Verfahrensprinzip
Walzen, 700er Straße in Freital
450er Straße, Freital

Walzen ist ein Fertigungsverfahren aus der Gruppe des Druckumformens, bei dem der (meist metallische) Werkstoff zwischen zwei oder mehreren rotierenden Walzwerkzeugen umgeformt und dabei dessen Querschnitt verringert wird. Findet die Umformung oberhalb der Rekristallisationstemperatur des Werkstoffs statt, wird sie Warmwalzen genannt, sonst Kaltwalzen. Die Arbeit des Walzers ist heute überwiegend automatisiert.

Bezogen auf die Materialverformung ist das Walzen ein Massivumformverfahren und eng verwandt mit dem Hämmern oder Schmieden.

Verfahrensvarianten nach DIN 8583

Im Ordnungssystem der Druckumformverfahren nach DIN 8583 wird das Walzen als erstes Verfahren genannt, neben dem Freiformen, Gesenkformen und weiteren. Sämtliche Walzverfahren tragen eine eindeutige Ordnungsnummer: Sie beginnen immer mit der Folge 2.1.1 (2. Hauptgruppe Umformen, 1. Gruppe Druckumformen, 1. Verfahren (Walzen)). Auf der ersten Gliederungsebene wird unterschieden wie die Werkstückbewegung relativ zu den Achsen der Walzen verläuft.[1]

Ein Durchlauf des Walzgutes durch die Walzen wird Stich genannt.

Längswalzen

Beim Längswalzen wird das Walzgut senkrecht zu den Walzenachsen ohne Drehung um die eigene Achse durch den Walzspalt bewegt. Es tritt als Strang aus den gegensinnig umlaufenden Walzen aus. Der Strang mit gleich bleibendem Querschnitt ist meist Halbzeug, das weiter verarbeitet wird. Die Erzeugnisse können nach ihrer Geometrie in Flach- und Profilprodukte unterteilt werden. Die Werkzeuge heißen dementsprechend Flach- beziehungsweise Profilwalzen.

Breit-/Flachprodukte

Als Flachprodukte (Flachstahl) sind Walzerzeugnisse bezeichnet, die wesentlich breiter als dick sind. Sie stellen mengenmäßig den größten Anteil der weltweit benötigten Walzprodukte dar und werden als aufgewickelte Bänder oder einzelne Bleche hergestellt.

Bleche und Bänder aus Stahl und Nichteisenmetallen werden durch Walzen zwischen zwei nahezu parallelen zylindrischen Walzen erzeugt. Durch die Belastung biegen sich die Walzen durch. Diese Walzendeformation muss zum Herstellen planer Erzeugnisse kompensiert werden. Dazu werden die Walzen üblicherweise leicht ballig geschliffen. Zum Beeinflussen der Balligkeit der eingebauten Walzen gibt es verschiedene Verfahren, u. a. axiales Verschieben speziell geschliffener Walzen, Kreuzen der Walzen, Biegen der Zapfen sowie hydraulische oder thermische Durchmesserveränderung.

Je dünner das Walzgut wird, desto dünner sollten die Arbeitswalzen sein. Deshalb werden in den meisten Walzwerken die Arbeitswalzen durch deutlich steifere Stützwalzen größeren Durchmessers unterstützt (siehe Bild).

Langprodukte

Langprodukte sind Draht, Stäbe, Rohre und Profile aus Stahl und Nichteisenmetallen. Sie werden durch Walzen zwischen zwei bis vier Walzen hergestellt, in die das Kaliber eingeschnitten ist.

Walzenanordnungen

Duo- und Triowalzwerke mit gemeinsamen Antrieb und Fritz'schem Walztisch
Übersicht Walzenanordnungen: (A)Duo (B)Trio (C)Quarto (D)Sechsfach (E)Cluster (F)Sendzimir

Im Laufe der technischen Entwicklung bzw. für spezielle Produkte wurden verschiedene Walzwerkstypen für das Längswalzen entwickelt, die bis heute im Einsatz sind.

Duo-Walzwerk

Ein Duo-Walzwerk besteht aus zwei parallelen Walzen, zwischen denen das Walzgut gewalzt wird. Zum Wiederholen des Walzvorganges zur weiteren Reduktion der Stärke des Walzgutes bzw. zum Weiterwalzen mit dem nächsten Kaliber muss man bei einem Duowalzwerk (engl. "Two-High Rolling Mill") entweder das Walzgut wieder auf die andere Seite des Gerüstes bringen oder die Drehrichtung der Walzen umkehren (reversieren). Ersteres wurde dadurch gelöst, dass man die horizontalen Walzentische, auf denen das Walzgut vor und hinter dem Walzspalt läuft, auf der Seite des Walzgerüstes anheben konnte (Fritz'scher Walztisch nach dem Erfinder George Fritz) und das Walzgut über die obere Walze auf die andere Seite zurückbeförderte, was die Walze durch Friktion unterstützte. Durch die Verbesserung der Getriebe gewann die Reversiermethode allerdings immer mehr Bedeutung, da das Anheben über die obere Walze als Leerzyklus immer mit einer Abkühlung des Walzgutes verbunden ist.[2] Mit dem Aufkommen des elektrischen Antriebes wurde das Reversieren technisch nochmals einfacher und auch das Anordnen mehrerer Walzwerke hintereinander, das vorher durch die möglichst durchgängige Antriebswelle der Antriebs(dampf)maschine zu aufwändig war, konnte realisiert werden.

Trio-Walzwerk

Eine andere Methode, das Walzgut mit demselben Gerüst weiterzuwalzen, ohne überheben oder reversieren zu müssen, besteht in der Nutzung eines sogenannten Trio-Walzwerkes (engl. "Three-High Rolling Mill"). Bei der Trio-Anordnung mit drei Walzen wird das Walzgut z. B. erst zwischen der unteren und mittleren in die eine Richtung und dann zwischen mittlerer und oberer Walze in die andere Richtung gewalzt. Die Gestaltung der Kaliber für eine fortschreitende Profilierung des Walzgutes ist bei der Trio-Anordnung allerdings komplizierter.[3] Weiterhin ist die mittlere Walze mechanisch besonders stark belastet, da sie bei beiden Walzzyklen benutzt wird, und muss daher verhältnismäßig häufig getauscht werden.

Universalwalzwerk

Im Jahr 1848 erfand Reiner Daelen ein Walzwerk, bei dem die zwei horizontalen Walzen eines Duo-Gerüsts durch zwei vertikale vor- oder nachgestellte Walzen ergänzt werden und durch die Verstellbarkeit des Walzspaltes unterschiedlichste rechteckige Profile ohne Walzenwechsel hergestellt werden konnten. Das Universalwalzwerk wurde erstmals bei Piepenstock & Co. in Hörde eingesetzt.[4][5]

Quarto-, Sendzimir- und Cluster-Gerüste

Um die Durchbiegung der mit dem Walzgut in Kontakt stehenden Arbeitswalzen zu verringern, werden diese oft durch Stützwalzen – in der Regel großen Durchmessers – gestützt. Werden insgesamt vier Walzen in einem Walzgerüst eingebaut, spricht man von einer Quarto-Anordnung. Gerüste mit sechs Walzen können in vertikaler oder Sendzimir-Anordnung gebaut werden. In Letzterer wird jede Arbeitswalze durch zwei Walzen gestützt, die in einem Winkel von etwa 120 Grad an der Arbeitswalze angreifen, um vertikales als auch horizontales Durchbiegen zu verringern. Zum Walzen von sehr dünnen oder sehr festen Materialien, werden Gerüste mit bis zu 20 Walzen benutzt.

Reckwalzen

Reckwalzen ist ein Längswalzen, bei dem die Querschnittsfläche von Rohteilen verändert wird, indem diese durch zwei gegenläufige Walzen geführt werden. Die einzelnen Segmente der Walzen sind so ausgelegt, dass sich der Profilquerschnitt der Rohteile in Umfangsrichtung ändert. Das Verfahren wird häufig angewendet, um Vorformen mit günstiger Massenverteilung für nachgelagerte Gesenkschmiedeprozesse zu erzeugen. Durch diese gezielte Massenverteilung können Materialeinsatz und Prozesskräfte beim Gesenkschmieden reduziert sowie die Oberflächenqualität der Bauteile erhöht werden.[6] In der Regel kann jeder Werkstoff, der geschmiedet werden kann, auch durch Reckwalzen verarbeitet werden. Mittels Reckwalzen erzeugte Vorformen werden zum Gesenkschmieden von Bauteilen wie Kurbelwellen, Achsen und Lenkerbauteilen verwendet. Engste Fertigungstoleranzen sind durch Reckwalzen nicht zu realisieren, weshalb das Verfahren selten zur Fertigbearbeitung eingesetzt wird.[7]

Weitere charakteristische Merkmale des Reckwalzens sind:[8]

Querwalzen

Das Querwalzen, auch Querkeilwalzen genannt, ist die Umformung eines rotationssymmetrischen Rohlings zwischen zwei sich gegenläufig bewegenden Flachbacken oder Rundwalzen. Es lässt sich unterscheiden in Rundquerwalzen und Flachbackenquerwalzen. Querwalzen wird primär zur Herstellung großer Stückzahlen eingesetzt. Durch Querwalzen kann eine Materialausnutzung von bis zu 100 Prozent erreicht werden und damit eine nahezu gratlose Massivumformung, welche vor allem für Langteile oder Mehrfachteile ideal geeignet ist. Mittels Querwalzen können rotationssymmetrische Bauteile mit Massenanhäufungen entlang der Rotationsachse realisiert werden[9]. Bezüglich des Kraftbedarfes lässt sich beim Querwalzen zwischen einer Anlaufphase und einer quasistatischen Phase unterscheiden. Kleine Umformgrade erfordern in der quasistatischen Phase die größte Kraft, große dagegen in der Anlaufphase.[10]


Rundquerwalzen

Bei Rundquerwalzen rotiert das Walzgut zwischen zwei oder mehr gleichsinnig umlaufenden Werkzeugwalzen um die eigene Achse. Durch Zustellung mindestens einer Werkzeugwalze wird das Werkstück umgeformt.

Herstellbar sind abgestufte, rotationssymmetrische Werkstücke (z. B. Achsen, Wellen, Getriebeschaltblöcke) sowie Vorformen mit optimaler Masseverteilung für anschließendes Gesenkschmieden (z. B. Hebel, Kurbeln, Pleuelstangen, Kugelgehäuse, Turbinenschaufeln). Die nachfolgende, spanende Formgebung entfällt meist vollständig oder wird aufgrund endformnaher Formgebung beträchtlich reduziert.

Charakteristische Merkmale des Rundquerwalzens sind:

Flachbackenquerwalzen

Beim Flachbackenquerwalzen[11][12] wird das Walzgut zwischen zwei gegeneinander horizontal oder vertikal laufenden Werkzeugplatten umgeformt. Die flache Bauform der Werkzeuge ist durch den konstruktiv und fertigungstechnisch simpleren Aufbau im Gegensatz zu einer gekrümmten Walze gekennzeichnet, weist aber die gleichen Auslegungsparameter auf.

Das Flachbackenquerkeilwalzen wurde für die Vorformung beim Halbwarmschmieden von asymmetrischen Langteilen (hier: Querlenker) untersucht.[13] Halbwarm wurden bis dato solche Teile nur geschmiedet. Dieses führte früher allerdings zu einem relativ hohen Gratanteil (19,8 % der Rohteilmasse). Durch das Querkeilwalzen wurde der Gratanteil verringert (7,48 %). Es konnte gezeigt werden, dass geometrisch relativ einfache Vorformen durch halbwarmes Querkeilwalzen herstellbar sind. Die Kräfte beim Walzen waren bei einer Rohteiltemperatur von 850 °C 2,5 mal höher als bei 1.250 °C; dadurch erhöht sich der Energiebedarf der Walzanlage. Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zeigte, dass die Energieeinsparung durch die geringere Temperatur allerdings 10 % höher war und das Verfahren damit insgesamt energieeffizienter ist.[6]

Ringwalzen

Beim Ringwalzen werden nahtlose Ringe, beispielsweise Radreifen von Eisenbahnrädern, hergestellt. Ausgangsprodukt ist ein gestauchter und konzentrisch gelochter Vorring, der auf Ringwalzmaschinen aufgeweitet wird. Durch Reduktion der Wanddicke (radial) und der Ringhöhe (axial) nimmt der Ringdurchmesser gemäß der Volumenkonstanz zu.

Schrägwalzen

Schrägwalzvorgang (1 Draufsicht auf die Anordnung der Walzen, 2 Beginn des Walzvorganges, 3 Ausbildung der Rohrform, 4 Fertigwalzen über den Dorn)

Beim Schrägwalzen sind die Walzenachsen gekreuzt. Dadurch entsteht ein Längsvorschub in dem um seine Längsachse rotierenden Werkstück. Das Werkstück wird im Walzspalt durch Stützlineale oder Führungswalzen gehalten. Das Walzenkaliber ist so gestaltet, dass sich der Walzspalt verengt. Schrägwalzen wird als Verfahren zum Herstellen von Rohrluppen oder als Hochreduzierwalzwerk für Langprodukte angewendet. Das Schrägwalzen findet vor allem bei Herstellungen von Röhren (Stahlrohren) statt.

Rohre

Durch Walzen können nahtlose Rohre wie Stahlrohre hergestellt werden. Dafür werden verschiedene Verfahren angewendet. Man muss drei prinzipielle Prozessschritte unterscheiden, das Lochen, das Elongieren (Strecken) und das Reduzieren (Fertigwalzen). Das Lochen erfolgt auf Schrägwalzwerken oder Lochpressen. Das Elongieren erfolgt in mehreren Schritten. Dazu können zum Beispiel Schrägwalzwerke und Längswalzwerke verwendet werden. Das Reduzieren auf den gewünschten Außendurchmesser ist der letzte Umformschritt.

Lochverfahren: Schrägwalzwerke zum Lochen:

Elongierverfahren: Alle Elongierverfahren sind dadurch gekennzeichnet, dass ein bereits gelochter Einsatzblock nur in der Wanddicke verringert und gegebenenfalls im Durchmesser verändert wird.

Schrägwalzverfahren zum Elongieren:

Längswalzverfahren zum Elongieren:

Sonderverfahren

Verwandte Themen


Literatur

Einzelnachweise

  1. A. H. Fritz, G. Schulze: Fertigungstechnik., 11. Auflage. 2015, S. 440.
  2. Ledebur S. 496ff.
  3. Ledebur S. 506ff.
  4. Popular Science Band 38, S. 594f.
  5. NDB-Eintrag Reiner Daelen
  6. a b B.-A. Behrens: Final Report Summary - DEVAPRO (Development of a variable warm forging process chain). 17. Juni 2013, abgerufen am 8. Oktober 2015.
  7. B.-A. Behrens: Forge Rolling. In: CIRP Encyclopedia of Production Engineering. 6. Mai 2015. (link.springer.com)
  8. ASM International: ASM Handbook Metalworking: bulk forming. ASM International, 2005.
  9. Walzen und Querkeilwalzen: Beschreibung, Potenziale und Umsetzung. Abgerufen am 20. November 2017.
  10. Wolfgang Kaul: Beitrag zur Verfahrensentwicklung Querwalzen mit geradlinig bewegten keilförmigen Werkzeugen. Ingenieurhochschule Zwickau, Zwickau Mai 1986.
  11. M. Meyer, M. Stonis, B.-A. Behrens: Cross wedge rolling of preforms for crankshafts. In: Key Engineering Materials. Trans TechPublications, vol. 504-506, 2012, S. 205–210.
  12. G. Kozhevnikova: Cross-wedge rolling. Publishing House, 2012, ISBN 978-985-08-1453-1.
  13. H. Kache, D. Gruß, R. Nickel: Pioneering a New Forming Concept. In: Forging. Penton Media, vol. 20, Nr. 4, 2011, S. 20–23.