Die Wiederaufarbeitung (english: Nuclear reprocessing), auch Wiederaufbereitung, von Kernbrennstoffen ist ein Teil des Brennstoffkreislaufs in der Kerntechnik. Sie dient der Trennung der in benutzten Brennelementen von Kernreaktoren enthaltenen, während des Betriebes entstandenen Stoffe. Diese werden einerseits in wiederverwertbare Anteile (ungenutzte Kernbrennstoffe und diverse Radionuklide) und anderseits in hoch-, mittel- und schwachradioaktiven Abfall separiert.[1]
Im Folgenden wird die Wiederaufarbeitung von abgebranntem Brennstoff aus Leichtwasserreaktoren (LWR) und Schnellen Brütern (FBR; Brüten von Plutonium-239 aus Uran-238) anhand des PUREX-Prozesses beschrieben.
Die zur Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen eingesetzten chemisch-physikalischen Verfahren dienten ursprünglich militärischen Zwecken. So konnte in den 1940er Jahren im Zuge der Forschung und Entdeckungen in der Kernchemie (Actinoide, Transurane) das kernwaffentaugliche Plutonium gewonnen werden. Hierbei wird in Kernreaktoren ein Teil des nicht spaltbaren Uran-238 durch Neutroneneinfang in Plutonium-239 umgewandelt. Dieses hat eine relativ geringe kritische Masse und kann auf chemischem Wege abgetrennt werden. Eine solche Produktion von Plutonium in den ersten, mit Natururan betriebenen Kernreaktoren der Welt und seine Abtrennung aus deren Brennstoff war daher die geeignete Methode zur Gewinnung des Materials in großen Mengen. Dagegen war die ausreichende Anreicherung des Isotops 235U bis zur Bombentauglichkeit nach dem damaligen Stand der Technik (Gasdiffusionsverfahren) extrem energieaufwendig und langwierig, da sich die Isotope eines Elementes chemisch quasi nicht unterscheiden und nur auf physikalischem Wege trennen lassen.
Aus den ersten militärischen Anlagen resultierte schließlich das PUREX-Verfahren (PUREX = englisch Plutonium-Uranium Recovery by Extraction), welches aus den 1950er Jahren stammt.[2] Es wurde großtechnisch erprobt und entsprechend optimiert, war jedoch initial für die o. g. militärische Zwecke gedacht (vgl. auch Hanford Site[3]). Versuche, es durch andere Verfahren zu ersetzen,[4] sind bisher nicht über den Status von Versuchen und Prototypen herausgekommen.
Ab dem Zeitpunkt der friedlichen Nutzung der Kernenergie, also ab den 1950er Jahren (vgl. Genfer Atomkonferenz), wurden weltweit die ersten Wiederaufarbeitungsanlagen errichtet. Die Rückgewinnung von Brennstoff erschien zunächst ökonomisch und technisch erfolgversprechend. Den kommerziellen Großanlagen wie La Hague, Frankreich oder Sellafield (dort Thorp), Großbritannien gingen häufig kleinere Prototypen- und Versuchsanlagen vorweg. In Europa (Mol, Belgien) sammelte man fast zwei Jahrzehnte lang Erfahrungen mit der Versuchsanlage Eurochemic, welche eine Kapazität von bis zu 350 kg U/d erreichte.[5] Ebenfalls war in Deutschland die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) ab 1970 in Betrieb für oxidischen LWR-Brennstoff. Die Anlage WAK hat in den Jahren 1971 bis 1990 über 200 t Kernbrennstoff aus verschiedenen Reaktoren aufgearbeitet und befindet sich aktuell im Rückbau.[6] Später wurde die geplante Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf (1985–1989) aufgrund von Protesten nie realisiert. Damit verfügt Deutschland über keine eigene, kommerzielle Wiederaufarbeitungsanlage. Deutsche Kernkraftwerksbetreiber ließen somit bis 2005 Brennelemente in den o. g. Anlagen in Frankreich und Großbritannien aufarbeiten.[7] Insgesamt wurden 6.244 t Kernbrennstoff aufgearbeitet. Hochradioaktive Abfälle wurden teilweise zurücktransportiert.[8][7][9]
Neben dem regulierten Transport wird per deutschem Atomgesetz der Betrieb von Wiederaufarbeitungsanlagen nicht genehmigt.[10][9] Das Verbot der Wiederaufarbeitung und des Transports von Brennelementen gilt auch in der Schweiz.[11]
Die USA betrieben zwar die ersten Wiederaufarbeitungsanlagen, haben jedoch ab 1977 (Carter) die kommerzielle Wiederaufarbeitung gegen die direkte Endlagerung ausgesetzt.[12]
In Deutschland wurde 1964 die Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (GWK) gegründet, welche 1979 von der Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) übernommen wurde und unter der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe Betriebsgesellschaft mbH (WAK BGmbH) die WAK betrieb.[13]
Durch die Wiederaufarbeitung lassen sich spaltbares Material von den sonstigen Bestandteilen der abgebrannten Brennelemente und diese auch voneinander trennen. Dadurch kann zum einen neuer Kernbrennstoff gewonnen werden, zum anderen kann das Volumen (nicht jedoch die Aktivität) des Abfalls, der für lange Zeiträume endgelagert werden muss, auf einen kleinen Bruchteil reduziert werden. Allerdings entstehen bei der Wiederaufarbeitung nach dem PUREX-Verfahren große Volumina an Sekundärabfällen (zum Beispiel kontaminiertes Wasser), deren geregelte Entsorgung sehr aufwändig ist. Abgebrannte Brennelemente aus zivilen Leistungsreaktoren enthalten rund 95 % Uran und 1 % Plutonium. Von dem Uran können durch erneute Anreicherung 10 % wiederverwendet werden. Dieser Anreicherungsprozess ist üblicherweise nicht Bestandteil der Wiederaufarbeitung. Der abgebrannte Kernbrennstoff wird in verschiedenen Ländern (z. B. USA oder Deutschland) in der Regel ohne Wiederaufarbeitung zwischengelagert (siehe auch direkte Endlagerung). Bekannt ist hier das Lager Sewersk in Russland. Weitere Lager befinden sich in Paducah (Kentucky) sowie Portsmouth (Ohio).
Die restlichen 90 % des abgetrennten Materials sind (in Leichtwasserreaktoren) nicht verwendbares Uran, Spaltprodukte und die wie Plutonium durch Neutroneneinfang entstandenen höheren Actinoide. Daraus werden weitere verwertbare Stoffe gewonnen. Alles Übrige wird derzeit als radioaktiver Abfall behandelt.[14] Deutlich kleinere Abfallmengen würden bei der Wiederverarbeitung von Brennmaterial für schnelle Brutreaktoren anfallen, da diese das U-238 zu spaltbarem Plutonium umwandeln können.
Im Rahmen der friedlichen Nutzung der Kernenergie wird der abgetrennte Kernbrennstoff, vor allem das Plutonium, zu neuen Brennelementen verarbeitet und im Sinne einer Rezyklierung wieder in den Reaktor zurückgeführt. Im militärischen Bereich dient die Abtrennung dazu, Plutonium für Kernwaffen zu erhalten. Auch einige höhere Actinoide können selektiv abgetrennt werden, um sie für spezielle Aufgaben zu verwenden. Zu nennen sind hier die Neutronenquelle Californium-252, das Material für Rauchmelder Americium-241 und der Grundstoff für Plutonium-238, Neptunium-237.
Denkbar ist auch noch eine zusätzliche Abtrennung der bei der Kernspaltung entstehenden Edelmetalle Ruthenium, Rhodium und Palladium bei der Wiederaufarbeitung. Da aber das so gewonnene Palladium neben 4 stabilen auch ein radioaktives, langlebiges Isotop (107Pd) mit einer Halbwertszeit (HWZ) von 6,5 Millionen Jahren enthält, dürfte dieses Palladium nicht außerhalb von Sicherheitsbereichen verwendet werden. Bei Rhodium und Ruthenium sind die Sachverhalte günstiger, da von diesen Edelmetallen in den Spaltprodukten nur radioaktive Isotope mit Halbwertszeiten von höchstens einem Jahr vorhanden sind, sodass eine Verwendung außerhalb des Sicherheitsbereichs nach ein bis zwei Jahrzehnten möglich wäre (Abfall der Radioaktivität auf ein Millionstel). Bis heute wird die Abtrennung von Ruthenium, Rhodium und Palladium aus den Spaltprodukten nicht praktiziert.
Das bedeutet, in der Summe sind durch eine Wiederaufbereitung insgesamt 1 % bis 10 % des Materials wieder zu verwenden, 90 % bis 99 % sind radioaktiver Abfall. Dessen Hauptmenge besteht aus den Spaltprodukten der Kernspaltung und ihrer Zerfallsprodukte, das sind radioaktive Isotope aller Elemente mit Massenzahlen zwischen 77 und 158 (im PSE die Elemente vom Arsen bis zum Terbium). Von diesen künstlichen Radioisotopen werden bei der Wiederaufarbeitung diejenigen abgetrennt, die in Wissenschaft, Technik oder Medizin als Strahlenquelle oder zur Verfolgung von Stoffströmen einsetzbar sind. Die übrigen Spaltprodukte werden in solche mit hoher, mittlerer und schwacher Radioaktivität getrennt, weil ihre Lagerung unterschiedlich gehandhabt wird. Vom Gesamtvolumen dieser Abfälle entfallen 7,3 % auf die hochaktiven Abfälle, die jedoch 98,3 % der gesamten Radioaktivität enthalten.[15] Für die mittel- und schwach radioaktiven Abfälle verbleiben somit 1,7 % der Radioaktivität und knapp 92,7 % des Gesamtvolumens.
Bei der Wiederaufarbeitung fallen auch radioaktiv kontaminierte Abwässer an, die in der Regel in die Umwelt geleitet werden. Zum Beispiel werden in der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague jährlich ca. 0,5 Mrd. Liter radioaktiv kontaminiertes Abwasser in den Ärmelkanal geleitet. Auch radioaktiv kontaminierte Abluft wird freigesetzt.[16] Der Anteil an radioaktivem Krypton (85Kr; Betastrahler mit einer HWZ von rd. 10 Jahren) in dieser Abluft ist dabei mit ca. 90000 Bq pro Kubikmeter Luft besonders signifikant.[17]
In einer Wiederaufarbeitungsanlage werden die Brennelemente zunächst mechanisch zerschnitten und in heißer Salpetersäure gelöst. Dieser Abschnitt bildet das sogenannte „Head-end“ des Prozesses. Zur Trennung der Bestandteile Uran, Plutonium, der höheren Actinoide und der Spaltprodukte voneinander setzt man die Extraktion mit dem PUREX-Prozess ein. Als Extraktionsmittel dient Tributylphosphat (C4H9O)3PO, das mit 70 Prozent C12–14-Alkanen (zum Beispiel Kerosin) verdünnt ist. Durch mehrfache Durchführung der Extraktionszyklen kann eine fast vollständige Trennung der Bestandteile erreicht werden.
Für Kernreaktoren, die Uran-233 aus Thorium-232 erbrüten, wurde der THOREX-Prozess entwickelt.[18][19]
Wenn sowohl Leichtwasserreaktoren (LWR) als auch Schwerwasserreaktoren (PHWR) verfügbar sind, ist in begrenztem Maße auch „DUPIC-Prozess“ (Direct Utilization of spent Pressurized water reactor fuel In CANDU)[20][21] denkbar, ein Verfahren, bei dem keine Abtrennung von Uran oder Plutonium notwendig ist (gegebenenfalls werden durch Erhitzen die leichtflüchtigen Spaltprodukte entfernt), und bei dem ein gewisser Anteil des nach wie vor im Brennelement vorhandenen spaltbaren Materials zur Stromerzeugung genutzt werden kann.[22] Kanada, Indien, Argentinien, China, Pakistan, Rumänien und Südkorea betreiben Stand 2022 mindestens einen kommerziellen PHWR zur Stromerzeugung. In Indien befinden sich auch weitere PHWR (IPHWR-700) im Bau.[23] Südkorea, welches sowohl PHWR als auch LWR betreibt ist seit ca. 1991 einer der Pioniere auf dem Gebiet von DUPIC.[24][25]
Neben dem oben beschriebenen Verfahren wurden in den Vereinigten Staaten und Russland weitere Verfahren der Pyrometallurgie entwickelt.[26] Dabei wird im Prinzip die Elektrolyse eingesetzt, um die Metalle zu trennen. Der wesentliche Vorteil gegenüber dem PUREX-Prozess besteht darin, dass das Uran zusammen mit Plutonium und höheren Actinoiden als Gemisch abgetrennt und damit die Isolierung von waffenfähigem Plutonium erschwert wird. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die restlichen radioaktiven Abfälle nur circa 500 Jahre aufbewahrt werden müssen.
Ein im Konzeptstadium befindliches Verfahren ist der Laufwellen-Reaktor. Dieser Kernreaktortyp soll seinen eigenen verbrauchten Brennstoff im Betrieb zu einem großen Teil selbst „aufarbeiten“ und dadurch pro erzeugter Energieeinheit wesentlich weniger endzulagerndes Material zurücklassen. Bisher wurde noch kein Laufwellenreaktor gebaut.
Ebenfalls im Konzeptstadium ist der Dual-Fluid-Reaktor (DFR), bei dem die Spaltstoffe im Betrieb ständig abgeführt werden und der dazu die fraktionierte Destillation/Rektifikation nutzt.[27] Theoretisch könnte man so in einem DFR auch abgebrannte Brennelemente aufbereiten und verwenden.
Anfang Januar 2011 wurden Meldungen chinesischer Wissenschaftler über eine angebliche Entwicklung einer neuen Wiederaufarbeitungsmethode bekannt, durch die die Urannutzung 60-mal effizienter wäre.[28]
Das abgetrennte Plutonium wird bei der zivilen Wiederaufarbeitung meist zu neuen Uran/Plutonium-Brennelementen (MOX-Brennelemente) verarbeitet, die in Leichtwasserreaktoren wieder eingesetzt werden können.[29] Dies ist beispielsweise in Frankreich, war in Deutschland[30] und in Japan der Fall.[31] In Großbritannien wird das Plutonium mangels Recyclingmöglichkeiten lediglich gelagert. Eine im Vergleich zu Leichtwasserreaktoren wesentlich effizientere Nutzung wäre in Brutreaktoren möglich,[32] die sich aber weltweit bisher nur bedingt durchgesetzt haben, wie beispielsweise im russischen Kernkraftwerk Belojarsk.
Das abgetrennte Uran wird bisher nur in relativ kleinem Umfang recycelt. Da es im Gegensatz zu Natururan noch geringe Spuren an unerwünschten Isotopen enthält, ist die Weiterverarbeitung aufwendiger und daher derzeit unwirtschaftlich.
Die radioaktiven Spaltprodukte und die höheren Actinoide liegen nach dem so genannten Partitioning zunächst als hochradioaktive Lösung vor, die in gekühlten Edelstahltanks gelagert wird. Im Hinblick auf eine längerfristige Zwischenlagerung und die spätere Endlagerung müssen diese Abfälle in eine feste und auslaufresistente Form gebracht werden. Hierzu hat sich die Verglasung (Vitrifizierung) als geeignetes Verfahren erwiesen. An allen bestehenden Wiederaufarbeitungsanlagen sind daher auch Verglasungsanlagen installiert. Die Lösung wird bei der Verglasung zunächst eingetrocknet und die aus der Lösung ausgefallenen Feststoffe mit glasbildenden Stoffen vermischt und daraus werden Glasblöcke geschmolzen. Das nicht radioaktive Lösungsmittel wird dabei frei und kann wieder verwendet werden.
Eine Wiederaufarbeitungsanlage (WAA), auch Wiederaufbereitungsanlage, ist eine großtechnische Anlage, in der abgebrannte Brennelemente aus Kernkraftwerken auf chemischem Wege wiederaufgearbeitet. In der Anlage werden abgebrannte Brennelemente in spaltbares Material, insbesondere Uran und Plutonium, von nicht weiter verwertbarem radioaktiven Abfall (Atommüll) getrennt. Als Verfahren hat sich dabei das PUREX-Verfahren durchgesetzt. Die Wiederaufarbeitungsanlagen stellen somit den Versuch dar, einen atomaren Wiederverwertungs-Kreislauf aufzubauen. Die bei der Wiederaufarbeitung anfallenden radioaktiven Abfälle werden an Ort und Stelle weiterverarbeitet (konditioniert) und später an die jeweiligen Kunden zurückgeliefert.
Insgesamt steht im zivilen Bereich eine Wiederaufarbeitungskapazität von rund 5000 tSM/a (Tonnen Schwermetall pro Jahr) zur Verfügung (2900 tSM/a für Brennstoff aus Leichtwasserreaktoren, 2100 tSM/a für sonstigen Brennstoff), vgl. die Tabelle.
Deutsche Energieversorgungsunternehmen haben bis 2005 ihre ausgedienten Brennelemente im Ausland aufarbeiten lassen. Insgesamt wurden rund 6.244 t radioaktives Schwermetall (Kernbrennstoff) in die Anlagen La Hague und Sellafield geliefert. Seit dem Jahr 2015 liegt ein Konzept für die Rückführung vor.[33]
Brennstoff | Anlage | Kapazität in jato |
---|---|---|
LWR-Brennstoff | La Hague, Frankreich | 1700 |
Sellafield, Vereinigtes Königreich | 600 | |
Majak, Russland | 400 | |
Rokkasho, Japan | 700 (noch nicht fertiggestellt) | |
Andere Brennstoffe | Sellafield, Vereinigtes Königreich (Magnox) | 1500 |
Indien (PHWR) | 330 | |
Tōkai, Japan (MOX) | 40 |
Bei der Wiederaufarbeitung fallen Abgase und Abwässer an, die gereinigt und anschließend in die Umgebung abgeleitet werden. Trotz der Reinigungsmaßnahmen enthalten diese Ableitungen noch radioaktive Bestandteile. Die maximalen Aktivitätsmengen, die mit der Fortluft und dem Abwasser in die Umgebung abgegeben werden dürfen, werden von den zuständigen Behörden in der Betriebsgenehmigung festgelegt. Grundlage dieser Grenzwerte ist die Berechnung der radiologischen Auswirkungen auf die Menschen in der Umgebung der Anlage. Daher sind die zulässigen Ableitungswerte stark von den geographischen Gegebenheiten des Standorts abhängig. Umweltschutzverbände, wie zum Beispiel Greenpeace, haben unter Berufung auf eigene Messungen den Betreibern der Wiederaufarbeitungsanlagen wiederholt vorgeworfen, die Umwelt in unzulässiger Weise zu belasten.
Durch die Wiederaufarbeitung wird der Raumbedarf für die Endlagerung verkleinert, weil dabei das hochradioaktive Material, welches dorthin gehört, abgetrennt wird. Dessen Volumen macht nur noch etwa 2 bis 3 % des Ursprungsvolumens aus: In den Brennelementen dient nur das Uran-235 als Brennmaterial, davon sind in angereichertem Uran 3 bis 4 % enthalten und in nicht angereichertem Uran nur 0,72 %. Über die Nutzungszeit eines Brennelementes werden von diesem Isotop ungefähr 0,9 % in Plutonium umgewandelt und ungefähr 60 bis 70 % gespalten. Nur ein Teil der Spaltprodukte sind zur Endlagerung bestimmte hochradioaktive Abfälle.
Voraussagen darüber, wie lange die natürlichen Uranvorkommen für die weltweite Stromversorgung ausreichen werden, sind schwierig. Schätzungen reichen von 25 Jahren,[46] bis weit über 100 Jahre[47] die jeweils mit der effizienteren Nutzung des Urans in Brutreaktoren um etwa Faktor 50 erhöht werden könnten. Die Schätzung hängt neben vielen anderen Faktoren vor allem vom Uranpreis ab (der Kernbrennstoff macht bei Leichtwasserreaktoren nur etwa 20 % der Stromkosten aus) sowie davon, wie stark Kernenergie in Zukunft genutzt werden wird. Während Deutschland aus der Kernenergienutzung ausgestiegen ist, werden in anderen Ländern wie Finnland, Frankreich, Kanada, Russland, Indien und vor allem in China neue Kernkraftwerke gebaut. China wird auf diese Weise trotz des Bedarfsrückgangs in einigen anderen Ländern für eine weltweite Nettozunahme des Uranverbrauchs sorgen. Weltweit befanden sich Mitte 2012 63 Kraftwerksblöcke im Bau, 160 in Planung und weitere 329 sind langfristig angedacht.[48] Vor diesem Hintergrund könnte die Wiederaufarbeitung gebrauchter Brennelemente eines Tages notwendig werden, um danach aus dem verbleibenden Uran das restliche Uran-235 und Pu-239 gewinnen zu können.
Das Argument, das wiedergewonnene Spaltmaterial erneut einsetzen zu können, ist derzeit ökonomisch nicht sinnvoll, da bei den heutigen Uranpreisen Brennelemente aus wiederaufgearbeitetem Material deutlich teurer als Brennelemente aus „frischem“ Uran sind. So verursacht die Wiederaufarbeitung im Vergleich zu der direkten Endlagerung um 10 bis 18 Prozent höhere Brennstoffzykluskosten.[49] Bei steigender Nachfrage nach Uran, beispielsweise durch neue chinesische Kernkraftwerke und durch Abnahme der natürlichen Vorkommen, könnte eine Wiederaufarbeitung in Zukunft ökonomisch interessanter werden. Wenn Brennstäbe zwischengelagert oder rückholbar endgelagert werden, können sie auch Jahre oder Jahrzehnte später noch aufgearbeitet werden.
Wiederaufarbeitungsanlagen können zur Gewinnung von waffenfähigem Plutonium verwendet werden und werden aus diesem Grund von allen Nationen mit eigenständigem Atomwaffenprogramm betrieben. Rein militärische Anlagen unterscheiden sich technisch in der Regel von zivilen Wiederaufarbeitungsanlagen, da militärische und zivile Nutzung unterschiedliche Ziele verfolgen: Für die militärische Nutzung werden Brennelemente mit sehr geringem Abbrand benötigt, d. h. mit kurzer Verweildauer im Reaktor und damit geringer Verunreinigung mit Spaltprodukten. Kommerzielle Stromversorger wollen hingegen die Brennelemente möglichst lange im Reaktor belassen, um das Material so maximal auszunutzen. Diese höher abgebrannten Brennelemente erfordern wegen des erheblich größeren Anteils an Spaltprodukten einen höheren Aufwand bei der Wiederaufarbeitung. Plutonium aus den relativ hoch abgebrannten Brennelementen üblicher Leistungsreaktoren eignet sich nicht zur Herstellung militärisch interessanter Nuklearwaffen. Dennoch kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass auch bei der zivilen Wiederaufarbeitung Plutonium separiert und damit die Technik zur militärischen Aufbereitung leichter zugänglich gemacht wird. Durch Kontrolle den Missbrauch zu verhindern, ist eine der Aufgaben des internationalen Safeguards-Systems und Gegenstand internationaler Vereinbarungen, insbesondere des Atomwaffensperrvertrags, des Safeguards Agreement und des Additional Protocol.
Umstritten sind auch die radioaktiven Ableitungen ins Meer, insbesondere aus der britischen Anlage Sellafield und der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in Frankreich. Nach Aussagen beispielsweise von Greenpeace können die Ableitungen zu einer unzulässigen Verschmutzung der Meere und über die Nahrungskette zu einer Strahlenbelastung der Bevölkerung führen. Die Betreiber haben behauptet, die Grenzwerte würden eingehalten und die radiologischen Auswirkungen auf den Menschen seien gering.
Während durch einmalige Wiederaufbereitung das Volumen des hochradioaktiven Abfalls um 80 % abnimmt, steigt das Volumen des schwach- und mittelaktiven Abfalls auf das Fünffache.[50]
Für die Anlieferung der Brennelemente und den Rücktransport der Reststoffe und Abfälle sind zahlreiche Transporte von und zu den Wiederaufarbeitungsanlagen nötig. Die Castor-Transporte zwischen den Wiederaufarbeitungsanlagen und Deutschland sind in der Vergangenheit oft behindert worden. Seit 2005 werden aus Deutschland keine abgebrannten Brennelemente mehr in die Wiederaufarbeitung geliefert.[51] Die Schweiz liefert de facto seit 2006 keine Brennelemente mehr in die WA; 2017 wurde das Verbot der Wiederaufarbeitung von Brennelementen im Schweizer Kernenergiegesetz (KEG) verankert.[52]
Der Historiker Joachim Radkau resümierte 2011:
„Die Wiederaufarbeitung hatte zunächst auch in Kreisen, die der Ökoszene nahe standen, eher einen guten Klang, es galt als ökologisch vorbildlicher Weg zur Resteverwertung. Rein aus der Ferne gesehen, schien es ganz vernünftig, aus dem Atommüll das stark strahlende Plutonium wieder herauszunehmen und wieder in Kernkraftwerken neu zu nutzen – ich habe genauso gedacht –, erst allmählich merkte man, dass die Wiederaufarbeitung mit eigenen tückischen Risiken verbunden ist, das Sprichwort vom Teufel im Detail trifft auf viele Bereiche der Kernkraft zu – dafür ist die Wiederaufarbeitung das beste Beispiel.“[53]
Einige Staaten, zum Beispiel Deutschland und die USA (seit 1977[45][39]), haben sich aus wirtschaftlichen und politischen Gründen gegen die Wiederaufarbeitung im eigenen Land entschieden.