gegebener Art empfangene Dosis hängt ab
Maßnahmen, um unvermeidliche Belastungen beim Umgang mit Strahlenquellen möglichst gering zu halten, sind daher:
Als Merksatz wird häufig von den „A-Regeln“ gesprochen, die den sicheren Umgang mit Strahlenquellen verdeutlichen: Aktivität begrenzen, Aufenthaltsdauer minimieren, Abstand halten, Abschirmung verwenden, Aufnahme vermeiden.
Ionisierende Strahlung hat im Vergleich zu anderen Arbeitsplatzrisiken (etwa luftgetragenen Giften oder Mikroorganismen) den Vorteil, dass sie mit kleinen, überall einsetzbaren Geräten (Dosimetern, Dosisleistungsmessgeräten) und im Rahmen der Inkorporationsüberwachung auch ausgehend von radioaktiven Stoffen im menschlichen Körper leicht messbar ist.