Sybille Krafft (* 1958 in München) ist eine deutsche Dokumentarfilmerin, Journalistin, Radio- und Buchautorin sowie Ausstellungskuratorin. Die promovierte Historikerin hatte Lehraufträge an den Universitäten von München und Innsbruck. Sie ist Initiatorin des Erinnerungsortes BADEHAUS und leitet seit 2018 dieses zeitgeschichtliche Museum, das eine Bürgerinitiative erkämpft und ehrenamtlich aufgebaut hat[1]. Seit 2012 ist Sybille Krafft Vorsitzende des Vereins Bürger fürs BADEHAUS Waldram-Föhrenwald e.V.[2], seit 2001 Vorsitzende des Historischen Vereins Wolfratshausen e.V.[3] und seit 2015 stellvertretende Vorsitzende von Kulturerbe Bayern e.V[4] Häufig referiert sie in Vorträgen und moderiert Veranstaltungen zu geschichtlichen Themen. Sie ist Jurymitglied beim Dachau-Preis für Zivilcourage, beim Argula-von-Grumbach-Preis der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und beim Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung. Sie ist Gründungsmitglied der Histonauten[5], einer Autorengruppe zur multimedialen Vermittlung von Geschichte sowie Gründungsmitglied im Denkmalnetz Bayern.

Leben

Sybille Krafft lebt südlich von München im Ickinger Ortsteil Holzen.[6] Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. 1989 promovierte sie an der Ludwig-Maximilians-Universität in Neuerer Geschichte mit einer Arbeit zum Thema „Zucht und Unzucht. Prostitution und Sittenpolizei im München der Jahrhundertwende“[7]. Nach einem Praktikum bei der Münchner Abendzeitung und beim Bayerischen Rundfunk arbeitet Sybille Krafft beruflich hauptsächlich für die Redaktion „Unter unserem Himmel“ im Bayerischen Fernsehen[8] und ist maßgeblich am Aufbau des Zeitzeugenarchivs im Bayerischen Rundfunk beteiligt. Für ARD-alpha und BR-alpha hat sie zahlreiche Zeitzeugeninterviews geführt[9]. Im Ehrenamt hat sie viele Projekte zur Regionalgeschichte und zur jüdischen Spurensuche initiiert und geleitet.

Wirken

Als Historikerin[10] verarbeitet Sybille Krafft vor allem die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen der letzten 150 Jahre. Ihre Schwerpunkte liegen dabei in der Alltags-, Sozial- und Frauengeschichte. Unter anderem dreht sie Filmdokumentationen über Land und Leute für die Reihe Unter unserem Himmel[11] des Bayerischen Rundfunks. Sie dokumentiert in Filmen und Interviews das Schicksal von NS-Opfern, im Hörfunk verfasst sie dazu zahlreiche Porträts. Viele Jahre führte sie im Bildungskanal des Bayerischen Rundfunks und auf ARD-alpha für die Sendereihe alpha-Forum[12] mehr als 50 Gespräche mit Personen der Zeitgeschichte.

Ehrenamtlich leitete sie in Wolfratshausen gemeinsam mit der evangelischen Pfarrerin Kirsten Jörgensen (†) die Arbeitsgruppe Jüdische Spurensuche. Dabei wurde unter anderem die "vergessene" und verdrängte Geschichte einer jüdischen Mädchenschule erforscht. Auf der Grundlage von intensiven Recherchen in nationalen und internationale Archiven sowie Interviews mit Zeitzeuginnen in Israel, Kanada, England und Amerika entstand ein Buch und eine Wanderausstellung mit dem Titel „Wir lebten in einer Oase des Friedens…“, die seit 2007 mit großem Erfolg durch Deutschland zieht und bisher an rund 50 Orten zu sehen war. 2008 wurden die Initiatorinnen dafür mit dem Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet[13]. Eine weitere Wanderausstellung beschäftigt sich mit den Kindern aus dem Lager Föhrenwald im Wolfratshauser Stadtteil Waldram (ehemals Föhrenwald)[14], in dem von 1945 bis 1957 das größte Lager Deutschlands für jüdische Heimatlose (Displaced Persons) bestand.

Als Vorsitzende des Historischen Vereins Wolfratshausen e.V. engagiert sie sich besonders für den Erhalt bedrohter Denkmäler. Sie hatte die Idee zu einem Historienpfad in der Wolfratshauser Altstadt[15] und hat Projekte zur Stadt-, Architektur-, Kindheits-, Handwerks-, Medizin- und Frauengeschichte konzipiert und geleitet. Seit 2012 engagierte sie sich für den Erhalt des sogenannten Badehauses am Kolpingplatz 1 in Wolfratshausen-Waldram[16], einer ehemaligen NS-Sanitäranlage und späteren jüdischen Ritualbades für Displaced Persons im Lager Föhrenwald. Als Vorsitzende des Vereins Bürger fürs BADEHAUS Waldram-Föhrenwald e.V. hat sie dort ehrenamtlich eine Begegnungs- und Dokumentationsstätte mitaufgebaut. 2018 wurde unter ihrer Leitung der inzwischen mehrfach ausgezeichnete Erinnerungsort Badehaus eröffnet[17]. Sybille Krafft hat das Konzept dieses Museums federführend mitentwickelt. In bislang mehr als 50 lebensgeschichtlichen Interviews dokumentiert sie die Schicksale von Zeitzeugen und Zeitzeuginnen seit der Nazi-Zeit bis zur aktuellen Migration.[18]

Außerdem befasst sie sich sowohl in ihrer journalistischen Tätigkeit[19] als auch bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit intensiv mit der Geschichte von Bauwerken und Themen des Denkmalschutzes[20]. Für ihrer BR-Reihe „Leben mit einem Denkmal“ hat sie bislang mehr als 20 Dokumentationen gedreht.

In ihrem Buch Unterm Joch hat sie die Geschichte der Zwangsarbeit im Wolfratshauser Forst aufgearbeitet. In Broschüren und in dem Buch LebensBilder. Jüdische Porträts aus dem Lager Föhrenwald dokumentiert sie die Schicksale von Überlebenden der Schoah. Zudem organisiert sie als Vorsitzende des Historischen Vereins Wolfratshausen sowie als Leiterin des Museums Erinnerungsort Badehaus seit Jahren zahlreiche Veranstaltungen zur Regionalgeschichte, zur NS-Zeit, zu Flucht und Vertreibung sowie zur Nachkriegsgeschichte (Vorträge, Podiumsdiskussionen, Zeitzeugengespräche, Filmvorführungen, Exkursionen, Gedenkveranstaltungen zum Todesmarsch etc.)[21].

1995 führte sie ein umfangreiches Projekt mit Münchner Zeitzeuginnen durch, woraus sich die erste frauengeschichtliche Ausstellung in München entwickelte[22]. Dabei erforschte sie nicht nur Schicksale der Opfer, sondern auch die Lebensbilder der Täterinnen des NS-Regimes und beleuchtete erstmals die Rolle von KZ-Aufseherinnen aus München.

Veröffentlichungen

Fernsehen (Einzeldokumentationen; Auswahl)

(alle im Bayerischen Fernsehen)[23]

in ARD-alpha (Bildungskanal des Bayerischen Rundfunks):

Fernsehen (Reihen)

(alle im Bayerischen Fernsehen)

in ARD-alpha (Bildungskanal des Bayerischen Rundfunks):[24]

alpha-Forum: Gespräche mit den Autoren Thomas Medicus und Jan Weiler sowie der Autorin Sabine Bode, mit dem Wissenschaftler Michael Brenner und den Wissenschaftlerinnen Hadumod Bußmann, Ute Frevert, Gabriele Hammermann und Asrid Pellengahr, dem Autor und Regisseur Oliver Storz, der Ausstellungsgestalterin Monika Müller-Rieger, dem Sammler Gerhard Schneider, dem Heimatpfleger Martin Wölzmüller, den Denkmalschützern Matthias Pfeil und Johannes Haslauer, der Migrantin Eleni Tsakmaki und dem Filmemacher Dieter Wieland sowie mit den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen[26]

Rundfunk

(alle Hörbilder sind Produktionen des Bayerischen Rundfunks)[27]

Bücher

Unselbständige Publikationen

Ausstellungen

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. Susanne Hauck: Ort der Versöhnung. 5. Mai 2021, abgerufen am 8. August 2022.
  2. Erinnerungsort Badehaus Museum Team. Abgerufen am 8. August 2022.
  3. Historischer Verein Wolfratshausen e.V. Vorstand. Abgerufen am 8. August 2022.
  4. Kulturerbe Bayern Der Vereinsvorstand. Abgerufen am 8. August 2022.
  5. http://www.histonauten.de/
  6. Dr. Sybille Krafft kämpft für historische Häuser. www.merkur.de, abgerufen am 8. Juni 2019.
  7. Sybille Krafft: Zucht und Unzucht; Prostitution und Sittenpolizei im München der Jahrhundertwende. Hugendubel Verlag, München 1996, ISBN 3-88034-867-7.
  8. Chronistin des Wandels. Abgerufen am 8. August 2022.
  9. BR Service. Archiviert vom Original am 1. Januar 2012; abgerufen am 8. August 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.br.de
  10. Sybille Krafft: Zucht und Unzucht; Prostitution und Sittenpolizei im München der Jahrhundertwende. Hugendubel Verlag, 1996, ISBN 3-88034-867-7 (Dissertation Ludwig-Maximilian-Universität München, 1989).
  11. Chronistin des Wandels. Abgerufen am 10. August 2022.
  12. Prominente Persönlichkeiten im Gespräch. Abgerufen am 10. August 2022.
  13. Ausstellung - "Wir lebten in einer Oase des Friedens". Abgerufen am 8. August 2022.
  14. Die Kinder vom Lager Föhrenwald. 5. Oktober 2015, abgerufen am 8. August 2022.
  15. Historienpfad - Erlebnispfad. Abgerufen am 8. August 2022.
  16. Mammutaufgabe Badehaus. 23. Mai 2012, abgerufen am 8. August 2022.
  17. Zeichen gegen das Vergessen. 21. Oktober 2018, abgerufen am 8. August 2022.
  18. Liste der Interviews. Abgerufen am 8. August 2022.
  19. mehrteilige Fernsehreihe „Leben mit einem Denkmal“
  20. Dr. Sybille Krafft kämpft für historische Häuser. 30. Juni 2017, abgerufen am 8. August 2022.
  21. Begegnungen im Badehaus. Abgerufen am 8. August 2022.
  22. Zwischen den Fronten. Münchner Frauen in Krieg und Frieden, 1900 bis 1945
  23. Archiv des Bayerischen Rundfunks, Redaktionen Unter unserem Himmel, Geschichte, Zwischen Spessart und Karwendel, Schwaben und Altbayern und BR-alpha: www.br-online.de
  24. Alpha Forum. Abgerufen am 12. August 2022.
  25. alpha forum extra. Abgerufen am 12. August 2022.
  26. Gäaste von - Z. Abgerufen am 12. August 2022.
  27. Archiv des Bayerischen Rundfunks, Redaktion Land und Leute, BR, Bayern2 Radio; http://www.bayern2.de/
  28. Ausstellung - "Wir lebten in einr Oase des Friedens". Abgerufen am 8. August 2022.
  29. Kinderarbeit - damals und heute. Abgerufen am 8. August 2022.
  30. Tassilo-Kulturpreis
  31. Süddeutsche Zeitung vom 12./13. April 2008
  32. Isar-Loisachbote (Heimatzeitung für Wolfratshausen) vom 5. Dezember 2011
  33. Denkmalschutzmedaille 2017. (PDF) In: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege. 2017, S. 34, archiviert vom Original am 30. Juli 2017;.
  34. Historischer Verein Wolfratshausen ist Kulturpreisträger 2017. Abgerufen am 8. August 2022.
  35. Porträts - Preisträgerinnen der Obermayer Awards 2022. Abgerufen am 8. August 2022.
  36. Wolfratshauser "Walk of Fame": Dieser Verein bekommt einen Stern. Abgerufen am 8. August 2022.