Edward Swan Hennessy (* 24. November 1866 in Rockford, Illinois; † 26. Oktober 1929 in Paris) war ein irisch-amerikanischer Komponist, der den größten Teil seines Lebens in Paris verbrachte. In seiner Vorkriegs-Klaviermusik zeichnete er sich als Miniaturist mit sehr deskriptiver und programmatischer Musik aus. Nachdem er sich einer Gruppe bretonischer Komponisten angeschlossen hatte, entwickelte er einen Ruf als „keltischer“ Komponist, der auf sein irisches Erbe zurückgriff und in einem Stil schrieb, der sowohl in einem französischen als auch in einem irisch-britischen Kontext einzigartig war. Auch wenn er nach 1950 fast vollständig in Vergessenheit geraten ist, wurde seine Musik von französischen Musikkritikern seiner Zeit wie Henri Collet, Louis Vuillemin, Émile Vuillermoz oder Lucien Chevaillier durchaus gelobt. In einigen Werken verwendete er auch Jazzelemente und ließ sich von Jahrmärkten und Lärm von Verkehr und Industrie inspirieren. Damit nahm Tendenzen vorweg, die nach 1920 mit der Komponistengruppe „Les Six“ verbunden werden.

Leben

Hennessy war irischer Abstammung und wuchs ab ca. 1870 in Chicago auf. Sein Vater, Michael David Hennessy (1837–1919) stammte aus Cork, war um 1853 über Kanada in die USA ausgewandert, wurde dort Präsident der Chicago City Railways (Straßenbahn) und war ab 1874 als Anwalt tätig.[1] Seine Mutter war Sarah J. Swan (um 1833–1880), Tochter von Joseph Rockwell Swan, eines Richters am Supreme Court und Gründungsmitglied der Republikanischen Partei. Die Angabe in Baker’s Dictionary, er habe in Oxford „general subjects“ studiert, lässt sich nicht belegen.[2] Wahrscheinlich war er etwa ein Jahr lang Schüler an einer der dortigen Privatschulen, bevor er 1879 nach Stuttgart ging, wo er bis 1886 an der Musikhochschule studierte. Er studierte dort Klavier bei Edmund Alwens und Komposition in einer englischsprachigen Klasse bei dem aus den USA gebürtigen Percy Goetschius.[3]

Nach dem Abschluss seines Studiums ging Hennessy nach England (1886–92), wo er in London lebte, 1888 in Edinburgh heiratete, zwei Kinder bekam und 1893 wieder geschieden wurde. Dem folgte eine Phase von zehn Jahren, in der er von einer Heimatbasis in Italien aus Europa bereiste (u. a. Frankreich, Belgien, die Schweiz und Irland). Um 1903 ließ er sich in Paris nieder.[4] Im Juli 1909 heiratete er Claire Przybyszewska (1883–1947), eine Polin, die er in Brüssel kennengelernt hatte. Claires Mutter war eine Cousine des symbolistischen Schriftstellers Stanisław Przybyszewski. Das Paar bekam einen Sohn, den späteren Sammler und Historiker Patrice Hennessy (1910–1973).

Obgleich er keine familiären Beziehungen in der Bretagne hatte, war Hennessy ab 1912 Mitglied der Association des compositeurs bretons und verkehrte auch nach dem Ersten Weltkrieg weiter mit deren Mitgliedern, darunter Paul Le Flem, Paul Ladmirault, Maurice Duhamel, Louis Aubert, Louis Vuillemin und Lucien Haudebert. Tatsächlich wurde Hennessy erst durch die Mitgliedschaft in dieser Gruppe breiteren Kreisen in Frankreich bekannt.[5] Nach der Uraufführung seines 2. Streichquartetts op. 49 (1920) durch irische Musiker im Januar 1922 in Paris wurde seine Musik auch einige Jahre in Irland gespielt. Das Quartett ist der Erinnerung an den irischen Revolutionär Terence MacSwiney gewidmet.[6]

Hennessy starb 1929 an einer Embolie als Folge einer Routineoperation,[7] der Komponist Georges Migot hielt die Grabrede.[8] Hennessy und seine Familie sind auf dem Friedhof von Montparnasse in Paris (Division 28, Sektion III) begraben.

Musik

Swan Hennessys Musik vor 1900 war stark von seiner konservativen Ausbildung und der Vorliebe seiner Stuttgarter Lehrer für die Musik von Robert Schumann geprägt. Um die Zeit seines Umzugs nach Paris war er auch ein Bewunderer Max Regers. Obwohl seine spätere Musik den Einfluss mehrerer zeitgenössischer Stilrichtungen zeigt, hat er sich nie vollständig von diesem tiefgreifenden Einfluss der deutschen Romantik losgesagt. Zwischen 1907 und 1913 schrieb Hennessy zunehmend im impressionistischen Stil, vor allem mit zahlreichen Klavierwerken und Kunstliedern in einem deskriptiven und programmatischen Stil, inspiriert von den Klängen in seiner Umgebung, einschließlich Natur, Verkehr und Industrie. Ähnlich wie zeitgleich Erik Satie, enthält sein Werk dieser Jahre auch humoristische und satirische Stücke. Ein zeitgenössischer Kritiker schrieb: „Il fut un humoriste d’une verve drue dont la drôlerie était faite à la fois d’observation et d’invention, de fantaisie et de psychologie“ („Er war ein Humorist von großer Verve, dessen Humor sich aus Beobachtung und Erfindung, aus Fantasie und Psychologie ableitete“).[9] Doch trotz zahlreicher positiver Kritiken in der französischen und deutschen Musikpresse gelang es ihm zunächst nicht, seine Musik in Paris aufführen zu lassen.

Dies änderte sich erst mit Beginn seiner Mitgliedschaft in der Association des compositeurs bretons ab 1912 und der Integration von Elementen aus der traditionellen Musik Irlands, Schottlands und der Bretagne in seine Kompositionen. Unterbrochen durch den Ersten Weltkrieg (den er in der Nähe von Montreux in der Schweiz verbrachte), entwickelte er vor allem in den 1920er Jahren seine keltischen Neigungen. Viele von Hennessys Stücken, deren Titel mit Begriffen wie „celtique“, „gaélique“ oder „irlandais“ enden, sind von traditionellen Volksmelodien und -rhythmen inspiriert, aber er zitiert nur selten vorhandene Volkslieder. Stattdessen verwendet er typische melodische und rhythmische Wendungen aus der Volksmusik, die er aber selbst komponiert hat. Im Laufe der 1920er Jahre schrieb er den größten Teil seiner Kammermusik, darunter mehrere Duo-, Trio- und Quartettstücke. Diese brachten ihm den Ruf eines „keltischen“ Komponisten ein, mit der Folge, dass seine sehr originelle (und ganz anders geartete) Klaviermusik aus der Zeit vor dem Krieg in Vergessenheit geriet. In einem französischen Nachruf wurde er gar „le barde de l’Irlande“ genannt und wird als Retter der „l’ancienne mélodie celtique“ bezeichnet.[10]

Hennessy war sehr kritisch gegenüber der zeitgenössischen Avantgarde, insbesondere gegenüber Arnold Schönberg, und schrieb zahlreiche sarkastische und pessimistische Briefe und Kommentare in der Musikpresse. Eine Lösung für die von ihm als Krise empfundene Entwicklung war die Hinwendung zu regionalen Traditionen der Volksmusik und deren Einbeziehung in die Kunstmusik.

Seit seinem Umzug nach Paris wurde Hennessys Musik vor allem bei E. Demets und ab 1923 bei Max Eschig verlegt. Weitere Verleger waren Schott (Mainz), Breitkopf & Härtel (Wiesbaden), Augener & Co. (London), u. a.

Werke (Auswahl)

Kammermusik

Klaviermusik

Gesang und Klavier

Diskografie

Literatur

Einzelnachweise

  1. Guy Ferchault beschreibt ihn als irischen Rechtsanwalt (Die Musik in Geschichte und Gegenwart, erste Ausgabe, Band 6 (1957), Sp. 152–153); nach Baker’s Dictionary (2001) war er ein „Irish-American settler“; siehe Axel Klein: Bird of Time. The Music of Swan Hennessy (Mainz: Schott Music, 2019), S. 21.
  2. Nicolas Slonimsky, Laura Diane Kuhn (Hrsg.): Baker’s Biographical Dictionary of Musicians. 6. Auflage. Schirmer, New York 1978, S. 729.
  3. Axel Klein: Bird of Time. The Music of Swan Hennessy. Schott Music, Mainz 2019, ISBN 978-3-95983-593-0, S. 29–33.
  4. Klein: Bird of Time, S. 61.
  5. Klein: Bird of Time, S. 195.
  6. Klein: Bird of Time, S. 261–269.
  7. Comoedia, 28. Oktober 1929, S. 3.
  8. Journal des débats, 3. November 1929, S. 4.; dokumentiert in Klein: Bird of Time, S. 415–416.
  9. L’Européen, 12. Februar 1930, S. 3.
  10. L’Européen, wie oben.
  11. Eintrag. In: Bielefelder Katalog.