Der Zeigefinger
Fingerknochen (grün, blau und rosa)

Der Zeigefinger (lateinisch Digitus (manus) secundus, Index) ist Teil der Hand. Er ist der zweite Finger und befindet sich zwischen dem Daumen und dem Mittelfinger. Er trägt seinen Namen, da er bevorzugt dafür verwendet wird, um auf ein Objekt oder in eine Richtung zu zeigen. Unter Fingerzeig versteht man einen Hinweis. Der Zeigefinger wird von allen Fingern am häufigsten genutzt (ohne Greifen). Er kann ebenso wie der Daumen und der kleine Finger relativ unabhängig bewegt werden.

Anatomie

Der Zeigefinger wird von drei Fingergliedknochen gestützt. Vom Zeigefinger führen zwei Sehnen zu den Unterarmmuskeln. Der gebeugte Finger wird mit dem Zeigefingerstrecker (Extensor indicis) auf der Ellenrückseite gestreckt. Vom zweiten bis zum fünften Finger münden je eine Sehne in einen Unterarmstrecker, den langen gemeinsamen Fingerstrecker (Extensor digitorum). Extensoren sind streckende Muskeln des Unterarmes mit einer Wirkung im Handgelenk. Flexoren sind dagegen beugende Muskeln. Mit dem zwölften Lebensmonat sollten Säuglinge in der Lage sein, mit dem Zeigefinger auf Gegenstände zu deuten.

Das Fingerlängenverhältnis (englisch 2D:4D) von Zeige- und Ringfinger wird als Ergebnis des fetalen Hormonspiegels mit verschiedenen Persönlichkeitsausprägungen und Krankheitsdispositionen in Zusammenhang gebracht.[1][2]

Schrift

Bei der Schreibschrift führt der Zeigefinger den Stift. Bei der Blindenschrift werden die Zeichen mit den Fingerspitzen der Zeigefinger ertastet. Der rechte Zeigefinger liest dabei eine Zeile zu Ende, während der linke Zeigefinger am Anfang der neuen Zeile steht, worauf der rechte wieder zum linken aufschließt. Das Maschinenschreiben auf einer Tastatur nur mit den beiden Zeigefingern (statt mit allen zehn Fingern) bezeichnet man auch umgangssprachlich als Zwei-Finger-Adler-Suchsystem.

Handzeichen und Gestiken

Zeigefinger auf die Lippen gelegt, La Discrétion, Claude Marie Dubufe, 1820er

Zeigefinger allein

Zeigefinger mit anderen Fingern

Symbolik des Zeigens

Ein Verweis mit der flachen Hand statt eines direkten Draufdeutens mit dem Zeigefinger (Befehlston) auf einen Gegenstand oder eine Person gilt als höflicher. Der ausgestreckte Zeigefinger gilt seit der Antike als Geste der Kraftübertragung. Der Zeiger[4] (von althochdeutsch zeigari von zeigôn, zeigen: Intensivum zu zîhan: zeihen, anschuldigen, beschuldigen[5]),[6] früher auch lateinisch Salutaris genannt, überträgt dabei seine Kraft auf den Gezeigten. Das heutige Tabu, nicht mit Fingern auf Andere zu zeigen, hat angeblich seinen Ursprung in dieser Symbolik. Die Menschen hatten Angst, dass die Kraft des Zeigers auf den Gezeigten übergeht, der Zeiger also seine Kraft verliert. Als besonders gefährlich galt es, auf Kranke oder Leidtragende zu zeigen, da man annahm, dass diese Geste das Leid des Gezeigten anzieht. Kleinen Kindern wurde versucht, diese Gebärde abzugewöhnen, indem man ihnen sagte, sie erstächen damit einen Engel.

Bedeutung im Islam

Im Islam bedeutet ein ausgestreckter Zeigefinger nach oben die Einheit von Allah[7] („Es gibt keinen Gott außer Allah“).[8] Der islamische Begriff dazu ist Tauhīd (تَوْحِيد), der Glaube an die Einheit Gottes. Diese Geste wird besonders in jüngerer Zeit von Anhängern des politischen Islams und von so genannten Dschihadisten für Propagandazwecke verwendet. Besonders beliebt ist der ausgestreckte Zeigefinger unter Anhängern des so genannten „Islamischen Staats in Syrien und der Levante (ISIS)“, die diese Geste in Fotos und Videos verwenden.

In der arabischen Sprache heißt der Zeigefinger Musabbiha (مُسَبِّحة). Das Wort wird meistens mit dem bestimmten Artikel al- (ال) zusammen verwendet: al-Musabbiha (الْمُسَبِّحة). Gelegentlich wird dafür auch das Wort al-Sabbāha (السَّبّاحة) verwendet.[8] Das arabische Verb سَبَّحَ stammt von derselben arabischen Wortwurzel – s-b-ḥ (س-ب-ح) – wie das arabische Wort für Zeigefinger (Musabbiha). Das Verb bedeutet „Gott zu preisen“, in dem ein Muslim „Subḥāna Allāh“ (سُبْحانَ الله) sagt, was wiederum „Gepriesen sei Allah“ bedeutet.

Kunst

Ein berühmtes Beispiel für das gleichzeitige Zeigen und Übertragen von Kraft ist in dem Deckenfresko „Die Erschaffung Adams“ von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle dargestellt. Gott streckt seinen Zeigefinger aus und erschafft Adam. Im Fresko selbst wird der Augenblick nach der Berührung gezeigt, Adam lässt bereits seinen eigenen Zeigefinger sinken. Ein neueres Beispiel ist in einer Szene des Films E. T. zu sehen.[9]

Johannes der Täufer wird auf christlichen Bildwerken meist mit dem deutenden Zeigefinger dargestellt (Isenheimer Altar). Die Funktion des Täufers und seines Fingers ist die, Weiser (von weisen) zu sein auf den Größeren, der kommt.[10]

Ein nach oben gerichteter Zeigefinger gilt als typisch für die Malweise von Leonardo da Vinci (Beispiele: Johannes der Täufer, Das Letzte Abendmahl). Im Fresko Die Schule von Athen verkörpert der italienische Maler Raffael den Philosophen Platon durch seinen zeitgenössischen Malerkollegen Leonardo da Vinci mit nach oben gerichtetem Zeigefinger.

Aphorismen

Typografie und EDV

Das Symbol eines Zeigefingers wurde im 12. bis 18. Jahrhundert auch als Satzzeichen und Hinweiszeichen am Textrand verwendet.

Der Zeigefinger wird bevorzugt verwendet, um einzelne Tasten und Schalter (z. B. Lichtschalter, Klingelknopf) zu drücken. Wegen der Symbolik des Knopfdrückens (Mausklick) stellen viele Browser (z. B. der Internet Explorer) den Mauszeiger als Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger dar, wenn sich der Zeiger über einem Link befindet.[11]

Unicode

In Unicode gibt es sechs Symbole, die eine zeigende Hand darstellen:

Literatur

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Was die Länge von Zeige- und Ringfinger verrät. Welt Online, 20. September 2011, abgerufen am 12. Dezember 2017
  2. S. Lutchmaya, S. Baron-Cohen, P. Raggatt, R. Knickmeyer, J. T. Manning: 2nd to 4th digit ratios, fetal testosterone and estradiol. In: Early Human Development, 77, 2004, S. 23–28, doi:10.1016/j.earlhumdev.2003.12.002.
  3. Begrüßung. In: Karl-Wilhelm Weeber: Alltag im alten Rom. Ein Lexikon. Artemis & Winkler, Düsseldorf / Zürich 1998, S. 47.
  4. Petrus Dasypodius: Dictionarium latinogermanicum et vice versa germanolatinicum ..., Theodosius Rihel, 5. Aufl. Straßburg 1569, Hh V („Index: der zeyger, alias Salutaris“) und T II (Zeygerfinger).
  5. Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Auflage. Hrsg. von Walther Mitzka. De Gruyter, Berlin / New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 877.
  6. Philip Verheyn: Anatomie oder Zerlegung des menschlichen Leibes […]. Aus dem Lateinischen übersetzt, Leipzig (Thomas Fritschen) 1708; Neudruck Lindau im Bodensee 1981, S. 6 („[…] heisset der Zeiger, dieweil man dessen in Bezeugung sich bedienet“).
  7. arabisch الله, beginnend (von rechts nach links) mit dem senkrechten Strich für A(lif).
  8. a b Gerald Drißner: Islam for Nerds – 500 Questions and Answers. createspace, Berlin 2016, ISBN 978-1-5308-6018-0, S. 521.
  9. Wob - Virtual Exhibitions. 26. Juni 2009, archiviert vom Original am 26. Juni 2009; abgerufen am 28. Dezember 2022.
  10. Der Finger des Johannes, Isenheimer Altar
  11. User interface. Abgerufen am 28. Dezember 2022.