Logo des GB/BHE

Der Gesamtdeutsche Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (kurz GB/BHE) war eine von 1950 bis 1961 aktive politische Partei in der Bundesrepublik Deutschland. Sie richtete sich an die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aus ihrer Heimat vertriebenen Deutschen.

Geschichte

Der Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) wurde im Januar 1950 von Waldemar Kraft als politische Partei in Schleswig-Holstein gegründet. Schleswig-Holstein war das Bundesland mit dem höchsten Bevölkerungsanteil an Vertriebenen und Flüchtlingen in Westdeutschland, die Partei errang deswegen schon bei der ein halbes Jahr später stattfindenden Landtagswahl 1950 23,4 Prozent. Der BHE war damit nach der SPD zweitstärkste Partei und bildete eine Koalition mit CDU, FDP und DP. Die CDU hatte zwar weniger Stimmen, aber mehr Mandate erhalten und stellte den Ministerpräsidenten. Waldemar Kraft wurde Finanzminister und stellvertretender Ministerpräsident.

Im November 1952 nannte sich der BHE in Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten um und versuchte damit, breitere Wählerschichten anzusprechen. Bei der Bundestagswahl 1953 erreichte er 5,9 Prozent der Zweitstimmen, zog in den Deutschen Bundestag ein und wurde von Konrad Adenauer an der Regierung beteiligt.

Wahlkampfplakat des GB-BHE bei der Bundestagswahl 1957

Im Kabinett Adenauer II war Kraft zeitweise einer der Bundesminister für besondere Aufgaben, sein Parteikollege Theodor Oberländer Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Nach internen Streitigkeiten, welche vordergründig um die Saar-Frage geführt wurden und auf dem Bundesparteitag 1954 in Bielefeld eskalierten, traten Kraft, seine Vertraute Eva Finckenstein, Theodor Oberländer und weitere Anhänger des Bürgerblock-Flügels (die sogenannte K.O.-Gruppe) 1955 aus der Partei aus und 1956 der CDU bei. Mit dieser Spaltung begann der Niedergang des GB/BHE. Hinzu kam die Furcht vor dem Verfehlen der Fünfprozenthürde, die berechtigt war: Bei der Bundestagswahl 1957 erreichte der BHE lediglich 4,6 Prozent der Zweitstimmen und verfehlte den Wiedereinzug in den Bundestag. Die Notwendigkeit mit anderen Parteien zu kooperieren wurde somit zur Überlebensfrage. Beim Bundesparteitag in Bad Hersfeld 1958 wurde die Idee manifest, durch ein Zusammengehen mit FDP oder mit der DP womöglich genügend Stimmen für einen Wiedereinzug in den Bundestag sammeln zu können.[1] Vor der Bundestagswahl 1961 fusionierte die Partei auf Bundesebene mit der Deutschen Partei (DP) zur Gesamtdeutschen Partei (GDP). Im Bundesland Niedersachsen, wo der GB/BHE in der Regierung, die DP hingegen in der Opposition war, wurde die Fusion beider Parteien infolge der erfolglosen Bundestagswahl rückgängig gemacht.

Politik

Der BHE war eine Klientelpartei der politischen Mitte, welche vorrangig die Interessen der Vertriebenen vertrat. Auf Länderebene war die Partei an Koalitionsregierungen sowohl mit der CDU als auch mit der SPD beteiligt.[2] Sie trug zur Integration der Vertriebenen ins bürgerliche Parteienspektrum der Bundesrepublik bei und verhinderte eine politische Radikalisierung dieser Bevölkerungsgruppe.[3]

Das Parteiprogramm konzentrierte sich anfangs hauptsächlich auf zwei Forderungen: Lebensrecht im Westen und Heimatrecht im Osten. Unter dem ersten Begriff wurden ein gerechter Lastenausgleich und die Wohnungsbauförderung für Vertriebene verstanden. Unter dem „Heimatrecht“ verstand man die Wiederherstellung des Reiches in den Grenzen von 1937 mit friedlichen Mitteln. Die Partei beschwor das Bild des christlichen Abendlands und bezog klar Stellung gegen den Kommunismus.

Der BHE wandte sich auch an die Opfer des Bombenkrieges, Geschädigte der Währungsreform und ehemalige Beamte, welche nach 1945 im Rahmen der Entnazifizierung entlassen worden waren.[4] Der BHE spielte eine zentrale Rolle bei der Beendigung der Entnazifizierung und der beruflichen Wiedereingliederung ehemaliger Nationalsozialisten, welche aufgrund ihrer Vergangenheit berufliche Probleme bekommen hatten. Er war ein Sammelbecken für antikommunistische und revanchistische Kräfte in der jungen Bundesrepublik.[5] In seinen Reihen befanden sich viele ehemalige NSDAP-Mitglieder, darunter auch Kraft und Oberländer. Kraft legte deswegen bereits 1952 Wert auf die Feststellung, dass der BHE die Partei „auch der ehemaligen Nazis, aber nicht derjenigen, die heute noch Nazis sind,“ sei.[4]

Wahlergebnisse

Bundestagswahlen

Jahr Stimmenanzahl Stimmenanteil Sitze
1953 1.616.953 5,9 % 27
1957 1.374.066 4,6 %

Landesparlamentswahlen

Wahl Stimmen Sitze
Landtagswahl in Baden-Württemberg 1952 6,3 % 6
Landtagswahl in Baden-Württemberg 1956 6,3 % 7
Landtagswahl in Baden-Württemberg 1960 6,6 % 7
Wahl Stimmen Sitze
Landtagswahl in Bayern 1950 12,3 %1 26
Landtagswahl in Bayern 1954 10,2 % 19
Landtagswahl in Bayern 1958 8,6 % 17
Wahl Stimmen Sitze
Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 1950 2,2 %
Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 1954 2,6 %
Wahl Stimmen Sitze
Bürgerschaftswahl in Bremen 1951 5,6 % 2
Bürgerschaftswahl in Bremen 1955 2,9 %
Bürgerschaftswahl in Bremen 1959 1,9 %
Wahl Stimmen Sitze
Landtagswahl in Hessen 1950 31,8 %2 21
Landtagswahl in Hessen 1954 7,7 % 7
Landtagswahl in Hessen 1958 7,4 % 7
Wahl Stimmen Sitze
Landtagswahl in Niedersachsen 1951 14,9 % 21
Landtagswahl in Niedersachsen 1955 11,0 % 17
Landtagswahl in Niedersachsen 1959 8,3 % 13
Wahl Stimmen Sitze
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 1954 4,6 %
Wahl Stimmen Sitze
Landtagswahl in Schleswig-Holstein 1950 23,4 % 15
Landtagswahl in Schleswig-Holstein 1954 14,0 % 10
Landtagswahl in Schleswig-Holstein 1958 6,9 % 5

1) in Listenverbindung mit der Deutschen Gemeinschaft
2) in Listenverbindung mit der FDP

Regierungsbeteiligungen

Bundesvorsitzende des GB/BHE

Zeitraum Name
Januar 1950 – Mai 1954 Waldemar Kraft
Mai 1954 – Februar 1955 Theodor Oberländer
Februar 1955 – 1958 Friedrich von Kessel
1958–1961 Frank Seiboth

Seiboth wurde nach der Fusion gemeinsam mit Herbert Schneider gleichberechtigter Vorsitzender der GDP.

Fraktionsvorsitzende im Bundestag

Zeitraum Name
1953–1955 Horst Haasler
1955–1956 Karl Mocker
1956–1957 Erwin Feller

Von den Mitgliedern der Partei befanden sich in leitenden Funktionen auch zahlreiche ehemalige Mitglieder der NSDAP, darunter auch verurteilte Kriegsverbrecher.[6][7][8][9]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Die dritten Kraftmeier. In: DIE ZEIT Nr. 23/1958. Gert Buccerius, 5. Juni 1958, abgerufen am 7. Januar 2024.
  2. Sven Leunig: Die Regierungssysteme der deutschen Länder. 2. Auflage, Springer VS, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-531-93304-7, S. 86.
  3. Richard Stöss: Parteien-Handbuch: Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945–1980. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-663-14349-9, S. 281
  4. a b Matthias Stickler: Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE). In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2013, abgerufen am 7. Januar 2013.
  5. Michael Schwartz: Funktionäre mit Vergangenheit. Das Gründungspräsidium des Bundesverbandes der Vertriebenen und das "Dritte Reich". (In Zusammenarbeit mit Michael Buddrus) Oldenbourg, München 2013, ISBN 978-3-486-71626-9.
  6. apabiz.de
  7. Abschlussbericht (PDF) der Arbeitsgruppe zur Vorstudie „NS-Vergangenheit ehemaliger hessischer Landtagsabgeordneter“ der Kommission des Hessischen Landtags für das Forschungsvorhaben „Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen“
  8. rothenburg-unterm-hakenkreuz.de
  9. Ich habe weniger Munition als Gefangene. (Memento des Originals vom 24. September 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.berliner-zeitung.de In: Berliner Zeitung, 1. August 2008