Die Proportionen des Körpers, aus Walther Hermann Ryff: Architektur, 1547

Walther Hermann Ryff, auch Ryf, Reif(f) und Ru(e)ff, latinisiert Gualtherus Hermenius Rivius, Ryffus (* um 1500 vielleicht in Straßburg; † 29. September 1548 in Würzburg) war ein deutscher Heilkundiger und Herausgeber. Er war medizinisch-naturkundlich tätiger Fachschriftsteller und Publizist des Humanismus sowie vermutlich ein auch wundärztlich tätiger Apotheker, der sich vor allem mit medizinischen, anatomischen, philosophischen und architekturtheoretischen Themen befasste.

Leben

Ryff erlernte, so die Meinung einiger Biographen, den Beruf des Apothekers, da er im mecklenburgischen Güstrow in den 1530er Jahren als Apotheker tätig war. Ryff dürfte sich im Mecklenburger Raum länger aufgehalten haben. Er heiratete die Rostockerin Anna, deren Familienname nicht bekannt ist. Ryff bezeichnete sich selbst als „Medicus“ oder „Chirurgus“, dürfte aber wahrscheinlich keine Ausbildung als Arzt besessen haben. Daher ist die These, Ryff sei nach seiner Rückkehr nach Straßburg, wo er sich um 1540 aufhielt, Stadtarzt und damit Nachfolger von niemand geringerem als Hieronymus Brunschwig gewesen, als zweifelhaft einzustufen. Ryff lebte und arbeitete unter anderem kurz in Frankfurt am Main (um 1544), wo er 1545 bei dem Verleger Christian Egenolff als Hausautor tätig wurde, danach in Mainz, Nürnberg, Kulmbach und ab 1548 in Würzburg. Oft wird als Todesdatum von Ryff „um 1562“ oder „vor 1562“ angegeben. Tatsächlich starb er bereits am 29. September 1548 in Würzburg, seine Frau Anna am 15. Juli 1553.

Wirken

Medizinische Schriften

Ryff veröffentlichte als Herausgeber, Übersetzer, Bearbeiter und Kompilator eine Vielzahl von Werken (annähernd 40 Bücher), insbesondere zahlreiche medizinische und pharmazeutische Abhandlungen.[1] Die Ryffschen Werke erzielten für die damalige Zeit teilweise beachtlich hohe Auflagenzahlen. Allerdings wurden ihm immer wieder, vor allem bezüglich seiner deutschsprachigen Publikationen, schwere Plagiatsvorwürfe gemacht,[2] etwa von Andreas Vesal.[3] Auch Leonhart Fuchs bezeichnete Ryff als „äußerst unverschämten, leichtsinnigen, betrügerischen Schriftsteller.“ Im Nürnbergischen Gelehrten-Lexicon von 1757 ist ebenfalls von Plagiatsvorwürfen auf medizinischem Gebiet die Rede, wobei namentlich Fuchs und Conrad Gessner erwähnt werden.

Einige seiner frühen Werke veröffentlichte er bei Balthasar Beck unter dem Pseudonym „Apollinaris“, so zum Beispiel die frauenheilkundlich-geburtshilfliche Schrift Ein neuer Albertus Magnus oder das Kurz Handbüchlein un Experiment vieler Arzneien – durch den ganzen Körper des Menschen. Bei Balthasar Beck in Straßburg erschien auch das anatomische Werk Des Menschen Beschreibung oder Anatomie. Auf Hans von Gersdorffs „Feldbuch der Wundarzney“ geht Ryffs Buch Stadt und Feldbuch bewehrter Wundarznei zurück.[4] 1545 erschien bei Christian Egenolff in Frankfurt am Main Ryffs Große Chirurgie. Sein Buch Iatromathematicae (1542) behandelt astrologische Aspekte der Arzneilehre. Sein Destillierbuch von 1545 ist von Johannes de Rupescissa und Brunschwig beeinflusst bzw. inspiriert.[5]

Um 1548[6] hatte Ryff „die erste von der Heilkunde unabhängige Bearbeitung der Zahnmedizin in deutscher Sprache“ herausgebracht.[7]

Wie andere Renaissanceautoren machte Ryff als Herausgeber medizinisches Wissen auch nicht Lateinisch beherrschenden und nicht akademisch ausgebildeten Heilkundigen zugänglich.[8] Durch sein umfangreiches Gesamtwerk und dessen weite Verbreitung aufgrund der Auflagenstärke, besonders im Bereich der Medizin und Chirurgie, fand Ryff Eingang in die Medizingeschichtsschreibung.

Architekturtheorie

Walther Ryff gab 1543 in Straßburg den lateinischen Text der zehn Bücher des antiken Architekten Vitruv heraus.

Wenig später publizierte er in Nürnberg 1547 zuerst einen deutschen Kommentar zu Vitruv, die sogenannte Architektur, um dann 1548 die erste deutsche Übersetzung des Vitruv vorzulegen, den Vitruvius Teutsch, ein Hauptwerk der deutschsprachigen Architekturtheorie der Renaissance. Der eigentliche Text aus der Antike ist hier bebildert und kommentiert; bei diesen Ergänzungen stützte sich Ryff vor allem auf die Vitruv-Ausgabe von Cesariano (Venedig 1521) und die Architekturtraktate des Sebastiano Serlio.

So kann sein Beitrag zur Ausbreitung der Renaissancearchitektur nördlich der Alpen kaum überschätzt werden.

Schriften (Auswahl)

Confect Büchlin und Hausz Apoteck. 1544

Literatur

Einzelnachweise

  1. Ralf Vollmuth: Renaissance: Ein neuer Blick auf den Menschen. In: Medizin im Mittelalter. Zwischen Erfahrungswissen, Magie und Religion (= Spektrum der Wissenschaften. Spezial: Archäologie Geschichte Kultur. Band 2.19), 2019, S. 76–81, hier: S. 76.
  2. Alexander Marr: Walther Ryff. Plagiarism and Imitation in Sixteenth-Century Germany. In: Print Quarterly. Band 31, Nr. 2, 2014, 2, S. 131–144.
  3. Udo Benzenhöfer: Johannes’ de Rupescissa „Liber de consideratione quintae essentiae omnium rerum“ deutsch. Studien zur Alchemia medica des 15. bis 17. Jahrhunderts mit kritischer Edition des Textes. 1989, S. 67–68.
  4. Karin Kranich: Walther Hermann Ryff, Innsbruck 2011, Folie 5. Online
  5. Vgl. Udo Benzenhöfer: Johannes’ de Rupescissa „Liber de consideratione quintae essentiae omnium rerum“ deutsch. Studien zur Alchemia medica des 15. bis 17. Jahrhunderts mit kritischer Edition des Textes (= Heidelberger Studien zur Naturkunde der frühen Neuzeit. Band 1). Steiner, Wiesbaden/Stuttgart 1989, ISBN 3-515-05388-3 (Zugleich Medizinische Dissertation, Universität Heidelberg, 1988), hier: S. 45–46, 67–68 (Walther Hermann Ryff) und 198.
  6. Walther Hermann Ryff: Nützlicher Bericht, [...] Wie man den Mundt, die Zän und Biller frisch, rein, sauber, gesund, starck und fest erhalten soll. Johann Myller, Würzburg (um 1548).
  7. Ullrich Rainer Otte: Jakob Calmann Linderer (1771–1840). Ein Pionier der wissenschaftlichen Zahnmedizin. Medizinische Dissertation, Würzburg 2002, S. 16.
  8. Ralf Vollmuth: Renaissance: Ein neuer Blick auf den Menschen. In: Medizin im Mittelalter. Zwischen Erfahrungswissen, Magie und Religion (= Spektrum der Wissenschaften. Spezial: Archäologie Geschichte Kultur. Band 2.19), 2019, S. 76–81, hier: S. 76.
  9. Das new groß Distillier-Buch, wolgegründter künstlicher Distillation bei der UB Heidelberg und als (Digitalisat) der Baierischen Staatsbibliothek.
  10. Vgl. auch Joachim Telle: Ryff, Walther Hermann: New Groß Distillirbuoch […] Im Jar M. D. LXVII. In: Elmar Mittler, Walter Berschin, Jürgen Miethke, Gottfried Seebaß, Vera Trost, Wilfried Werner (Hrsg.): Bibliotheca Palatina. Katalog zur Ausstellung. Textband. Heidelberg 1986, S. 336–337.