Krähen-Tengu – Karasu-Tengu 烏天狗Kenchō-Tempels
Der chinesische Unsterbliche Zhāng Xiān 張仙 schießt auf einen Himmelshund (Tiāngŏu)
Fliegender Tengu fängt Elefant – FarbholzschnittKuniyoshi (1798–1861)
Tengu Sōjōbō 僧正坊 unterrichtet Minamoto no Yoshitsune in der Kunst des Schwertkampfs – Bildrolle, späte Edo-Zeit

Tengu (japanisch 天狗, kana てんぐ) ist der Name eines japanischen Fabelwesens, das den Yōkai (Ungeheuer) zugeordnet wird.

Hintergrund

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Beim japanischen Namen Tengu handelt es sich um die sinojapanische Lesung der chinesischen Bezeichnung chinesisch 天狗, Pinyin tiāngŏu, wörtlich Himmelshund. In chinesischen Quellen ist dies ein hundeähnliches Wesen, oft in Verbindung mit einer Sternschnuppe oder einem Kometen dargestellt. Es verfolgt die Sonne und den Mond, frisst sie gelegentlich auf und verursacht so eine Verfinsterung des Himmels. Alten Quellen zufolge kommt es manchmal vom Himmel unter Donner herab, verursacht Kriege und anderes Unheil[1]. In Japan findet man die Schriftzeichen erstmals in dem 720 kompilierten Geschichtswerk Nihon Shoki. Auch hier erscheint ein Komet, auf den Hungersnot und Kriegswirren folgen.[2] Als japanische Lesung der Zeichen wird jedoch die Form Amakitsune (wörtl. „Himmelsfuchs“) gegeben, die den in Japan mit magischen Fähigkeiten ausgestatteten Fuchs einführt.[3] Seit dem Ende des 10. Jahrhunderts ist der Name Tengu in Erzählungen (Utsubo Monogatari, Genji Monogatari usw.) wie auch in Wörterbüchern nachweisbar.

Ein zweiter Traditionsstrang beginnt mit dem mythischen Vogelmenschen Garuḍa (japanisch 迦楼羅, Romaji Karura; kana ガルダ, Romaji Garuda) des Hinduismus. Dieser entwickelte sich im Buddhismus zu einer der Gruppe der acht Deva gehörenden Schutzgottheit. Diese gelangte über China nach Japan (chin. 迦樓羅 / 迦楼罗, Jiālóuluó, jap. Karura). Die älteste japanische Karura-Plastik steht im Kōfuku-Tempel in Nara. Sie zeigt einen menschlichen Körper mit Vogelkopf in einer chinesischen Rüstung der Tang-Zeit.

Entwicklung in Japan

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Die frühe Ausformung der japanischen Vorstellungen ist nicht geklärt. Wahrscheinlich vermischten sich buddhistische Elemente mit Vorstellungen des einheimischen Shintō. Abbildungen wie die „Tengu-Bildrolle“ (Tengu sōshi emaki) aus dem 13. Jahrhundert verknüpfen die Figur des Tengu mit (dekadenten) buddhistischen Mönchen. Seit dem 14. Jahrhundert verbreitete sich eine menschliche Figur mit Krähengesicht/-kopf und Flügeln in der Tracht der Yamabushi-Bergasketen des Shugendō, einschließlich des Tokin auf der Stirn. Bisweilen findet man auch Figuren, die – wahrscheinlich von Karura-Plastiken beeinflusst – chinesische Rüstungen tragen. In der Hand halten die japanischen Tengu Schwerter, Pilgerstäbe, Schriftrollen, Gebetsketten oder aber Fächer aus Federn, mit denen sie heftige Winde verursachen können. Im letztgenannten Fall entfallen oft die Flügel.

Volkstümlichen Vorstellungen zufolge schlüpfen Tengu aus Eiern. Ihre Haut hat eine tiefrote Farbe. Anstelle von Haaren wachsen ihnen Federn am Hals, auf der Schulter und auf dem Armrücken, und alle Extremitäten enden in Vogelklauen. Sie leben in kleinen Gruppen in den Bergen und zeigen sich Menschen eher selten. An der Spitze ihrer Hierarchie steht ihr König Sōjōbō. Niedere Formen wie der „Krähen-Tengu“ (Karasu-Tengu, 烏天狗, 鴉天狗) oder der „Baumblatt-Tengu“ (Konoha-Tengu, 木の葉天狗) sind in der Regel den „Groß-Tengu“ (Dai-Tengu, auch Ō-Tengu, 大天狗) untergeordnet.

In der während der Edo-Zeit durch den Mönch Tainin verfassten Schrift Tengu meigi kō (天狗名義考) findet sich eine Reihe von überregional bekannter Tengu, die als Gottheit verehrt werden. Sie sind häufig mit einem bestimmten Berg, aber auch mit Feuer oder mit Bishamon, im Buddhismus der Wächter der nördlichen Himmelsrichtung, verbunden[4]:

Ursprünglich wurden die Tengu gefürchtet, weshalb man sie mit Opfergaben zu besänftigen suchte. Sie lösten Besessenheit aus, attackierten und entführten Mönche und Kinder, waren aggressiv und waffengewandt. Minamoto no Yoshitsune soll vom Tengu Sōjōbō die Schwertkunst erlernt haben. Mit der frühen Neuzeit gewannen humoristische Aspekte an Gewicht. So mancher Tengu treibt nun allerlei Schabernack. Auch wandelte sich der Schnabel vielerorts in eine lange Nase mit den entsprechenden sexuellen Konnotationen. Wegen ihrer, aus japanischer Sicht, langen Nasen wurden in der späten Edo-Zeit auch Europäer gelegentlich als Tengu dargestellt.

Für Evokationen, Bitten usw. gibt es zwei Mantras: On aromaya tengu sumanki sowaka (オン・アロマヤ・テング・スマンキ・ソワカ) und On hirahira ken hirakennō sowaka (オン・ヒラヒラ・ケン・ヒラケンノウ・ソワカ).

Dank ihrer schillernden Natur, ihrer Wildheit und magischen Kräfte zählen Tengu unter vielerlei Namen heute auch zu den beliebten Figuren in Manga, Anime und Computerspielen.

Galerie

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Literatur

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Commons: Tengu – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Shiji (Tianguan, 5), Han Shu (Tianwen zhi).
  2. Nihon Shoki, Kap. 23, Shōmei 9. Jahr.
  3. Das zwischen 1177 und 1181 kompilierte Wörterbuch Iroha jiruishō verwendete wohl deshalb für Tengu die Schriftzeichen Himmel und Fuchs (天狐).
  4. Mehr hierzu bei Pauly (2009), S. 40–42.
  5. Wahrscheinlich stand diese Plastik einst innerhalb des Tempelgeländes und wurde im Zuge der Trennung von Buddhismus und Shintō (Shinbutsu-Bunri) zu Beginn der Meiji-Zeit vor das Eingangsportal gesetzt.
  6. Die Maße (28×25×58cm) und Formatierung lassen erkennen, dass diese Holzplastik im Tragschrein (jap. oi) eines Bergasketen untergebracht war.