Claus Peymann wurde als Sohn des 1896 in Bremen[3] geborenen Lehrers Karl Peymann geboren.[4] Karl Peymann hatte Claus’ Mutter, die 1897 geborene Käthe, geb. von Hohenböken, geheiratet.[5] In Hamburg erwarb Claus Peymann 1956 das Abitur und begann danach an der Universität Hamburg ein Studium der Germanistik, Literatur- und Theaterwissenschaften.[6] Er ist Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg.
Peymann begann seine Regiearbeiten am Universitätstheater in Hamburg. 1966/67 war er am Stadttheater Heidelberg mit Otto Sander und Ulrich Wildgruber,[9] danach bis 1969 Oberspielleiter des FrankfurterTheaters am Turm. Zur Spielzeit 1970/1971 wechselte er zur Berliner Schaubühne. Es kam jedoch nur zu wenigen Arbeiten an der Schaubühne, da Peymann nicht mit dem demokratischen Modell des Mitbestimmungstheaters und dessen Leiter Peter Stein zurechtkam. Nach dem Zerwürfnis mit Stein war er von 1971 bis 1974 als freier Regisseur tätig. Eine Bewerbung als Regieassistent bei Helene Weigel am Berliner Ensemble war gescheitert, nachdem Peymann zu spät zu einem Bewerbungsgespräch gekommen war.[10]
Schauspieldirektor in Stuttgart (1974–1979) und Intendant am Bochumer Schauspielhaus (1979–1986)
Seine erste große Intendanz übernahm Peymann von 1974 bis 1979 als Schauspieldirektor am SchauspielStuttgart, wo er wegen einer Geldsammlung für einen Zahnersatz für die inhaftierte RAF-Terroristin Gudrun Ensslin von Ministerpräsident Hans Filbinger unter Druck gesetzt wurde und erstmals bundesweit in die Schlagzeilen geriet. Der Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel erreichte, dass er wenigstens seine Vertragszeit bis zum Ende erfüllen konnte. Im Jahr 1979 übernahm Peymann dann die Intendanz am Schauspielhaus Bochum, das zuvor von Peter Zadek geführt worden war. Dabei kündigte er 44 Schauspielern und Mitarbeitern und zog damit in der deutschen Theaterszene viel Unmut auf sich. In seiner knapp siebenjährigen Amtszeit feierte Peymann große Erfolge bei Kritik und Publikum und begründete seinen Ruf als „Papst“ der deutschen Theaterszene.
Uraufführungen zeitgenössischer Autoren wie Thomas Bernhard, Peter Handke oder Peter Turrini, später auch Elfriede Jelinek, bildeten für Peymann von jeher einen Schwerpunkt seiner Arbeit. Zu den wichtigsten Schauspielern, mit denen Peymann zusammengearbeitet hat und teilweise bis heute zusammenarbeitet, gehören Gert Voss (bis zu dessen Tod im Juli 2014), Ignaz Kirchner und Kirsten Dene.
1986 übernahm Peymann die Direktion des Burgtheaters in Wien. Aufgrund seiner Betonung moderner, österreichkritischer Theaterstücke wie Heldenplatz von Thomas Bernhard kam es mehrfach zu schweren Auseinandersetzungen mit Teilen der Wiener Presse, die sowohl von bürgerlich-konservativen Kreisen wie auch von sozialdemokratischen Persönlichkeiten wie Ex-Kanzler Bruno Kreisky oder Sozialminister Josef Hesoun angefacht wurden. Die kontroverse Wirkung Peymanns an der Burg muss im Zusammenhang mit dem besonderen Status dieser Kulturinstitution in Österreich gesehen werden: Das 1776 begründete Theater mit einem Ensemble von ca. 160 Schauspielern gilt vielen bis heute als Olymp des Schauspieltheaters deutscher Sprache. Unter der Direktion Peymanns wurde die Ausstrahlungskraft dieses mythischen Ortes in bis dahin nicht gekanntem Maß für gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen genutzt.
Auch nach innen war die Ära Peymann am Burgtheater an Konflikten reich. Viele der – nach einem zehnjährigen Engagement, der sogenannten Zehn-Jahres-Klausel – mit einem Vertrag auf Lebenszeit ausgestatteten Burgtheaterschauspieler traten in seiner Ära nicht oder nur in Nebenrollen in Erscheinung. Eine dieser Personen, die sich vehement gegen Peymann stellten, war der spätere Kunststaatssekretär Franz Morak – damals in seiner Eigenschaft als Ensemblevertreter. Aber auch den Sozialdemokraten zugerechnete Schauspieler wie vor allem Fritz Muliar oder Erika Pluhar argumentierten öffentlich gegen Peymann und weigerten sich, unter seiner Regie aufzutreten.
Peymann blieb dreizehn Jahre Chef des Burgtheaters, bevor er sich 1999 in Richtung Berlin verabschiedete. Zuvor hatte er einmal mehr gedroht, seinen Vertrag als Burg-Chef nicht zu verlängern. Überraschenderweise wurde dieses den Berichten zufolge nicht ganz ernst gemeinte Angebot vom damaligen Bundeskanzler Viktor Klima angenommen. Die Ära Peymann wird heute in Wien als eine – trotz mancher Schwächen – geglückte und kreative Direktion des Burgtheaters beurteilt. Dazu trug auch bei, dass Peymann viele namhafte, sehr unterschiedliche Regisseure nach Wien holte, wie z. B. Giorgio Strehler, Peter Zadek, Hans Neuenfels, Einar Schleef oder George Tabori.
Im Februar 2007 geriet Peymann in die Kritik, weil er dem ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar einen Praktikumsplatz als Bühnentechniker beim Berliner Ensemble angeboten und dessen jüngste politische Äußerungen unterstützt hatte. Daraufhin forderte Rolf Hochhuth die Absetzung von Claus Peymann als Intendant des Berliner Ensembles.[11] Es folgten zwei Zivilklagen Hochhuths gegen Peymann in anderer Sache.[12][13]
Im April 2008 wurde bekannt, dass Peymann plane, in seinen bisherigen Leitungsfunktionen mindestens zwei weitere Jahre für das Berliner Ensemble tätig zu sein. Anschließend verlängerte Peymann seinen Vertrag mehrfach um zwei Jahre,[14] ursprünglich zuletzt bis 2016.[15] Im Dezember 2014 verlängerte Peymann seinen Vertrag ein letztes Mal bis Juli 2017, sein Nachfolger wurde Oliver Reese.[16]
2010 wurde Peymann im Dokumentarfilm Unter Linken – der Film von Jan Fleischhauer interviewt und gab dort an, als Intendant des Berliner Ensembles etwa 200.000 Euro Brutto im Jahr zu verdienen.[19][20] Später gab er an, zum Ende seiner Intendanz fast 350.000 Euro verdient zu haben.[10]
Die Premiere der Inszenierung von ShakespearesRichard III. die 2010 vom französischen Kritikerverband zur besten fremdsprachigen Theateraufführung des Jahres gewählt wurde, fand bereits 2000 im Berliner Ensemble statt und gastierte seitdem unter anderem in Teheran, Tokyo, Stratford-upon-Avon und Verona sowie zuletzt im Wiener Burgtheater.
Um mehr Druck auf laufende Tarifverhandlungen auszuüben,[21] hielt sich am 3. Januar 2012 eine ver.di-Gruppe von acht jungen Besuchern nicht an die Absprache mit ver.di[22] und störte nach der Pause eine von Peymann inszenierte Premiere von Dantons Tod mit Sprechgesängen und Flugblättern, die sie vom ersten Rang auf die Zuschauer im Parkett warfen. Das Publikum blieb passiv, die Premierenbesprechungen erwähnten den Vorfall nur am Rande[23][24][25] und der zuständige ver.di-Tarifsekretär distanzierte sich von der Aktion: „Wir haben alle Aktivitäten gestoppt, weil es am 23. Januar einen ersten Verhandlungstermin gibt.“[22]
Peymann warf seinem Nachfolger Oliver Reese vor, das Berliner Ensemble zu zerstören, da dieser keine Mitglieder des Ensembles mehr übernehmen möchte. Er könne dies, da das Theater seit Beginn der 1990er Jahre eine GmbH ist.[26] Außerdem solle das BE-Archiv aufgelöst werden.[7] Weiterhin bezeichnet Peymann den Regierenden Bürgermeister und Kultursenator Müller sowie den Kulturstaatssekretär Tim Renner, der Reese ausgewählt hatte, als eine kulturpolitische Katastrophe für Berlin.[27][26] Er wünschte sich für Berlin einen Kultursenator, der sich für den Schutz der Künstler einsetze, Verantwortung übernehme und die Kunst liebe.[26]
Zum Ausklang seiner Intendanz ließ Peymann am 2. Juli 2017 einen langen Theaterabend („Der Abschied“) mit Ausschnitten aus seinen Lieblingsstücken Revue passieren. Filmaufnahmen von verstorbenen Regisseuren und Schauspielern, die eng mit Peymann verbunden waren, erschienen noch einmal auf einer Bühnenleinwand. Prominente Künstlerfreunde wie Nina Hagen, Katharina Thalbach, Georgette Dee, Angela Winkler, Herbert Grönemeyer wohnten der letzten Vorstellung bei. Nach fünf Stunden und vielen Ovationen beendete um Mitternacht ein Feuerwerk auf dem Brecht-Platz Peymanns Ägide.[29]
2019 erkrankte Peymann an einer schweren Hirnhautentzündung und lag mehrere Monate auf der Intensivstation des Wiener AKH.[30]
2020 inszenierte er am Wiener Theater in der Josefstadt die Thomas-Bernhard-Dramolette Der deutsche Mittagstisch.[31]
„‚Wer Peymann näher kennt, weiß, dass er eine Art Wohngemeinschaft ist. In ihm sind ein eleganter Herr gemeldet, ein trotziger, wunderbar verspielter Kindskopf, ein Grantscherm mit Tobsuchtsneigung, ein brillanter politischer Analytiker, unfähig zum Opportunismus.‘ Daneben finde sich ein ‚harmoniesüchtiger Zauderer, ein harscher Kolonialist – und ein behutsamer Entwicklungshelfer‘. Jeden Morgen [...] werde per Ziehung entschieden, welcher Peymann Ausgang erhalte.“
„Ich bin ja nicht 1937 geboren. Da bin ich als Claus Peymann in Bremen geboren. Geboren bin ich 1968. Oder in den 60er, 70er-Jahren hier in Stuttgart. Das ist eigentlich meine wirkliche Geburt. Und mein Wahn, dass ich noch immer glaube, wie ein Mammut, der gar nicht mehr in die Zeit passt, dass das Theater wirklich zuständig ist für Utopien, zuständig ist für die Verbesserung der Welt, für größere Gerechtigkeit.“
2007: Im Herbst dieses Jahres widmete das Festival RuhrTriennale Claus Peymann eine Werkschau, und die Künstlergruppe Rimini Protokoll inszenierte ein Doku-Happening am Staatstheater Stuttgart sowie ein Radiostück über den Stuttgarter Zahnersatz-Skandal, jeweils mit Beteiligung Peymanns auf Band, unter dem Titel Peymannbeschimpfung[34]
2010: Wahl durch den französischen Kritikerverband von Peymanns Inszenierung von ShakespearesRichard II. mit Michael Maertens in der Titelrolle zur besten fremdsprachigen Theateraufführung des Jahres.
2012: Preisträger des Lessing-Preises für Kritik. Den mit 5000 € dotierten Förderpreis vergab Peymann an die Schauspielerin Nele Winkler für ihr Theater RambaZamba, ein integratives Theaterprojekt für Menschen mit Behinderung.[35]
2012: Ehrenmitgliedschaft des Wiener Burgtheaters anlässlich seines 75. Geburtstages.
2016: Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße von Peter Handke, Uraufführung am Wiener Burgtheater (mit Christopher Nell als Ich, Erzähler)
Hermann Beil (Hrsg.): Weltkomödie Österreich. 13 Jahre Burgtheater. 1986–1999. Band I: Bilder, 871 S.; Band II: Chronik, 473 S., Zsolnay, Wien 1999, gebunden, ISBN 3-552-04946-0, Besprechung: [36].
Claus Peymann: Interview anlässlich seines 75. Geburtstags. Gespräch, Österreich, 2012, 10:56 Min., Moderation: Christian Ankowitsch, Produktion: ORF, Reihe: matinee, Erstsendung: 4. Juni 2012 bei ORF 2, online-Video von Christian Ankowitsch.
Claus Peymann: „Mord und Totschlag“. Fernseh-Reportage, Deutschland, 2016, 5:15 Min., Produktion: rbb, Redaktion: Stilbruch, Erstsendung: 8. Dezember 2016 bei rbb, Inhaltsangabe von rbb, (Memento vom 1. Dezember 2016 im Internet Archive).
König Claus – Peymanns Leben für das Theater. Dokumentarfilm, Deutschland, 2018, 88:48 Min., Buch und Regie: Andreas Ammer, Produktion: SWR, Reihe: Dokumentarfilm, Erstsendung: 12. April 2018 bei SWR Fernsehen, Inhaltsangabe von ARD, online-Video aufrufbar bis 28. Oktober 2019.